Nutzung der hohen Temperaturen im Erdinnern, neue chemische Bestandteile für Solarzellen und Auto-Akkus, Supraleitung bei Zimmertemperatur und elektrochemisch erzeugter Zement – laut den Analysten der Credit Suisse gibt es eine Vielfalt neuer Technologien im Bereich alternative Energieversorgung, die praktisch «unter dem Radar» der Diskussionen um die Ablösung fossiler Energieträger kurz vor der Markteinführung stehen, wenn die letzten Herausforderungen gelöst sind. Dann könnte sich auch der Energie-Lieferantenmix der Schweiz weiter verändern, der 2021 (jüngere Daten liegen noch nicht vor) zu 68 Prozent aus Wasserkraft und zu 19 Prozent aus Kernenergie gekommen war. Solar- und Windenergie decken fast den ganzen Rest ab.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

 

Diversität der Quellen für Sicherheit

«Mit der technologischen Entwicklung sind wir auf dem richtigen Weg», sagt Matthias Sulzer, leitender Wissenschafter an der Empa im Urban Energy System Lab und Dozent an der ETH Zürich. Das gelte für Solarenergie, Wind, Wasserstoff, Geothermie, die Elektromobilität und die Energieeffizienz von Gebäuden. «Thermische Anwendungen wie untiefe Geothermie, die See- und Flusswassernutzung zum Heizen und Kühlen, Hochtemperatur-Wärmepumpen für industrielle Anwendungen sowie neue thermische Speichertechnologien wie Hochtemperatur-Speicher und Latentspeicher sind auf lokaler Ebene effektiv einsetzbar.» Wenn sie über Energie-Digital-Twins systematisch verbunden würden, werden neue Services, ein flexibler Betrieb und eine maximale Nutzung möglich.

«Die Diversität im Energiesystem schafft Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit auf mehreren Ebenen», so Sulzer weiter. Der Wissenschafter hat gleich mehrere Argumente zur Hand. Zunächst kann ein zusätzlicher Energieträger wie Wasserstoff weitere technische und geopolitische (Import-)Optionen schaffen. Eine effiziente und flexible Nutzung von Energie über Smart-Anwendungen schaffe darüber hinaus die Voraussetzung für eine vollständige erneuerbare Energieversorgung.

Erst für 2040 ist mit der Anbindung der Schweiz ans Wasserstoffnetz zu rechnen.

Passend zur bisherigen Infrastruktur

Für 2030 erwartet Sulzer den Ersatz von Gas- und Ölheizungen durch Fernwärme und Wärmepumpen, den Ausbau von Solaranlagen (Dächer und alpin), der Elektromobilität und von Ladestationen, die Sanierung des Gebäudeparks, smarte Anwendungen sowie erste Windparks. Erst für 2040 ist mit einem weiteren massiven Ausbau der Wasserkraft, der Anbindung der Schweiz an ein zukünftiges europaweites Wasserstoffnetz sowie mit Planungsarbeiten kleiner modularer Kernkraftwerke zu rechnen.

«Derzeit bauen wir in Jülich, Deutschland, unsere erste Anlage zur industriellen Produktion von Solartreibstoff», sagt Philipp Furler, CEO und Mitgründer von Synhelion. «Diese Demonstrationsanlage wird Ende 2023 fertiggestellt. Die erste kommerzielle Produktionsanlage werden wir voraussichtlich Ende 2025 in Spanien mit einer Produktionskapazität von 1,25 Millionen Litern pro Jahr in Betrieb nehmen.» Danach werde ein globaler Roll-out folgen. «Innerhalb der nächsten zehn Jahre streben wir eine Produktionskapazität von 875 Millionen Litern Treibstoff pro Jahr an. Das entspricht etwa der Hälfte des Flugtreibstoffs, der in der Schweiz betankt wird.» Und bis 2040 soll die Produktionskapazität auf 50 Milliarden Liter Solartreibstoff pro Jahr erhöht werden.

 

Vorläufig kein Break-even in Sicht

Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg sind wettbewerbsfähige Produktionskosten. «Eines unserer strategischen Ziele ist es, innerhalb der nächsten zehn Jahre die Produktionskosten für einen Liter nachhaltiges Kerosin, Benzin oder Diesel auf 1 Franken pro Liter zu senken», sagt Furler. «Damit wären wir gegenüber anderen Verfahren zur Herstellung von nachhaltigen Treibstoffen kompetitiv.»

Ein Break-even mit fossilen Treibstoffen auf Basis der Herstellungskosten ohne Umweltsteuern sei aber in absehbarer Zeit nicht realistisch. Eine weitere Voraussetzung ist die Infrastruktur, die es braucht, um den Treibstoff zu den Verbrauchern zu bringen. «Der Vorteil unserer Treibstoffe ist, dass sie mit der global bestehenden Infrastruktur kompatibel sind – sie können ohne Anpassungen verwendet und beigemischt werden», sagt Furler. Unterstützung kommt auch von der Politik. In der EU und der Schweiz werden ab 2025 Mindesteinspeisemengen für nachhaltige Flugtreibstoffe eingeführt. Die Quote soll von anfänglich 2 Prozent auf über 60 Prozent bis 2050 erhöht werden.