Welche Parallelen sehen Sie zwischen dem Profil heutiger HSLU-Wirtschaft-Absolventinnen und -Absolventen und Ihrer damaligen HWV-Ausbildung?

Bereits damals mussten Gymnasiasten Praxiserfahrung vorweisen, um an die HWV zu kommen. Von daher ist das Profil im Wesen dasselbe geblieben. Ansonsten hat es sich enorm gewandelt. Die damalige HWV Luzern konnte sich sehen lassen, wohl auch weil es keine Uni in Luzern gab. Der Gründungsrektor, Hans Lütolf, machte einen sensationellen Job. Aber es war auch eine andere Zeit. Die Durchlässigkeit ist heute besser. Es gibt als Zugangskriterium die Berufsmatura. Damals musste man einigermassen gute KV-Noten plus zwei Jahre Berufserfahrung aufweisen. Niveau und Anforderung einer FH sind heute sicher höher. Ich wüsste nicht, ob ich sie heute bestehen würde …

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Wie sind Sie als 29-Jähriger auf die Idee gekommen, die Auslagerung von HR-Aufgaben oder – wie Sie es nannten – «Personalchef-Funktionen für Dritte» anzubieten?

Ich arbeitete damals beim Textilunternehmen Hanro im HR und musste ziemlich viele Leute entlassen. Ich machte Sozialpläne von morgens bis abends. Auch fünfzigjährige Familienväter waren betroffen. Das hat mich belastet. Und ich wollte mich selbst nicht in eine solche Abhängigkeit begeben, sondern selbstständig für mein Schicksal verantwortlich sein. Ich suchte also eine Mischung aus beidem: Aufträge hereinholen und verkaufen sowie HR. Denn Marketing hat mich bereits vorher interessiert. Ich entdeckte die Nische mit ausgelagerten HR-Dienstleistungen, und zwar für das spezifische Segment von KMU mit bis zu hundert Mitarbeitenden. Denn diese Unternehmen konnten sich keinen eigenen HR-Chef leisten.

Vierzig Jahre später übergeben Sie jetzt an Ihren Sohn Tobias. Wo sehen Sie die grösste Veränderung?

Früher stellten wir die Frage: Können Sie sich vorstellen, dass dies Ihre Lebensstelle ist? Heute würde man bei einer solchen Frage komisch angeschaut. Man wechselt öfter. Alles ist sehr schnelllebig geworden. Ein Arbeitsleben ohne Weiterbildung ist zudem kaum noch denkbar, und sei es Weiterbildung im Beruf. Früher hat ein KV allein sehr weit gereicht, mitunter bis zu einem Chefposten. Heute ist eine Weiterbildung oder ein Hochschulstudium Pflicht. Die Anforderungen sind sehr stark gestiegen. Und zunehmend muss ein CV genau in ein Anforderungsprofil passen. Früher gab es öfter Quereinsteiger, die einen Job erhalten haben, weil es persönlich einfach passte.

 

JÅ¡rg Lienert
Quelle: ZVG

Der «Ur-HWVler»

Jörg Lienert Der heute 68-Jährige ist aufgewachsen in Obwalden und absolvierte nach dem Gymnasium das KV. Im Anschluss besuchte er ab 1975 die vier Jahre zuvor gegründete HWV in Luzern (heute HSLU Wirtschaft). Er machte rasch Karriere, war Ausbildner beim Bankverein, Personalchef bei Hanro und kurz in der Unternehmensberatung. Danach folgte der Schritt in die Selbstständigkeit. Weil gleichzeitig ein anderer auf Kaderselektion spezialisierter Unternehmer kürzertrat, konnte Lienert im Bereich Search Fuss fassen, wo das Unternehmen bis heute eine feste Grösse ist.

Finanzkrise oder Corona – es gibt Ereignisse, die alle betreffen. Wie war es bei Ihnen?

Bei Ausbruch der Coronakrise haben wir uns drei Ziele gesetzt: a) Möglichst niemanden entlassen, b) keine Notkredite zu beanspruchen, und c) keine Kurzarbeitsentschädigungen. Dabei höchstens einen kleinen Verlust schreiben. Diese haben wir zu unserer grossen Freude gut erreicht. Warum? Mit dem Homeoffice hat es von Beginn weg gut geklappt. Bis zu einem gewissen Grad konnten wir auch noch persönliche Interviews führen, da wir grosse Räumlichkeiten haben. Und unsere grösste Niederlassung, die Zentralschweiz, war allgemein weniger stark von der Krise betroffen. Sicherlich hat auch das gute Netzwerk geholfen. Wir sind zudem vor allem im Segment mit Führungsfunktionen tätig. Einen Finanzchef etwa kann man in der Krise nicht kurzfristig entlassen. Nach der Krise musste man wiederum vielerorts entlassene Mitarbeitende wieder ersetzen, das kam uns zugute. Eine Finanzkrise mit Rezession ist anders. Da kommen vor allem Stellensuchende zu uns. Unser Einkommen aber generieren in erster Linie Aufträge von Unternehmen. Wir bewegen uns also immer mit den Wellen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebermarkt. Aber wir kamen nie schlecht weg.

«Ich liebe die Gespräche mit Menschen über ihre Geschichte.»

 

Sie haben sicher ein grosses Netzwerk …

Einerseits ist da das natürliche Netzwerk aus meiner Region und Vereinen. Andererseits bin ich einfach gerne unter Menschen. Das hat mir sicher in die Hand gespielt, auch mein Interesse an ihren Geschichten, an Biografien. Bis heute liebe ich die Gespräche mit Menschen über ihre Geschichte. Das macht meine Passion aus. Auch innerhalb meines Netzwerks ist dies spannend zu beobachten: Ich sah, wie Menschen in jungen Jahren in Kaderpositionen kamen, dann in Geschäftsleitungen aufstiegen, danach in den VR. Am Schluss kommen sie langsam aus dem Berufsleben oder können vielleicht nicht loslassen.