Seit Anfang Mai diesen Jahres gibt es im Zürcher Sihlcity-Shoppingcenter «The Cube». Dieses «Retail as a Service»-Geschäftskonzept basiert auf leeren Ladenflächen, die von interessierten Marken gegen Gebühr für einen oder mehrere Monate gemietet werden können. Die Hersteller liefern lediglich Ausstellungsware – um die Produktpräsentation und die Beratung kümmert sich «The Cube». Die Kundinnen und Kunden können so Produkte anfassen, anprobieren und schauen, wie sie sich anfühlen. Verkauft wird dann online über die Kanäle der Marke beziehungsweise des Herstellers.

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Das Konzept gilt als wegweisend für eine bestimmte Kategorie von Produkten und Marken: Gerade kleinere Hersteller, die bisher lediglich direkt beziehungsweise über Marktplätze ihre Produkte online verkauft hatten, können so erste Erfahrungen mit «richtigen» Ladengeschäften machen. Das Konzept hat Vorbilder in den USA (Fetch, Showfields, Fourpost, b8ta) und in Deutschland (Brickspaces, Promobo). Allerdings überlebte die Firma b8ta die Covid-19-Pandemie nicht – im Februar kam der Ladenschluss; die Kundinnen und Kunden waren online abgewandert und nicht mehr zurückgekommen.

Temporäre, dezentrale Warenlager

Auch die an die grossen E-Tailer angeschlossenen beziehungsweise in sie integrierten Logistikdienste und die immer prompter arbeitenden Lieferdienste erleichtern den Einkauf von zu Hause aus – die Lücke zwischen traditionellem Retailhandel und dem E-Commerce ist bisher nur unzureichend erschlossen.

Dafür experimentieren die verbliebenen Jungunternehmen in den USA und in Europa unterschiedlich. Es zeigen sich zwei Stellschrauben: Einerseits sind es die Automatisierung und die Technologien, mit denen die ganze Logistik bis zum Fulfillment verbessert wird. Es sind die grossen Retailketten in den USA, die mithilfe von künstlicher Intelligenz Empfehlungsund Beratungstools in ihre Online-Auftritte integrieren, um die Retailberatungserfahrung halbwegs zu simulieren.

Für wichtige Produkte wird oft eine zweite Lieferkette aufgebaut.
 

Auch in den Auslieferlagern wird immer mehr Arbeit von Menschen zu Verpackungsrobotern verschoben. Beim sogenannten Micro-Fulfillment sollen gemäss ersten Konzepten zukünftig fensterlose containergrosse Warenlager dezentral und nur für Stunden in die Nähe ihrer Kundinnen und Kunden gefahren werden. Spezielle so genannte Pick-Roboter stellen dann die Warenkörbe auf der Basis der eingegangenen Bestellungen zusammen. Der Vorteil dieses dezentralen Ansatzes liegt in der Reak tions geschwindigkeit bei kurzfristigen zusätzlichen Bestellungen. Diese benötigen dann keine weitere Fahrt mehr vom weiter entfernten zentralen Lager. Anderseits werden die Lieferketten sowie die Produktionsorte zu einem The ma, bei dem man sich sowohl als Retailer als auch als E-Commerce-Unternehmen ausdifferenzieren kann. Die Covid-19-Ausbrüche, die seit Wochen grosse chinesische Städte lahmlegen, haben viele Händlerinnen und Plattformen dazu bewogen, ihre Strategien gleich auf zwei Weisen zu überdenken: Einerseits gilt «China + 1» als der neue Standard. Bei wichtigen Komponenten oder Produkten baut man oft eine zweite, halbwegs unabhängige Lieferkette auf, die ihren Ursprung oft in einem anderen asiatischen Land wie Vietnam oder Indonesien hat. Anderseits achtet man beim Einkauf zunehmend darauf, dass sich die Komponenten eines Herstellers durch Ersatzteile eines anderen ersetzen beziehungsweise ergänzen lassen.

Weniger Spontaneinkäufe

Für die Kundinnen und Kunden, die mit «smarten» Einkaufswagen, welche jeweils kleine Bildschirme an der Stelle installiert haben, wo man gewöhnlich Kleinkinder hineinsetzt, bedeutet das eine teilweise Erleichterung: Sie sehen gleich beim Betreten des Geschäfts, ob sich die Fahrt in das Regal ganz hinten links lohnt. Die Erfahrung der ersten US-Retailer wie Kroger mit Wagen des Herstellers Caper AI waren etwas zwiespältig – denn jetzt schauten die Kundinnen und Kunden nicht mehr links und rechts in die Regale, und sie machten weniger Spontankäufe.