Die Schweizerische Nationalbank SNB warnt seit geraumer Zeit vor den Risiken im hiesigen Immobilienmarkt, auf der anderen Seite hat sich der UBS-Immobilienblasenindex zuletzt entspannt. Wer hat denn nun recht?

Roger Herzog: Beide, für den Schweizer Immobilienmarkt gibt es keine allgemein gültige Antwort. Die SNB blickt vor allem auf den Transaktionsmarkt. Hier werden – insbesondere von kleinen und mittelgrossen
Investoren – nach wie vor Wohnimmobilien zu Preisen gekauft, die nicht nachhaltig sind. In gewissen Teilmärkten hat sich die Situation aber beruhigt. Dies widerspiegelt sich im Immobilienblasenindex. Auch wir sehen keine Anzeichen für einen Crash, sondern vielmehr eine flache bis leicht fallende Entwicklung.
 

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Wann werden die Preise einbrechen?

In der Peripherie führen die zunehmenden Leerstände tendenziell zu sinkenden Preisen. Diese Entwicklung gilt aber nicht in den Städten und den Agglomerationen. Es gibt noch genügend Opportunitäten im
Immobilienmarkt. Man muss die Projekte aber genau prüfen, bevor man sich zu einer Investition entschliesst.

Wie finden Sie diese Opportunitäten?

Manchmal hilft das Netzwerk. Wenn es zu einem offenen Bieterverfahren kommt, ist auch die Schlagkraft entscheidend. Wir sind in kurzer Zeit bereit und verfügen über die nötigen finanziellen Mittel. 

Die Geschwindigkeit entscheidet?

Man muss agil sein. Wenn ein Verkäufer eine Transaktion schnell abwickeln will, können wir zeitnah reagieren. So sind wir in den vergangenen Jahren immer wieder an attraktive Objekte gekommen. Unser Portfolio ist seit 2015 um 20 Prozent auf 4 Milliarden Franken gewachsen. Dabei haben unsere Grösse und unsere finanzielle Schlagkraft eine entscheidende Rolle gespielt. Zukünftig dürften diese Argumente
immer wichtiger werden.

Wie reagieren Sie auf die nachlassende Dynamik im Markt?

Man darf nicht in Panik verfallen. Wir wollen uns in jenen Märkten weiterentwickeln, in denen wir uns auskennen und
bereits erfolgreich sind. 

Ein Zinsanstieg würde das Geschäft zusätzlich belasten. Wann erwarten Sie ihn?

Wir konnten auch in diesem Jahr Festhypotheken mit langen Laufzeiten für unter 1 Prozent abschliessen. Zudem ist ein Grossteil der Büromietverträge indexiert und die Wohnmieten sind an den Referenzzinssatz gekoppelt, weshalb wir bei einem Inflationsanstieg die Mieten anheben können. Wir sind vorbereitet. Ich gehe aber nicht davon aus, dass es in den nächsten zwölf Monaten zu starken Erhöhungen kommen dürfte. Für die Investoren bleibt der Immobilienmarkt attraktiv.

Bei einem Zinsanstieg dürften die Immobilienpreise zurückgehen.

Für uns als langfristige Investoren ergeben sich so interessante Kaufgelegenheiten, die in jüngerer Zeit eher selten waren. Zudem können wir dank den indexierten Mietverträgen einen Teil der Korrekturen auf den Liegenschaftswerten abfedern.
 

Wie schätzen Sie das Segment der Büro und Geschäftsliegenschaften ein?

Es gibt grosse lokale Unterschiede. Jüngst haben wir in Zürich in den innerstädtischen Lagen eine deutliche Wiederbelebung gespürt. Aber es gibt auch Hotspots, in denen es schwieriger wird, einen Mieter zu finden. Zu denken ist an Zürich Nord und partiell auch an Zürich West.
 

Gleichwohl erstellen Sie in Zürich West ein neues Bürogebäude.

Das Objekt Schiffbauplatz war von Anfang an voll vermietet. Nun bauen wir daneben noch ein weiteres Bürohaus, da uns ein potenzieller Mieter sein Interesse signalisiert hat. Das neue Gebäude umfasst eine Nutzfläche von fast 6000 Quadratmetern, ist also nur halb so gross wie das Geschäftshausam Schiffbauplatz. Inzwischen haben wir auch einen Globalmieter. Der Rückversicherer Partner Re, einer unserer bestehenden Kunden, wird Anfang 2021 von seinem jetzigen Standort an der Bellerivestrasse in das neue Gebäude ziehen. Dies erlaubt es uns, den bisherigen Sitz im Seefeld deutlich aufzuwerten. Als der Markt fast nur eine Richtung kannte, konnte man dieses Risiko noch eingehen. Heute baut die Mehrheit der Bauherren nur noch, wenn die Mieter bekannt sind. Davon ausgenommen sind jene Büroflächen, die sich bereits im Bau befinden. Diese findet man aktuell vor allemim GrossraumZürich Nord.
 

Dort sind mehrere Grossprojekte am Entstehen. Es werden Leerstände erstellt.

Davon gehe ich aus. Es wird sicherlich noch mehr Druck im Markt geben. Umso wichtiger ist es, dass man ein gutes Produkt anbietet.
 

Wodurch zeichnet sich dieses aus?

Für unsere Mieter planen wir zum Beispiel die Layouts der Flächen und die Ausbauten oder übernehmen auch die Vorfinanzierung. Es braucht ein interessantes Gesamtpaket. Unsere Mieter sind unsere Kunden. Bei Verhandlungen sitzen ein Portfoliomanager, ein Bewirtschafter sowie ein Generalunternehmer am Tisch, die auf Augenhöhe mit dem Kunden diskutieren können. Mit diesem Ansatz konnten wir zuletzt unsere Leerstände stark reduzieren, ohne allzu viele Konzessionen machen zu müssen.
 

Als Immobilienfirma mit Generalunternehmung ist Allreal von der Schwäche im Markt allerdings doppelt betroffen.

Nein, wir spüren keine Schwäche, weder im einen noch im anderen Bereich. Unsere Bücher sind voll und wir haben einen Arbeitsvorrat für die nächsten 18 Monate. Dieser dürfte sich laufend wieder füllen.

Die nachlassende Bautätigkeit wirkt sich nicht negativ aus?

Wir sind nicht nur auf ein Teilsegment fokussiert. Es gibt auch gegenteilige Entwicklungen: So werden beispielsweise Logistikimmobilien stark gesucht. Auch bei der öffentlichen Hand stehen grosse Investitionen an. Der gesamte Hochbaumarkt in der Schweiz beläuft sich auf rund 30 bis 40 Milliarden Franken pro Jahr. Davon wickeln wir ein Projektvolumen von 400 bis 500 Millionen Franken ab. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diesen Wert auch erreichen, wenn der Markt etwas schrumpfen sollte.
 

Allreal ist mit ihrer Generalunternehmung (GU) die Ausnahme unter den kotierten Immobiliengesellschaften. Weshalb halten Sie an diesem Modell fest?

Ich bin sehr froh über die GU. Sie macht uns einzigartig und verschafft uns einen Wettbewerbsvorteil. Neben der jahrzehntelangen Erfahrung profitiert sie von der starken Immobiliengesellschaft. Für unsere GU-Mitbewerber ist es manchmal schwierig, ein Geschäft abzuschliessen, da sie nicht über die nötige Finanzkraft verfügen. Das Modell Immobilien mit GU ist aktueller denn je.
 

Andere Immobiliengesellschaften expandieren angesichts der erschwerten Rahmenbedingungen in neue Märkte.

Mit der GU sind wir bereits diversifiziert. Wir verstehen etwas von Bauen und Immobilien und haben keine Veranlassung, neue Tätigkeitsbereiche zu erschliessen. Unser Geschäftsmodell funktioniert und ich bin überzeugt, dass es auch in Zukunft funktionieren wird, selbst wenn der Markt noch anspruchsvoller wird.

Wie digitalisiert ist Allreal?

Wir realisieren aktuell unser erstes GU-Projekt, das mit Building Information Modeling (BIM) entwickelt wurde. Aus diesem Pilotprojekt wollen wir lernen und verstehen, was wir zukünftig digital umsetzen können. Dasselbe gilt für unser Geschäftsfeld Immobilien. Hier geht es zum Beispiel darum, die Prozesse zu optimieren, um die Kommunikation mit unseren Mietern zu verbessern. Wir wollen nicht in eine Hyperaktivität verfallen. Seit vielen Jahren diskutiert man die Möglichkeiten der Digitalisierung intensiv. Doch nur wenig davon hat sich wirklich durchgesetzt. Daher wollen wir den tatsächlichen Trends auf die Spur kommen. BIM gehört sicherlich dazu oder die digitalisierten Prozesse in der Bewirtschaftung und Liegenschaftenverwaltung.
 

Nach der Entwicklung des Toni-Areals in Zürich bauen Sie den Neubau der Fachhochschule Nordwestschweiz. Werden Sie zum Spezialisten für Bildungsimmobilien?

Dies ist ein Bereich unserer GU-Tätigkeit, den wir tatsächlich verstärken wollen. Da die Investitionen der Privaten eher abnehmen werden und es bei der öffentlichen Hand einen Investitionsstau gibt, wollen wir hier zulegen. Es geht aber nicht nur um Bildungsimmobilien, auch Gefängnisse oder Spitäler sind denkbar.
 

Welche Ziele verfolgen Sie bis Ende Jahr?

Für 2018 bin ich sehr zuversichtlich. Wir gehen davon aus, dass wir den operativen Reingewinn von 113 Millionen Franken aus dem Jahr 2017 leicht übertreffen werden – wobei beide Geschäftsfelder ihren Anteil beitragen. Unsere Ausschüttung bemisst sich am Gewinn des Geschäftsfelds Immobilien, weil dieser Bereich für die Aktionäre berechenbarer ist. Diesen Reingewinn sind wir bereit, bis zu 100 Prozent auszuschütten. Damit wächst auch die Fantasie bezüglich der Dividende.
 

Wo steht Allreal in fünf Jahren?

Ich bin zuversichtlich, dass wir mit unserem Geschäftsmodell unverändert zu den stärksten Immobiliengesellschaften gehören werden und dank der GU noch etwas mehr als die anderen bieten können. Um unsere Dividendenpolitik fortführen zu können, haben wir die Untergrenze für unser Portfolio bei 3,5 Milliarden Franken festgesetzt. Gegen oben gibt es keine Vorgaben. Wir streben aber unverändert ein qualitativ starkes Wachstum an.