Schwungradeffekte, im Silicon Valley «Flywheel Effect» genannt, sind für den Erfolg grosser Marktplätze und Plattformen zentral. Darunter versteht man die selbstverstärkende Wirkung, wenn Marktplätze immer mehr User anziehen, die dann wiederum immer mehr Lieferanten anziehen, was wiederum neue User anzieht.

Flywheel-Effekte gelten deshalb als magische Kraft, welche die User-Zahlen, die Börsenkurse und die Hoffnungen beziehungsweise die Befürchtungen von Managern und Konkurrenten gleichermassen antreibt. Das grösste Problem bei vielen Plattformen ist laut Jonathan Knee, Ex-Investmentbanker und jetzt Dozent an der renommierten Columbia Business School in den USA, dass diese Flywheel-Effekte in der Praxis oft gar nicht bestehen, selbst wenn das oft behauptet wird. Oder diese Effekte sind viel schwächer als angenommen. Beispielsweise bei Uber: Ab einer gewissen Dichte von Fahrzeugen nimmt der Grenznutzen ab – mehr Autos blockieren sich gegenseitig, die User wechseln zwischen den Fahrdiensten hin und her – und das Gleiche gilt für die Fahrerinnen und Fahrer. Die Netzwerkeffekte schwächen sich eher wieder ab.

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Die Amazon-Marktplätze weisen laut Knee immerhin indirekte Netzwerkeffekte auf. Hier entfaltet das Prime-Kundenbindungsprogramm eine gewisse Wirkung, die indes sehr schwer zu konkretisieren ist. Bei vielen Elementen dieses Programms ist der wirtschaftliche Nutzen laut Knee fragwürdig. Schnelle Lieferungen bekommt man auch bei anderen Marktplätzen, und für das Streaming gibt es die Pure Player wie Netflix. Und auch die Expansionsstrategie mit neuen Märkten und Produkten erscheint herausfordernd – es gibt gute Gründe, warum diese Märkte bisher nicht erschlossen worden sind. Etwa weil sich bereits lokale Marktplätze und Anbieter etabliert haben und «näher an der Kundschaft» sind. Oder weil die lokalen grossen Retailer erfolgreich eine brauchbare hybride Offline-Online-Strategie entwickelt haben. Beides trifft auf die Schweiz zu.

Schwungradeffekte gibt es – aber sie sind eher im Software- und Cloud-Geschäft zu finden. Oder bei der Kombination sozialer Netzwerke mit integrierten Shopping-Möglichkeiten. Davon profitieren Tiktok und Instagram. Bei Amazon ist das die Webservices-Sparte. Die wächst weiterhin stark, ist hochprofitabel und verdeckt die Tatsache, dass das Marktplatzgeschäft des E-Commerce-Giganten ausserhalb der USA gar nicht profitabel arbeitet.