Bereits 2016 überholte bei Google «vegan» das Wort «Fleisch» als Suchbegriff. Es gibt zwar zunehmend mehr Menschen, die weiterhin Fleisch essen, aber die Anzahl der zumindest gelegentlich vegan essenden Menschen steigt ständig. Schätzungen reichen bis zu 100 Millionen Menschen weltweit, mit unterschiedlicher Verteilung. In den westlichen Märkten liegt der Anteil gemäss Statista bei 3 bis 6 Prozent. Laut der Konsumforschungsfirma Nielsen möchte ein weitaus grösserer Anteil der Konsumierenden vegan(er) leben und integriert bereits heute zunehmend fleischlose Nahrungsmittel in den Speiseplan.

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Die Kombination von immer besseren Fleischersatz-Varianten und der mit der Fleischproduktion einhergehenden Umweltbelastung wird gemäss Schätzungen der Unternehmensberatungsfirma Kearney bis 2040 zu einem deutlichen Rückgang der Fleisch essenden Bevölkerung in den westlichen Märkten führen. Umgekehrt ist starker Zuwachs bei Startups zu erwarten, die pflanzenbasierte Lebensmittel herstellen.

 

Flexitarierinnen und Flexitarier als Zielgruppe

Grob lässt sich die Entwicklung der vergangenen Jahre in mehrere Etappen einteilen: Zunächst hatte man mit Ersatzprodukten auf pflanzlicher Basis experimentiert. Geschmacklich liess sich einiges erreichen, aber oft unterschied – und unterscheidet – sich die Textur zu stark vom Originalfleisch. Deshalb arbeitet man überall an Verbesserungen wie Extrusionsverfahren und Fermentation.

Wie beispielsweise beim schweizerischen Unternehmen Planted mit Sitz in Kemptthal ZH. Dir Firma kombiniert laut einer Sprecherin proprietäre Strukturierungs- und Fermentierungstechnologien, um Fleisch aus Pflanzenproteinen zu produzieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf leckerem Geschmack, einer fleischigen und saftigen Textur und der Verwendung von ausschliesslich natürlichen Zutaten. Planted designt und strukturiert laut eigenen Angaben Fleisch in jeder Grösse, Form und Faserstruktur und wird von der Überzeugung angetrieben, dass es mit seinen Produkten tierisches Fleisch zukünftig im Hinblick auf Geschmack, Nachhaltigkeit, Gesundheit, Effizienz und Preis übertreffen wird.

«Mit der ausschliesslichen Verwendung von natürlichen Zutaten und dem Verzicht auf Konservierungsstoffe bei allen Produkten setzt Planted einen völlig neuen Massstab in der Kategorie der pflanzenbasierten Fleischprodukte und macht sie zu einer gesunden und nachhaltigen Option für alle. Wirklich besser als Fleisch von Tieren», erklärt eine Sprecherin. «Unsere Hauptzielgruppe sind Flexitarier, daher konkurrieren wir hauptsächlich mit Fleischproduzenten sowie anderen Anbietern von pflanzlichen Fleischalternativen.»

Verkauft wird über den Detailhandel, die Gastronomie und via Webshop direkt an die Konsumierenden. Man betont die Aspekte Gesundheit und Nachhaltigkeit aufgrund der Vielfalt an Proteinen aus Erbsen, Sonnenblumen und Hafer mit bis zu 86 Prozent weniger CO₂-Ausstoss und bis 90 Prozent weniger Wasserverbrauch als deren tierische Äquivalente. Der Grossteil der Produktion erfolgt in Kempthal; die «Planted Bratwurst» kommt dagegen von einem Partnerbetrieb in Süddeutschland. Über 65 Mitarbeitende arbeiten laut der Firma in den Bereichen Wissenschaft, Technik und Produktentwicklung.

 

Milch und Steaks ohne Tiere

Bei der Herstellung der Planted-Produkte kommt eine Kombination aus Extrusionsverfahren und Fermentation zum Einsatz. «Indem wir Extrusion und traditionelle Fermentierung kombinieren, kann Planted grössere Fleischstücke auf pflanzlicher Basis herstellen, die eine komplexere Textur aufweisen und sowohl saftiger als auch zarter sind», beschreibt man das Ergebnis. Intern ermuntert man die Mitarbeitenden zum raschen Experimentieren und legt den Fokus auf Prototypenentwicklung, Tests und Lernen. Mit Mikroorganismen stellt man auch bei der Firma Formo mit Sitz in Berlin Käse her. Das Ziel ist die Herstellung von Milchprodukten ohne Tiere. Auch hier arbeitet man mit der Fermentierung, um den hohen Verbrauch von Ressourcen, der mit der Produktion von Käse und Co. auf tierischer Basis einhergeht, zu reduzieren. Das Ziel laut Firmenangabe: «Nicht den Käse kopieren, sondern völlig neu erschaffen, von den Molekülen ausgehend – und damit Mikroorganismen in die Lebensmittelversorgung der Zukunft zu bringen.»

«Hungrig?», heisst es auf der Website von Redefine Meat, einem Jungunternehmen aus Israel. Mit leerem Magen den Bratvorgängen in Nahaufnahme zu folgen, ist eine Herausforderung. Die Firma hat eine ganze Palette von Rind- und Lammfleischvarianten vom Steak über Würste bis hin zum Burger entwickelt. Hier arbeitet man mit den erst in den vergangenen Jahren gebräuchlich gewordenen neuen additiven Fertigungsverfahren. Im Grunde genommen wird hier das Fleisch im 3D-Druck hergestellt, um Texturen, Aromen und Geschmack so hinzubekommen, wie sich das die Konsumierenden vorstellen: «Der 3D-Druck ermöglicht erstmals die Nachbildung exakter Strukturen, die den Muskel- und Fettanteilen von tierischem Fleisch entsprechen», heisst es bei Redefine Meat weiter. «Das ist das A und O für einen authentischen Fleischgenuss, besonders bei Premium Cuts.»

Big Food bedrängt die Herausforderer

Pflanzliche Nahrungsmittel Es gibt gemäss dem «Plant Based Food Report» von Coop vier verschiedene Konsumtypen, die auf tierische Lebensmittel verzichten: Flexitarierinnen und Flexitarier verzichten bewusst mehrere Male pro Monat auf tierische Produkte. Substitarierinnen und Substitarier geniessen mehrere Male pro Monat vegane Ersatzprodukte, die den tierischen Originalen nachempfunden sind. Vegetarierinnen und Vegetarier wiederum verzichten ganz auf Fleisch und Fisch. Und die Veganerinnen essen gar keine Lebensmittel tierischen Ursprungs.

Gemeinsam ist diesen vier unterschiedlichen Konsumtypen die Motivationslage: «Der Umwelt zuliebe» ist das wichtigste Argument. Das zweitwichtigste Argument ist bei drei der vier Konsumtypen der Schutz der Tiere. Für Flexitarierinnen und Flexitarier ist indes die Gesundheit der zweitwichtigste Grund, auf Fleisch zumindest teilweise zu verzichten.

Diese Vielfalt macht die Entwicklung und Vermarktung von pflanzenbasierten Nahrungsmitteln, die eine Ersatz- beziehungsweise eine Ergänzungsfunktion haben, zur Herausforderung. Grosse Startups wie Beyond Meat aus den USA und Oatly aus Schweden hatten zwar erfolgreiche Börsengänge vorgenommen, aber die aktuellen Aktienkurse liegen über 95 Prozent unter den Ausgabepreisen und gegen 99 Prozent unter den Höchstständen.

Grund ist laut Analystinnen und Analysten die rasche Reaktion der grossen Lebensmittelhersteller, die sich ihrerseits – auch im Rahmen der Nachhaltigkeitsforderungen ihrer eigenen Stakeholder – eigene Produktportfolios mit pflanzenbasierten Lebensmitteln aufgebaut haben. Diese «Big Food»-Unternehmen haben darüber hinaus auch beim Marketing dazugelernt und dieses so zielgruppenspezifisch optimiert, dass man sich kaum noch von dem der Startups unterscheidet. Hinzu kommen Inflationseffekte: Wenn das Geld bei den Konsumierenden knapp ist, wird der Verzicht zur Alternative für den Fleischersatz, der sich preislich meistens am Original orientiert.

Eine wichtige Rolle spielen die Retailer sowie die Platzierung der pflanzenbasierten Lebensmittel in den Geschäften. Auch hier haben beide Seiten dazugelernt: Die pflanzenbasierten Lebensmittel kommen nicht mehr in besondere Regale, sondern sie liegen oft direkt neben den tierischen Produkten in den gleichen Kühlgestellen. (mn)

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Dieser Artikel ist im Rahmen der NOAH-Konferenz entstanden, eine digitale und physische Plattform für digitale Champions und Marktführer im Bereich Nachhaltigkeit.