Bei Maschinen-, Geräte- und Anlagenbauern oder auch bei Zulieferern aus der Elektronik-, Kunststoff- und Metallverarbeitung steigt das Interesse am Medizinaltechnikmarkt. Das kommt nicht von ungefähr, wächst doch dieser gemäss unserer Marktstudie etwa doppelt so schnell wie die allgemeine Wirtschaft. In der Schweiz beträgt das Wachstum in den letzten Jahren rund 6 bis 7 Prozent, mit einer Beschäftigung von rund 70 000 Personen und einer Wertschöpfung von rund 20 Milliarden Franken.

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Die Autoren

Thomas Bertschinger, Geschäftsleiter und Partner

René Braun, Director

Emanuel Wettstein, Associate Director, alle bei Helbling Business Advisors, Zürich.

Trotz dieser insgesamt beträchtlichen Attraktivität ist ein erfolgreicher Eintritt nicht ohne Tücken. So ist der Markt stark fragmentiert und reicht von einfachen Kunststoffteilen oder Spitaleinrichtungen über anspruchsvolle, patientennahe Komponenten zu hochkomplexen Geräten und Anlagen für Diagnostik und Therapien. Und natürlich bilden Regulatorien wie die Medical Device Regulation (MDR) oder auch die In-vitro-Diagnostic Device Regulation (IVDR) komplizierte und aufwendig zu erfüllende Rahmenbedingungen.

 

Markteintritt in vier Schritten

Die Erschliessung eines aussichtsreichen Zielmarktsegments erfordert somit ein interdisziplinär besetztes Projekt, das unter anderem Know-how aus den Feldern Marketing, Entwicklung, Betrieb und vor allem in engerem Sinn relevante Medizintechnik beinhalten sollte. In unserer Praxis bewährt sich sodann ein Vorgehen in vier Schritten:

1. Identifikation potenzieller Anwendungen und Produktgruppen: Basierend auf eigenen Fähigkeiten sind potenziell interessante Anwendungen und Produktgruppen in sinnvolle Kategorien einzuteilen. Mögliche Kriterien zur Gruppierung können beispielsweise verwendete Materialien (Metall, Kunststoff, Keramik etc.), die Art des medizinischen Geräts (diagnostisch, therapeutisch, chirurgisch etc.) oder die eingesetzten Produktionstechnologien sein (Spritzguss, Schweissen, Automatisierungsgrad etc.).

2. Beurteilung der Marktattraktivität: In einem zweiten Schritt werden das Marktpotenzial, die technologischen und kommerziellen Anforderungen und Rahmenbedingungen, die Wettbewerbslandschaft und die potenziellen Akteure und Akteurinnen für jede Anwendung/Produktgruppe bewertet. Dazu gehören beispielsweise die Erhebung von Daten über Marktgrössen, Wachstumsraten, Preisniveau/Margen, technologische Trends, Genehmigungsverfahren, Anforderungen an klinische Studien oder das regulatorische Umfeld. So werden Medizinprodukte je nach Risiko bei der Anwendung in die Risikoklassen I, IIa, IIb und III unterteilt, wobei eine höhere Risikoklasse in der Regel auch höhere Anforderungen mit sich bringt.

Attraktivitätsportfolio für die Medizintechnik

Auf Basis eines Attraktivitätsportfolios kann ein KMU analysieren, wo sich ein interessanter neuer Markt ergeben könnte.

Quelle: Helbling

3. Bestimmung der Eignung: Der dritte Schritt besteht darin, die zuvor identifizierten Anwendungen und Produktgruppen nach ihrer Eignung und Nähe zu den Kompetenzen des Unternehmens zu bewerten. Dazu wird jede Applikation respektive Produktgruppe mit den bestehenden Kompetenzen eines Unternehmens verglichen. Typische Kriterien für diese Beurteilung können beispielsweise die Technologie, das bestehende Fertigungs-Know-how, Kenntnisse über die Anwendungen und Risikoklassen oder die Nähe zu den Zielmärkten sein. Üblicherweise werden in diesem Schritt auch bereits die grössten Gaps identifiziert, die es für einen erfolgreichen Markteintritt zu schliessen gilt. Zuletzt werden mittels der Portfoliotechnik die Applikationen und Produktgruppen priorisiert, die den grössten Wert für das Unternehmen in Bezug auf Marktattraktivität und Eignung haben.

4. Ambition und Umsetzungsplan: Im vierten Schritt gilt es, auf der Grundlage der Bewertungsergebnisse einen Umsetzungsplan mit kommerziellen Zielen zu erstellen. Dazu gehört die Festlegung von Massnahmen für jede priorisierte Anwendung oder Produktgruppe, wie etwa die Identifikation von Zielkunden und -kundinnen. In der Praxis haben sich Interviews mit Letzteren als idealer Startpunkt für die weitere Umsetzung bewährt. Ebenso kann eine gezielte Suche nach möglichen Akquisitionstargets eine weitere Möglichkeit bieten, einen Markteintritt forciert durchzuführen.

Mit einem Projektvorgehen entlang der obigen Schritte können Unternehmen systematisch neue Potenziale innerhalb der Medizintechnik erschliessen, dabei ihre Stärken nutzen, einen Mehrwert für Kunden und Kundinnen schaffen und damit ihre Zukunft erfolgreich gestalten.