Nicht nur in der Ostschweiz sind die KMU stark exportorientiert. Wie nehmen Sie das in Ihrer Branche wahr?

Wir sehen, dass insbesondere Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitenden in aller Regel einen Auslandsbezug haben. Das heisst, dass wesentliche Zulieferer sich im grenznahen Ausland befinden oder/und dass die Unternehmen zunehmend ausländische Tochterunternehmen als Vertriebsträger oder Zulieferer unterhalten. Diese Entwicklung hat sich durch Corona nochmals beschleunigt, da bewusst geworden ist, wie fragil Lieferketten sein können.

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Wo liegen für KMU die grössten Herausforderungen bei grenzüberschreitenden Projekten in den Bereichen Finanzierung, Vermögensberatung und Leasing, Ihren Schwerpunkten?

Die grösste Herausforderung liegt in der Regulatorik. Die Schweiz unterscheidet sich in vielen Belangen vom europäischen Ausland. Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass es nicht nur eine EU-Regulatorik gibt, sondern auf Basis der jeweiligen bilateralen Verträge und Doppelbesteuerungsabkommen jedes Land separat behandelt werden muss.

Können Sie uns ein Beispiel geben?

Ein praktisches Beispiel liegt in der Gründung oder dem Kauf eines deutschen Tochterunternehmens. Dieses benötigt in Deutschland Fremdkapital, um beispielsweise ein Betriebsgelände zu erwerben. Derzeit gibt es jedoch keine mir bekannte Bank, die für einen Kredit in Deutschland Schweizer grundbücherliche Sicherheiten akzeptieren würde. Wir arbeiten an solchen Lösungen, sind jedoch auch noch nicht ganz am Ziel. Es geht am Ende darum, zwei unterschiedliche Rechtssysteme miteinander zu verknüpfen.

Was ist ein typischer Fall bei der Pensionierungsplanung beziehungsweise bei der Nachfolgeregelung in KMU?

Ein typischer Fall ist, dass es geeignete Personen im Management gibt, die die Firma weiterführen könnten, denen aber dafür die nötigen Mittel fehlen. Gleichzeitig gibt es auch in der Zuliefer-/Absatzkette – oft aus dem Ausland – Interessenten, denen aber internes oder Schweiz-spezifisches Know-how fehlt. Wenn es mit externer Begleitung gelingt, diese sich ergänzenden Interessen zu verbinden, kann das eine sehr gute Nachfolgelösung darstellen.

Wie steht es denn um die Vorsorgesituation der abtretenden Generation?

In Bezug auf die abgebende Generation sehen wir oft, dass die eigene Vorsorge zu dünn ist, da die Überschüsse ins Unternehmen investiert wurden. Das lässt sich mit einigen Jahren Vorlauf bis zur Übergabe beziehungsweise auch nach der Übergabe zum Beispiel durch VR-Mandate, gepaart mit einer PK-Kaderlösung, noch deutlich optimieren.

Wie oft kommt es vor, dass mehr als zwei Länder berücksichtigt werden müssen?

Das ist mehr die Regel als die Ausnahme – spannenderweise befinden sich meist bereits mehrere Länder im Unternehmen. Die Fälle, in denen die Nachkommen im Ausland leben oder die Unternehmerfamilie über mehrere Länder verstreut ist, gibt es auch, aber gefühlt höchstens in jedem dritten Fall.

Und wie sieht es steuerlich aus?

Da wirds dann spannend. Je nach Konstellation gibt es verschiedene Konstrukte, die man wählen kann. Angefangen bei der klassischen Erbenholding, über die liechtensteinische, österreichische oder deutsche Stiftung – und dann jeweils die Frage, ob diese nicht auch einen überwiegend gemeinnützigen Zweck erfüllen sollte. Es gibt auch im Bereich der Vorsorge für die abgebende Unternehmerin beziehungsweise den abgebenden Unternehmer hohe Gestaltungsmöglichkeiten mit entsprechender Steuerminderung.

«‹Leerkilometer› müssen in der Bank akzeptiert sein.»

Walter Ernst
Quelle: ZVG

«Der Internationale»

Name: Walter Ernst

Funktion: Regionaldirektor Schweiz, Hypo Vorarlberg Bank AG, Bregenz, Zweigniederlassung St. Gallen

Geboren: 7. August 1970

Wohnort: Berneck SG

Familie: Frau und vier Kinder

Ausbildung: Dipl.-Kfm. FH; EMBA; CFP Schweiz, Deutschland, Österreich

Sie haben als Schweizer Niederlassung einer österreichischen Bank den Schwerpunkt neben dem DACH-Raum noch in Italien, vor allem im Leasing-Bereich. Was können Sie in diesem Länderquartett besser als etwa die Grossbanken mit Niederlassungen in vielen Ländern?

In Norditalien bieten wir «nur» Leasing an. Für Italiener ist Immobilien- oder grösseres Mobilien-Leasing nichts Ungewöhnliches, in der Schweiz kennen viele Unternehmer diese Finanzierungform in Bezug auf Immobilien noch nicht oder haben Vorbehalte. Wir haben die nötige Grösse und, mangels variablen Vergütungssystems, auch die erforderliche Kultur, um grenzüberschreitend zu unterstützen. Ich weiss, dass meine österreichischen, deutschen oder norditalienischen Kolleginnen und Kollegen sich ins Zeug legen, wenn unsere Schweizer Kunden Unterstützung in den jeweiligen Ländern benötigen. Und natürlich auch andersherum.

Schätzen es Ihre Kundinnen und Kunden, dass bei Ihnen keine Boni ausbezahlt werden?

Das weiss ich ehrlich gesagt nicht, aber wie gesagt, eine Kultur der völligen grenzüberschreitenden Kundenausrichtung ist mit einem variablen Vergütungssystem aus meiner Erfahrung nicht realisierbar. «Leerkilometer» müssen in der Bank akzeptiert sein – und die gibt es bei solch komplexen grenzüberschreitenden Konstellationen.

Wie empfinden Sie das persönlich?

Mich begeistert die Komplexität – die Lernkurve ist sehr erfüllend. Man bekommt über die Zeit länderspezifisches Know-how und erlebt eine hohe Befriedigung, wenn man zusammen mit den Kundinnen und Kunden ein längerfristiges Konzept erarbeiten kann. Wir begleiten unseren grenzüberschreitenden Vermögensstruktur-Beratungsansatz mit einer auf unsere Bank zugeschnittenen ganzheitlichen Ausbildung. Ich denke, unsere Beraterinnen und Berater und Assistenzen finden das bereichernd und spannend.

Die Hypo Vorarlberg in St. Gallen verfügt auch über eine eigene Kapitalanlagegesellschaft und kann Spezialfonds auflegen. Zu welchem Zweck?

Das stimmt nicht ganz, unsere «Muttergesellschaft» in Bregenz hat eine eigene Master KAG in Wien und kann so – und das gilt auch für die Schweiz – Fonds auflegen. Wir benötigen solche Lösungen für institutionelle Kunden oder Family-Office-Kunden zur leichteren Abbildung von grossen Vermögen in der Bilanz (nur eine Buchungsposition) beziehungsweise zur Vermeidung des Abzugs von ausländischen Quellensteuern.

Wie werden sich die Bedürfnisse von Schweizer KMU in Zukunft entwickeln?

Es wird ohne Zweifel noch grenzüberschreitender. Wir sehen, dass Schweizer Unternehmen ihre Zuliefer- und Absatzketten integrieren oder auch andersherum. Gemäss einer Studie von Deloitte für das vergangene Jahr waren M&A-Transaktionen in der Schweiz überwiegend ausländisch beherrscht, und das wiederum mehrheitlich durch angrenzende europäische Länder.