Man kommt mit bösen Kopfschmerzen ins Spital und erfährt nur kurze Zeit nach einer Computertomografie, dass man wegen einer Blutung im Spital bleiben müsse. Das geschieht, ohne dass ein Arzt oder eine Ärztin involviert war.

Für den Herrn der Daten am Universitätsspital Basel ist eine solche rasche, datenbasierte Diagnose nur ein kleiner Teil dessen, was in Basel mit dem Aufbau des Clinical Data Warehouse (CDW) angestrebt wird. Bram Stieltjes leitet die Forschungsund Analyse-Services des Spitals und will mit dem CDW die Grundlage für mehr Prozess- und Abrechnungseffizienz und insbesondere für eine personalisierte Medizin erreichen. Zudem sollen routinemässig abgefragte Patientendaten für die Forschung und eben auch für die Behandlung nutzbar gemacht werden. Beschränken sich Krankenhausinformationssysteme oder Patientendatenmanagementsysteme auf einzelne Patienten und Patientinnen, bringt das CDW Licht in ganze Behandlungsverläufe, Krankheitsbilder und Kostenstrukturen und erlaubt sie nach verschiedenen Aspekten zu analysieren.

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Es fehlt an der Kompatibilität der Strukturen der Daten und Schnittstellen.

Aus Theorie wird Praxis

Solch eine Gesamtsicht ist am Unispital Basel mit dem Data Warehouse im Entstehen. Aktuell erfasse man noch auf rund 200 historisch gewachsenen Systemen Daten, die noch kaum ganzheitlich ausgewertet und zum Wohle der Patientinnen und Patienten verwendet werden können, beschreibt Stieltjes die von ihm mit dem CDW adressierte Herausforderung. Zudem habe er unter anderem mit Datenschutzanforderungen oder auch Fragen der Betriebssicherheit zu tun, die den Systemen im täglichen Einsatz Grenzen setzen.

Frederik Haubitz, der sich beim Beratungshaus PwC auf das Gesundheitswesen konzentriert, spricht bezüglich dieser Situation vom «Silodenken» in den Spitälern. Das werde nun «durch eine immer stärker werdende Interdisziplinarität abgelöst», führt er aus. Das erfordere für die Datenbasis eine zunehmende Vernetzung unterschiedlicher Quellen, um zu einem korrekten, allgemeingültigen Datenbestand zu kommen, «einer Single Source of Truth», wie Haubitz sagt. Genau das ermögliche ein Data Warehouse.

Wie nötig das ist, sei daran abzulesen, dass «die zukünftige Entwicklung der Medizin datenbasiert» sein werde. Ohne das Data Warehouse, das alle Daten zusammenführt, sei das gar nicht mehr denkbar. Zudem frage «auch der zunehmend mündige Patient seine Daten direkt nach und erwartet eine maximale Vernetzung, am besten über alle Leistungserbringer hinweg», so Haubitz weiter. Welche Potenziale hier schlummern, streicht Sven Hochstaedter hervor. Der Datenlogistiker und Data-Warehouse-Berater beim E-Health Business-Integrator Bint betont, wie anspruchsvoll es ist, im Data Warehouse grosse Mengen von unter anderem unstrukturierten Daten wie Röntgenbilder mittels geeigneter Verfahren wie einer Segmentierung und geeigneter Algorithmen in dreidimensionale Modelle umzuwandeln, welche die Daten vergleichbar machen und eine Analyse mittels AI ermöglichen.

Auch sei es keineswegs simpel, unter Berücksichtigung von Compliance-Vorgaben Daten systemübergreifend zu erfassen. Zudem erinnert er an die diversen Sicherheitsvorkehrungen, mit denen beispielsweise via Probanden-ID-Management die Anonymität der Patientinnen und Patienten sicherzustellen ist.

Doch am Ende sieht auch Hochstaedter viele positive Möglichkeiten. So könne man zum Beispiel aus nicht personalisierten Daten für einzelne Krankheiten die besten Behandlungs- und auch Operationsmethoden herausfiltern. Umgekehrt liesse sich so auch die Frage beantworten, ob eine Behandlung oder Operation überhaupt nötig sei. Angesprochen ist damit eines der ganz grossen Ziele der Gesundheitsversorgung. Dazu gehört es, als eine der zentralen Herausforderungen, die Suche nach präzisen, individualisierten Behandlungsmethoden durch die Analyse diagnostischer Daten zu unterstützen. Dafür hat die Spitalmedizin allerdings nicht etwa mit der Rechenintensität bei der Datenverarbeitung zu kämpfen, wie sie zum Beispiel bei der Analyse des Erbguts nötig ist. Vielmehr fehlt es zuerst an der Kompatibilität der Datenstrukturen und an Schnittstellen zu den vielen Systemen.

Laut Stieltjes habe in jedem Bereich – von den Laboren über die Mikrobakteriologie, die ambulante Krebstherapie, die Anästhesie, die Operations- und Belegplanung bis hin zu den Abrechnungssystemen – jede jeweils eingesetzte Software ihr eigenes Datenmodell. Und ja, typischerweise werde das vom Hersteller nicht preisgegeben, bringt er die Situation auf den Punkt.

Das erschwere zwar den Weg zur Datennutzung aus dem CDW. Allerdings sei man am Basler Unispital bereits gestartet – und immerhin seien derzeit 20 der rund 200 Systeme, in denen Primärdaten erfasst werden, vernetzt abrufbar.

Einfachere Kostenverrechnung

Konkret strebt Stieltjes mit dem weiteren Aufbau des CDW neben der Optimierung der Patientenversorgung im Sinne einer personalisierten Medizin auch die Verbesserung der Prozesseffizienz zum Beispiel bei der Datenzusammenführung an. Zudem will er die Kostenverrechnung an die Versicherer vereinfachen.

Erreichen will er das mittels strikter Digitalisierung der Spitalprozesse und einer harmonisierten Zusammenführung der Daten auf einer zentralen Datenplattform. Dabei sollen durch die Automatisierung von Datenimporten einerseits Fehler reduziert und Kosten gespart werden. Anderseits sollen durch die Analyse der Prozessabläufe Lücken im System aufgedeckt, die Effizienz verbessert und schliesslich damit einhergehend dank datengetriebener Diagnose die Behandlungsverläufe verbessert werden.

Gemeinsam digitalisieren

Der erste Schritt sei gewesen, statt eines betriebswirtschaftlichen Data Warehouse (DWH) und eines Data Warehouse für klinische Daten (CDW) neu ein integriertes System zur klinischen Entscheidungsunterstützung aufzubauen. Entscheidend sei dabei gewesen, dass die Anforderungen in den zunächst alternativ anvisierten Projekten zunehmend überlappt hätten.

Stieltjes spricht von einem Prozess, bei dem es intern Überzeugungsarbeit zu leisten galt. «Einen nicht unwesentlichen Einfluss auf eine gemeinsame Datennutzung haben kulturelle Gründe, die es zu überwinden gilt. Denn für viele ist der übergreifende Mehrwert nicht sichtbar.» Weiter werde die IT vor allem als Servicedienstleister gesehen und ihr Beitrag zur Entwicklung der Systeme unterschätzt.

Hier sei die Firma IT-Logix als unabhängige Beraterin ins Spiel gekommen. Sie habe besonders in Sachen Businessanalyse, Technologie- und Architekturberatung weitergeholfen. Aber von der Kooperation habe auch IT-Logix profitiert, indem sie von «unserer langjährigen und tiefen Erfahrung» dazu, wie Spitalsysteme aufgebaut sind, lernen konnte. «Auf dieses Wissen werden in Zukunft sicher nicht nur wir, sondern auch andere Spitäler nutzbringend zugreifen können», sagt Stieltjes.