Vor drei Jahren, als generative künstliche Intelligenz startete, begann die Differenzierung. «Wir sehen zunehmend eine Entwicklung in Richtung Small Language Models», sagte die CEO von Addo AI, Ayesha Khanna, im November am Singapore Fintech Festival. «Zudem sehen wir das Aufkommen der Schwarm-KI, also von lauter kleinen, hoch spezialisierten Modellen, die wiederum von KI koordiniert werden. Und wir sehen die KI- Modelle zunehmend direkt am Menschen.» Womit sie auf Fitnesstracker, Smart Watches mit Sensoren und die nächste Generation smarter Brillen verwies. Diese Entwicklung ist ein Grund, warum es eine klare Unterscheidung in den Anwendungsbereichen von KI braucht, denn die beiden Hauptformen der KI – «Gen AI» und «Intelligent AI» – haben unterschiedliche Stärken: Gen AI ist ideal für die Erstellung neuer Inhalte wie Text, Code oder Bilder und für die natürliche Interaktion, während Intelligent AI (klassische Machine-Learning-Modelle) optimal für die Analyse grosser Datenmengen zur Mustererkennung, Klassifizierung und präzisen Vorhersage ist.
Der Nutzen steht im Vordergrund
«Damit neue Errungenschaften nicht zu Schlagwörtern verkommen, sollten Unternehmen von konkreten Ambitionen oder Problemen ihrer Geschäftstätigkeit ausgehen: Wo gibt es Ineffizienzen? Wo Wachstumschancen?», sagt Andreas Ess, Partner und Leiter von Quantumblack AI by McKinsey in der Schweiz. «Technologie ist ein Mittel, das strategisch eingesetzt wird, um Ziele zu erreichen, es ist weder Ausgangspunkt noch Selbstzweck.» Agentische KI (Agentic AI) ist ein weiteres wichtiges Werkzeug in der Toolbox moderner KI, findet Ess. «Sie ermöglicht es Systemen, im abgesteckten Rahmen eigenständig Entscheidungen für Aufgaben zu treffen und diese durchzuführen, was insbesondere in der Prozessautomatisierung neue Möglichkeiten eröffnet.» Die Unternehmen müssten sich jedoch bewusst sein, dass der Einsatz solcher Technologien eine klare Zielsetzung und Priorisierung erfordere, um langfristig Wert zu schaffen. Grundsätzlich sind die Einsatzmöglichkeiten von KI für KMU und Grossunternehmen sinnvoll und auch vergleichbar, da Anwendungsbereiche wie IT, Marketing, Vertrieb oder Kundenservice branchenübergreifend relevant sind. «Der entscheidende Unterschied liegt oft in der Herangehensweise: Wir beobachten, dass KMU im Vergleich zu Grossunternehmen häufig projektbasiert und opportunistischer agieren», so Ess. «Sie setzen KI bevorzugt dort ein, wo ein konkreter Nutzen unmittelbar sichtbar ist, anstatt eine umfassende, formalisierte Strategie zu verfolgen.» Gleichzeitig sind ihre finanziellen und personellen Ressourcen in der Regel begrenzter, was dazu führt, dass kleinere Unternehmen verstärkt auf Standardlösungen oder spezialisierte Saas-Anwendungen zurückgreifen. Dazu kommen Agilität und kürzere Entscheidungswege. «Diese Eigenschaften ermöglichen es ihnen, neue Technologien in bestimmten Bereichen schneller umzusetzen und sich rascher an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen», so Ess weiter.
Eine Konsolidierung ist in Aussicht
Für die kommenden Jahre erwartet der Experte eine Weiterentwicklung der Rolle von KI, wobei die «agentische» Version Workflows und Geschäftsmodelle neu gestalten werde. Dafür sind sowohl technologische Investitionen in die Dateninfrastruktur und KI-Expertise notwendig als auch eine organisatorische Agilität, die Anpassung von Geschäftsstrategien und -modellen sowie die frühzeitige Einbindung von Mitarbeitenden durch Schulungen und Weiterbildungen, die sie in die Lage versetzt, mit diesen Technologien zu arbeiten.
Die rasche Abfolge neuer Schlagwörter sieht Simon Kessler, Head of Customer Advisory bei SAP in der Schweiz, nicht kritisch. Im Gegenteil, es zeige den rasanten Innovationszyklus, den das KI-Umfeld derzeit erlebt. Es gelte nun, die richtigen Investitionsentscheidungen zu treffen und auf eine robuste, skalierbare Plattform zu setzen. Gerade im KMU-Umfeld, wo es typischerweise kaum eigene Data-Science-Teams gibt und der Spezialisierungsgrad geringer ist, sieht er eine grosse Chance durch die aktuellen KI-Ansätze. Bei SAP rücken nun eingebettete und einfach zu entwickelnde KI-Anwendungsfälle in den Vordergrund, die von den Endnutzern direkt konsumiert werden können. Dies steigert die Akzeptanz von KI als Teil des Arbeitsalltags, ohne dass sich Unternehmen in komplexen Projekten verrennen. Derzeit sind im Konzern über dreihundert KI-Funktionen, darunter rund dreissig KI-Agenten, tief in bestehende Geschäftsprozesse integriert. Der Experte erklärt, dass eigene Fähigkeiten (Skills) oder sogar komplette KI-Agenten in Joule Studio ohne Data-Science-Kenntnisse entworfen und in einem geregelten Umfeld ausgeführt werden können.
Für die nächsten Jahre erwartet Kessler eine KI-gestützte Automatisierung auf breiter Front, gestützt auf datengetriebene Plattformen. Diese Entwicklung wird selbstlernende Prozesse ermöglichen, die nicht nur unterstützen, sondern auch eigenständig Entscheidungen treffen. Der Mensch wird jedoch weiterhin eine entscheidende Rolle spielen, indem er die KI überwacht, lenkt und weiter verbessert. «In Bereichen wie Kundenbeziehungen, Führung, Change-Management und Ethik, die Vertrauen, Intuition und emotionale Intelligenz erfordern, ist und bleibt der Mensch ein zentraler Teil», so Kesslers Erwartung.

