Nein, es geht hier nicht um Randgruppen – es geht um uns alle. Im Lauf unseres Lebens werden wir alle zwangsläufig, sei es mittelbar oder unmittelbar, mit Einschränkungen konfrontiert, zu deren Bewältigung eine barrierefreie Welt absolut notwendig ist. Besonders auch jene unserer digitalen Ökosysteme.

Sei es die sich invertierende Alterspyramide, seien es alternative Nutzungsszenarien oder die zwangsläufig bald auch die freie Wirtschaft betreffenden Regulatorien zur Inklusion und Accessibility: Die wachsende Bedeutung der Barrierefreiheit bei der Entwicklung von Web- und mobilen Apps ist offensichtlich und erhöht zudem die Benutzerfreundlichkeit der Produkte und Auftritte. Doch alle Stakeholder müssen die entsprechenden Herausforderungen kennen, um dies sinnvoll in die Welt bringen zu können.

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Die Autoren

Professor Roger Gassert, Stiftungsratspräsident der Stiftung «Zugang für alle»; Professor für Rehabilitation Engineering im Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich

Philipp Keller, Geschäftsführer der Stiftung «Zugang für alle», Zürich.

 

Im breiteren Kontext von Software und Benutzeroberflächen braucht es eine neue Gewichtung der Barrierefreiheit als integralen Aspekt von Design und Entwicklung. Genau wie bei der Entwicklung von Web- und mobilen Apps sind Standardisierung und die Einhaltung von Richtlinien zur Barrierefreiheit unerlässlich und massgebend, um sicherzustellen, dass Software und Schnittstellen den Fähigkeiten aller Benutzerinnen und Benutzer gerecht werden:

  • Erstens eine gute Qualitätssicherung: Testing, einschliesslich Usability-Tests mit unterstützenden Technologien, ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass Software und Schnittstellen benutzerfreundlich und barrierefrei sind und letztlich das gesamte Nutzungserlebnis für alle verbessern, unabhängig von körperlichen oder kognitiven Fähigkeiten.
  • Zweitens fundierte Kenntnisse und Konsistenz: Um die Zugänglichkeit komplexer Elemente sicherzustellen, sind fundierte Kenntnisse zur Unterstützung systemweiter Funktionen wie Zoom, Kontrastmodi und Tastaturbedienung erforderlich. Kontinuität und ein nachhaltiges Engagement für Barrierefreiheit während der gesamten Projektlaufzeit sind unerlässlich, auch wenn dies mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist.
  • Drittens das Vermeiden von «vereinfachten» Alternativen: Obwohl es verlockend erscheinen mag, behinderten Benutzergruppen «vereinfachte» Versionen komplexer Elemente oder Inhalte anzubieten, ist dies nicht ratsam. Vereinfachte Versionen können das Benutzererlebnis beeinträchtigen, zu Wartungsproblemen führen oder gar Inhalte ausblenden. Es ist besser, sicherzustellen, dass alle Benutzerinnen und Benutzer, unabhängig von ihren Fähigkeiten, Zugriff auf dieselben Funktionalitäten, Workflows und Pfade haben. Dies betrifft auch die immer problematischen «Barrierefreiheitsmodi».

 

Von Anfang an daran denken

Hier einige Vorschläge für die Verbesserung der Barrierefreiheit in Bezug auf verschiedene Rollen in der Produktentwicklung:

  • Product-Owner und Product-Manager Absolvieren Sie eine allgemeine Schulung zur Barrierefreiheit, um die Bedeutung der Barrierefreiheit und ihre Auswirkungen auf die Benutzerinnen und Benutzer zu verstehen. Integrieren Sie die Barrierefreiheit in die Anforderungen: Stellen Sie sicher, dass die Barrierefreiheitsanforderungen in die User-Storys und Feature-Anfragen des Projekts integriert sind, was sie zu einem grundlegenden Aspekt der Produktentwicklung macht.
  • Projektmanagerinnen und -manager Beziehen Sie das Thema Barrierefreiheit in die Anfangsphasen des Projekts ein und weisen Sie Ressourcen für Tests und Compliance zu. Binden Sie Expertinnen oder Berater für Barrierefreiheit in das Projekt ein, die das Team anleiten und die Probleme im Zusammenhang mit Barrierefreiheit angehen.
  • Entwicklerinnen und Entwickler: Absolvieren Sie eine Schulung zu Richtlinien und Best Practices bezüglich Barrierefreiheit. Sie sollten zudem ihren Code regelmässig mit unterstützenden Technologien wie Screenreadern testen und manuelle wie auch automatisierte Barrierefreiheitstests durchführen.

 

Offene Kommunikation mit den Usern

Insgesamt sind die Förderung einer Kultur der Barrierefreiheit innerhalb des Betriebs und des Entwicklungsteams, der Einbezug der Barrierefreiheit bereits von Projektbeginn an und die Aufrechterhaltung einer offenen Kommunikation mit Benutzerinnen und Benutzern wichtige Strategien zur Verbesserung der Barrierefreiheit für alle Beteiligten. Und: Wir sind alle mitgemeint. Barrierefreiheit ist eine unabdingbare Voraussetzung für Partizipation und Inklusion – ein Themenbereich, der uns wirklich alle betrifft.

«Zugang für alle»

Die Stiftung Sie setzt sich für die Förderung und Verbesserung der Barrierefreiheit für alle Menschen ein. Ihre Dienstleistungen unterstützen die Schaffung einer integrativen Gesellschaft durch Gewährleistung eines gleichberechtigten Zugangs zu Informationen und Technologie.

Portfolio Die Stiftung bietet Unternehmen, Organisationen und öffentlichen Einrichtungen Beratung und Unterstützung bei der Umsetzung von Barrierefreiheitsmassnahmen. Dazu gehört das Angebot von Schulungs- und Beratungsdiensten, um Organisationen dabei zu helfen, Barrierefreiheitsstandards zu verstehen, einzuhalten und ihre digitalen und physischen Räume, Produkte und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zugänglicher zu machen.

Informationen: philipp.keller@access-for-all.ch, Telefon 044 515 54 23