Wie bestimmt man den Wert einer Goldmünze? Viele Goldhändler wüssten darauf eine einfache Antwort: Man legt sie auf die Waage, ermittelt den Feingehalt und berechnet daraus den aktuellen Marktwert. Das würde grundsätzlich stimmen, wären Münzen ausschliesslich Anlageobjekte. Doch das sind sie nicht.
Der Autor
Jürg Richter ist Inhaber und Geschäftsführer der Sincona Group, Auktionshaus für Numismatik aus Zürich.
Es gibt eine grosse und internationale Gemeinschaft von Münzsammlern. Die kauft Münzen nicht zum Material-, sondern zum Sammlerwert, und um diesen zu ermitteln, reicht es nicht, eine Münze auf die Waage zu legen. Denn der Sammlerwert hängt davon ab, wie selten und begehrt ein Stück ist. Die Erhaltung ist ein weiteres Kriterium. Aber um all das korrekt einzuschätzen, braucht es Fachwissen, dessen Erwerb viele Jahre dauern kann. Deshalb weiss nur der Fachmann für Sammlermünzen, wie hoch der Wert einer Goldmünze auf dem Sammlermarkt ist.
Begehrte Sonder-Vreneli
Nehmen wir zum Beispiel die Schweizer Vreneli. Eigentlich wurden sie in Massen geprägt. Und doch entstanden einige in Kleinstauflagen. Beim Stirnlockenvreneli handelt es sich zum Beispiel um eine nur in zwölf Exemplaren existierende Probe. Sie kam nie in den Geldumlauf, weil ein Politiker Vrenelis Stirnlöckchen für frivol hielt. Ein Stirnlockenvreneli hat heute einen hohen Sammlerwert: 2018 wurde zum letzten Mal eines in der Schweiz versteigert. Es brachte 156’000 Franken.
Nicht ganz so bekannt sind die Vreneli aus Gondo-Gold, die 1893, 1895 und 1897 geprägt wurden. Aber Achtung: Nicht jedes Vreneli von 1893, 1895 oder 1897 ist aus Gondo-Gold. Von den «normalen» Vreneli dieser Jahre gibt es so viele, dass sie der Münzhändler knapp über dem Goldpreis verkauft. Den Unterschied macht eine kleine Punze in Kreuzform, die sich im Schweizerkreuz auf der Rückseite befindet. Sie entlarvt das Vreneli aus Gondo-Gold. So ein Stück wurde im Oktober 2023 beim Zürcher Auktionshaus Sincona für 204’000 Franken versteigert.
Es geht bei diesem Stück nicht nur um die Seltenheit, sondern auch um seine interessante Geschichte. Alle Gondo-Goldvreneli entstanden in der eidgenössischen Münzstätte im Auftrag der Société Suisse Mines d’Or de Gondo. Dieses Bergwerksunternehmen plante, das Gold des Gondo-Tals abzubauen, und investierte zu diesem Zweck die enorme Summe von 5 Millionen Franken. Zum Vergleich: Der gesamte Bundeshaushalt betrug anno 1890 gerade einmal 38,2 Millionen Franken. Doch die Ausbeute blieb mit nur 33 Kilogramm Gold mager. Beim damaligen Goldpreis entsprach das 113’680 Franken. Deshalb wurde die Goldmine im Gondo-Tal am 17. Mai 1897 wieder geschlossen.
Mintmark treibt Preis
Stirnlockenvreneli und Vreneli aus Gondo-Gold kennen inzwischen viele. Aber die wenigsten wissen, dass es auch bei den bekannteren Anlagemünzen grosse Seltenheiten gibt. Nehmen wir den Krugerrand, die erste Bullionmünze der Welt und immer noch eine der beliebtesten Anlagemünzen. Man möchte annehmen, dass man auf der sicheren Seite ist, wenn man einen Krugerrand zum Goldpreis verkauft. Aber das ist nicht immer so. Nach der Machtübernahme des ANC hatte Südafrika anderes zu tun, als Bullionmünzen zu prägen. Die Auflagen gingen drastisch zurück. 1997 gab es keinen einzigen Krugerrand in Umlaufqualität. Stattdessen gab man 1700 Stück für Sammlerzwecke aus, von denen 72 eine besondere Mintmark tragen. Unter einer Mintmark versteht der Münzkenner ein oft winziges Zeichen, das in den Münzstempel integriert ist. Von diesen 72 Krugerrands kam bis heute nur ein einziges Stück auf den Markt: Es wurde 2013 in den USA für umgerechnet rund 15’000 Franken verkauft.
Ein aktuelleres Beispiel stammt aus dem Jahr 2020. Damals stellte die US Mint einige wenige Exemplare ihrer Anlagemünzen Golden Eagle in Gold und Silber mit einer Mintmark her, die an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnerte. Binnen Stunden kletterten die Preise für die in kleinster Auflage erschienenen Anlagemünzen auf ein Mehrfaches ihres Ausgabepreises. Was sie aktuell wert sind? Schwer zu sagen. Man sieht sie nicht auf dem Markt.
Das waren nur einige von unzähligen Beispielen. Es kann sich also lohnen, Goldmünzen nicht beim Goldhändler zu verkaufen, sondern stattdessen erst einen Münzhändler zu fragen. Er berät den Kunden und entwickelt für ihn die passende Lösung. Und das kann manchmal durchaus eine Einlieferung in eine Auktion sein.