Start-ups bringen frische Ideen, neue Technologien und Geschwindigkeit ins Spiel, und das kann für KMU ein Turbozünder sein. «Oft reicht schon ein Pilotprojekt, um zu sehen, wie sich Prozesse verschlanken oder neue Märkte erschliessen lassen», sagt Frank Wolff, von der Gesellschaft für Management-Innovation. Dabei kann die Zusammenarbeit zwischen KMU und Start-ups in ganz unterschiedlichen Formen stattfinden. Die intensivste Form: Ein KMU und ein Start-up entwickeln gemeinsam ein neues Produkt. Weitere Formen der Zusammenarbeit sind beispielsweise Supply-Chain-Integration (das Start-up als Zulieferer, Integrator oder Abnehmer in bestehenden Wertschöpfungsketten), gemeinsames Marketing (durch gemeinsame Nutzung von Reichweiten, Kanälen und Markenbekanntheit) oder der Daten- und Wissensaustausch (zum Beispiel durch Reverse Mentoring: Coaching von KMU-Teams in agilen Methoden oder in digitalen Trends durch Start-up-Mitarbeitende).

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Dazu Frank Wolff: «Der offensichtlichste Vorteil einer Zusammenarbeit zwischen Start-ups und KMU liegt auf der Hand: Das Start-up bietet Zugang zu innovativen Produkten, Methoden oder Lösungen, die das KMU weiterbringen. Ob smarte Steuerung der Energieproduktion eines lokalen Versorgers, neue digitale Bezahlformen mit eigenen Wearable Devices oder intelligente Systeme zur Reduktion von Food-Waste in der Gastronomie: Die Innovation per se ist wohl der grösste Motivator für eine Zusammenarbeit.» Hinzu kommt etwas Unbezahlbares: ein Start-up-Spirit, der ansteckend ist. «Allerdings muss dafür Raum geschaffen werden, in dem flexibler gearbeitet werden darf, ohne den restlichen Betrieb durcheinanderzubringen», so der Experte aus Erfahrung.

So trifft man sich

Doch wie kommen Start-ups und traditionelle KMU zusammen? Wolff: «Startups findet man dort, wo sie sich am liebsten aufhalten: in lokalen Innovationszentren, Branchenverbänden, Innosuisse-Programmen – wie beispielsweise Innovation Booster oder Coaching und Mentoring der Innosuisse –, an Start-up-Events sowie auf einschlägigen Plattformen.» Geht ein KMU mit seinem Wunsch nach einer neuen Lösung, einem innovativen Produkt, einer gezielten Diversifizierung oder einfach etwas frischem Wind dort auf die Suche, wird es schnell fündig. «Der einfachste Weg aber: das eigene Netzwerk – oft sitzen die spannendsten Start-ups schon als Lieferanten, Kunden oder Partner am Tisch», sagt der Experte. Doch auch dies muss beachtet werden: «Was Start-ups stark macht – schnelle Entscheidungen, flache Hierarchien, wenig Bürokratie – kann für KMU auch stressig oder sogar gefährlich werden. Dynamischer, flexibler und formloser Start-up-Spirit unter dem gleichen Dach wie Beständigkeit, Zuverlässigkeit und gezielte Standardisierung eines bestehenden KMU-Betriebs kann zu Spannungen an allen Ecken führen und die Stabilität gefährden.» Hier brauche es klar definierte Grenzen, bis wohin der Start-up-Raum reicht: «KMU müssen von Anfang an bezüglich Zuständigkeiten, Zeitrahmen und Budget klare Spielregeln festlegen.»

Und das funktioniert. Ein exemplarisches Beispiel der unzähligen Erfolgsgeschichten in der Schweiz ist die Zusammenarbeit des Zürcher Start-ups CEEX AG mit dem Elektrizitätswerk Nidwalden (EWN) im Rahmen des Projekts «AI Forecasting Engine». Gegenstand ist die Entwicklung einer KI-basierten Software für Last-, PV- sowie Verteilnetzlastprognosen (inklusive Voltage Problems und Grid Congestion Forecasting). Ziel ist, den Zuwachs erneuerbarer Energien sowohl auf der Energieseite als auch auf der Netzseite effizient zu integrieren. Ebenfalls angestrebt ist die Reduktion von Ausgleichskosten und die Einsparung von Netzausbaukosten durch gezieltes Forecasting – Kosten, die sich letztlich auch direkt auf die Stromrechnung der Endkunden auswirken.

Die im Rahmen dieses Projekts gestartete Zusammenarbeit zeigt mustergültig, wie beide Seiten davon profitieren können: Das EWN verfügte bis dahin nicht über interne Kapazitäten und auch nicht über spezifisches KI- und Automatisierungs-Know-how, um wissenschaftlich fundierte Lastprognosen selbstständig zu automatisieren und zu optimieren. Eine Inhouse-Lösung hätte sich wirtschaftlich nicht gelohnt. Mit CEEX und dank der Unterstützung in Form eines Innovationsprojekts der Innosuisse konnte dem EWN punktgenaues Know-how verfügbar gemacht werden, ohne zusätzliche Mitarbeitende und kostspielige Ressourcen im Unternehmen erforderlich zu machen. Dank agiler Arbeitsweise und schneller Umsetzungsgeschwindigkeit bei CEEX kommt das Projekt effizient und wirksam voran.

Der kantonale Energieversorger profitiert dabei auch vom breit gefächerten Netzwerk, über welches das Startup durch seine engen Kontakte mit Hochschulen und der Innosuisse verfügt – ein weiterer typischer Vorteil der Zusammenarbeit von traditionellen KMU mit Start-ups. Bei Innosuisse stehen Menschen wie Aike Festini und Jan Fülscher daher als Ansprechpartner zur Verfügung, denn sie wissen um die Kraft von Zusammenarbeit, Tradition und Innovation. 

So funktioniert es

«Wer mit Start-ups zusammenarbeitet, verursacht Bewegung. Für diese Bewegung und die damit verbundene Unruhe sollte man offen sein, sonst macht eine Zusammenarbeit keinen Sinn», sagt Wolff abschliessend. Junge Start-ups müssen sich nicht um Bestandserhaltung, Prozessstabilität und eine ausdefinierte Aufbauorganisation kümmern – entsprechend sind bei ihnen die Zuständigkeiten nicht klar definiert, Prozesse entwickeln sich laufend, und formale Hierarchien existieren praktisch nicht. Von dieser Dynamik eines Start-ups zu profitieren, ohne dabei die eigene Stabilität und Reife zu gefährden, ist die Herausforderung für das KMU.

Ein Weg kann sein, Start-up-Aktivitäten organisatorisch und möglicherweise räumlich in einer «Sandbox» vom bestehenden KMU zu trennen und klar definierte Regeln zu setzen. Sync-Calls statt Sitzungen sind hilfreich. Und gemäss dem Venture-Clienting-Ansatz beispielsweise können Start-up-Lösungen gekauft und vor der breiten Einführung kontrolliert getestet werden. Auch Themen wie geistiges Eigentum, Kosten oder Beteiligungen lassen sich dabei frühzeitig klären. Basis ist die gegenseitige Wertschätzung: KMU bringen Stabilität, Start-ups Dynamik.

Fazit: Die Zusammenarbeit mit Start-ups erfordert Tempo, Risiko und gleichzeitig klare Regeln, führt dann aber zu innovativen Produkten und einem frischen Blick aufs Geschäft.