Grundsätzlich gefragt: Welche Bedeutung haben Vorsorgelösungen für Unternehmen?

Unternehmen benötigen attraktive, aber auch finanzierbare Vorsorgelösungen, um qualifizierte Mitarbeitende zu finden und langfristig halten zu können. Das ist insbesondere im heutigen Umfeld mit dem Mangel an Fachkräften von grosser Bedeutung.

Inwieweit hat die Struktur eines Unternehmens Einfluss auf die Personalvorsorge?

Nun, die Unternehmensgrösse bestimmt die Organisationsform der Personalvorsorge, zusätzlich natürlich auch Branchenzugehörigkeit sowie Struktur der Mitarbeitenden wie beispielsweise Alter, Zivilstand, Lohnverteilung und so weiter.

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Welche Möglichkeiten gibt es?

Grundsätzlich bestehen vier Möglichkeiten: Firmeneigene Personalvorsorgestiftung, Vollversicherung, Sammelstiftungen und 1e-Vorsorgelösungen.

Vermutlich passen nicht alle Varianten für jedes Unternehmen.

Korrekt. Firmeneigene Personalvorsorgestiftungen mit oder ohne Rückversicherung ermöglichen primär grossen Unternehmen, welche die Verantwortung für die Vorsorge selber tragen wollen, maximale Gestaltungsfreiheit. Die Vollversicherungslösung mit Garantie für das vorhandene Altersguthaben für die Mitarbeitenden ist dagegen ein Rundum-Wohlfühl-Paket, insbesondere unter Berücksichtigung der aktuell negativen Börsenentwicklung, allerdings in vielen Fällen zu höheren Preisen, tieferer Verzinsung der Altersguthaben sowie tieferen Umwandlungssätzen. Autonome oder teilautonome Sammel-, Gemeinschafts- oder Verbandsstiftungen mit oder ohne Mitbestimmung bei der Kapitalanlage ermöglichen Firmen mit «Risikoappetit» für Börsenschwankungen eine kostengünstige Personalvorsorge mit besserem Verzinsungspotenzial. Und die 1e-Vorsorgelösungen bieten Versicherten mit einem jährlichen Einkommen über 129 060 Franken die Möglichkeit, die Anlagestrategie selber zu bestimmen.

Hat sich aus Ihrer Sicht das Umfeld in den letzten Jahren bei den Sammelstiftungen verändert?

Ja. Grundsätzlich kann eine Professionalisierung wie auch eine erhöhte Digitalisierung der meisten Anbieter im Markt festgestellt werden, jedoch verschärfen einzelne Anbieter die Aufnahmebedingungen für Neukunden, sodass ein Wechsel nicht mehr sonderlich attraktiv ist. Die Preisgestaltung kann zudem zwischen den Anbietern – je nach Veränderung des Risikoappetits – von Jahr zu Jahr stark schwanken. Insgesamt ist festzustellen, dass ein Anbieterwechsel anspruchsvoller und zeitintensiver geworden und ohne professionelle, externe Unterstützung praktisch nicht mehr möglich ist.

«Einzelne Anbieter verschärfen die Bedingungen.»

 

Auf welche Hindernisse muss bei einer Marktprüfung geachtet werden?

Mögliche Stolpersteine sehe ich vor allem bei den Gesundheitsprüfungen, bei Transfers von Rentnerbeständen zum neuen Anbieter, bei der Mitwirkung des Personals sowie den Auswirkungen und Veränderungen der Vorsorgeverpflichtungen nach IAS 19.

Was können Sie firmeneigenen Pensionskassen bieten?

Im Vordergrund stehen die Wahl der richtigen Lösung für die Rückdeckung von Risikoleistungen und die externe Geschäftsführung und Verwaltung durch unsere Fachspezialisten; Rechencenter-Lösung für Verwaltungssoftware oder auch die Evaluation von Pensionsversicherungsexperten runden das Angebot ab.

Es scheint, dass es für Unternehmen immer schwieriger wird, die Übersicht zu behalten.

Ja, absolut. Die Komplexität in der beruflichen Vorsorge steigt aufgrund neuer Gesetzgebungen, fordernder Rahmenbedingungen und durch politische Unsicherheiten. Die zunehmende Regulierung der beruflichen Vorsorge verlangt eine stetige Professionalisierung. Alle diese direkten Einflussfaktoren haben dazu geführt, dass in den letzten Jahren die Zahl firmeneigener Pensionskassen stetig abgenommen hat, das Angebot an Sammeleinrichtungen dagegen wächst.

Spielraum dürften Unternehmen aber bezüglich Leistungsdefinition haben …

Theoretisch ist der Spielraum sehr gross, aber in der Realität ist er doch relativ klein, da kein Arbeitgeber seine Mitarbeitenden schlechter als im Branchenstandard üblich versichern will. Denn dadurch würde die Arbeitgeberattraktivität leiden. Insofern ist es für Arbeitgeber sehr wichtig, regelmässig – spätestens alle fünf Jahre – die Vorsorgeleistungen mit denen der wichtigsten Mitbewerber zu vergleichen.

Wie können Vorsorgeleistungen eigentlich gestaltet werden?

Die Vorsorgeleistungen, die den Branchenstandards entsprechen müssen, werden durch das paritätische Organ festgelegt, bestehend aus Unternehmensvertretern und Mitarbeitenden.

Welche Themen stehen hier im Vordergrund?

Beispielsweise der Umgang mit variablen Lohnanteilen oder die Beitragsaufteilung zwischen Arbeitgebern und Mitarbeitenden, vor allem auch bei Sanierungsmassnahmen. Weitere Themen können eine Kadervorsorgelösung sein und die Koordination mit den Personenversicherungen etwa bei Krankentaggeld und Unfall-Zusatz, die Optimierung der Wartefristen oder die Vermeidung von Überversicherung. Wesentlich ist auch ein Benchmarking, also der Vergleich der Vorsorgeleistungen der eigenen Firma mit der Konkurrenz, Wahlpläne, Kompensation von Umwandlungssatzsenkungen, Beratung bezüglich Verzinsung bei Vorsorgewerken mit eigenem Deckungsgrad, Vorsorge für Lernende und so weiter.

Mit welchen Herausforderungen müssen sich international tätige Unternehmen bei der beruflichen Vorsorge herumschlagen?

Hier sehe ich vor allem das Pooling von Personenrisiken weltweit im Vordergrund, das aber auch die Chance von zusätzlichen Ertragsüberschüssen bietet. Dadurch werden die einzukaufenden Versicherungsdeckungen länderübergreifend bei einem Versicherungs-Netzwerk eingekauft, sodass durch diese Bündelung auch Preisvorteile in den einzelnen Ländern entstehen können. Ein weiterer Punkt ist die Vorsorge für sogenannte Expatriates und Inpatriates bezüglich Problemen aus deren grenzüberschreitendem Einsatz. Oder das weltweite Inventar aller Vorsorgeleistungen zur Kontrolle der Einhaltung von Compliance-Regeln und lokalen Gesetzen. Und auch hier wieder der Vergleich der Versicherungsdeckungen der Mitarbeitenden mit den Mitbewerbern, da in diesen Fällen die Erwartungen der Mitarbeitenden um einiges grösser sind als in der Schweiz.

 

Die Wirtschaftswelt ist geprägt von Fusionen und Übernahmen, Verkäufen, Teil- oder Gesamtliquidationen. Was ist in solchen Fällen bezüglich Personalvorsorgestiftungen, Wohlfahrtsfonds oder Finanzierungsstiftungen zu beachten?

Insbesondere bei M&A-Transaktionen sollte vor dem Kauf einer Firma oder einzelner Firmenteile die berufliche Vorsorge vertieft analysiert werden, denn neben dem Kaufpreis ist dies einer der kostenintensivsten Aspekte. Dazu sollte unbedingt ein Leistungsvergleich zwischen der übernommenen Firma und der eigenen PK-Lösung inklusive Finanzierung durchgeführt werden und allfällig versteckte Kostentreiber wie beispielsweise Garantien und Zusicherungen genau geprüft werden. Ganz grundsätzlich muss die finanzielle Situation des Pensionskassenanbieters der übernommenen Firma und deren Transfermöglichkeiten analysiert werden, um so böse finanzielle Überraschungen zu vermeiden.

Vor allem grössere Unternehmen verfügen über eine firmeneigene Pensionskasse. Ab wann würden sie einer Firma zu diesem Schritt raten?

Ich empfehle dies ab einer Grössenordnung von 2000 bis 3000 Mitarbeitenden.

«Dank Digitalisierung können Prozesse optimiert werden.»

 

Kommt das öfter vor?

Nein, Neugründungen sind heute sehr selten. Hauptziel muss dann die vollständige Kostentransparenz sein mit grösstmöglicher Einflussnahme auf Prozesse, Anlagestrategie inklusive Umsetzung durch den Arbeitgeber beziehungsweise den Stiftungsrat.

Welchen Herausforderungen hat sich der Stiftungsrat zu stellen?

Aktuell sicherlich der anspruchsvollen Börsensituation kombiniert mit Inflation und steigenden Zinsen. Hinzu kommt der Druck auf der einen Seite durch Rentnerinnen und Rentner für einen Teuerungsausgleich bei sinkendem Deckungsgrad und anderseits durch die Mitarbeitenden für eine gute Verzinsung ihrer Altersguthaben sowie einen attraktiven Umwandlungssatz.

Was kann die Digitalisierung beisteuern?

Dank der Digitalisierung können heute Prozesse optimiert und insbesondere die Service- und Informationsangebote für die Versicherten verbessert werden.

Eine persönliche Frage: Was war der Grund, dass Sie beruflich bei Vorsorgethemen gelandet sind?

Das war eher zufällig, als ich vor über dreissig Jahren als Jungspund in den Bereich der beruflichen Vorsorge geraten bin.

Wollten Sie nie etwas anders machen?

Nein, das Thema Pensionskasse ist für mich auch heute noch sehr interessant und vielseitig, insbesondere durch die fortlaufenden Änderungen durch den Gesetzgeber und die grossen Marktveränderungen.

Der Vermittler

Name: Sandro Quinz

Funktion: Leiter Berufliche Vorsorge, Kessler Bern

Geboren: April 1972

Zivilstand: verheiratet

Ausbildung: eidg. dipl. Pensionskassen-Leiter

 

Kessler ist das führende Schweizer Unternehmen für ganzheitliche Risiko-, Versicherungs- und Vorsorgeberatung und betreut über tausend mittlere und grosse Schweizer Unternehmen aus Dienstleistung, Handel und Industrie sowie der öffentlichen Hand.

www.kessler.ch