Was für das ungeübte (Investoren-)Auge Müllberge sind, sind für versierte Kreislaufwirtschaftspezialistinnen und -spezialisten Goldhügel: Vieles von dem, was heute von Privathaushalten und der Industrie weggeworfen wird, besteht aus Substanzen, die sich reinigen, aufbereiten, umformen und damit wieder in die Kreisläufe zurückbringen lassen. Global sind es 400 Millionen Tonnen.

Gemäss dem Bundesamt für Umwelt (Bafu), das alle zehn Jahre die Zusammensetzung des schweizerischen Kehrichts untersuchen lässt, bildet neben der Vermeidung von Lebensmittelabfällen die Wiederverwertung im Rahmen der Kreislaufwirtschaft die Lösung des Problems. In diesem Bereich sind auch einige Startups entstanden. Sie arbeiten teilweise auch an Lösungen, mit denen Abfall und damit die Wiederverwertung vermieden werden können.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

 

Auch komplexen Plastik zerlegen

Notpla beispielsweise, ein Startup aus London, hat Lebensmittelverpackungen auf der Basis von Seetang entwickelt. Seetang wiederum wächst rasch, braucht kein sauberes Wasser, keinen Dünger und beansprucht keine Landflächen. Zudem säubert Seetang das Wasser, und er macht das Wasser weniger sauer – was wiederum für weitere Lebewesen sehr wichtig ist. Die Lebensmittelverpackungsprodukte von Notpla haben sehr unterschiedliche Formen; die Spanne reicht von kleinen Boxen für asiatisches Fast Food bis hin zu Säckchen für die Wäsche. Die Boxen waren am Final der Frauen-Fussball-EM im Wembley-Stadion anstelle von Plastik- oder Kartonvarianten genutzt worden. In Entwicklung sind derzeit weitere Produkte wie einfaches Besteck und feste Kosmetikverpackungen. Die Firma hatte sich in einer Serie-A-Runde 2020 10 Millionen Pfund bei Investorinnen und Investoren gesichert.

Bei De Poly mit Sitz in Sion VS will man nicht nur die paar wenigen Prozent Plastikanteile rezyklieren, bei denen das einfach möglich ist, sondern alle PET-Varianten wieder in den Kreislauf bringen, selbst wenn sie in mehreren Schichten und/oder mit weiteren Materialien verarbeitet worden sind. Die Firma ist eine der wenigen, die an der Depolymerisierung arbeiten. Bei diesem chemischen Prozess wird Kunststoff wieder in seine Originalmaterialien zerlegt. Im Gegensatz zu den Mitbewerbern funktionieren hier die chemischen Prozesse bereits bei Raumtemperatur. Ein Vorwaschen oder Vorsortieren des Mülls – pardon, Rohstoffs – ist hier nicht erforderlich. Es sind die beiden Prozesse, die normalerweise das Plastikrecycling wirtschaftlich unattraktiv machen. Im Sommer dieses Jahres hatte das Startup eine erfolgreich abgeschlossene Seed-Finanzierungsrunde gemeldet, es waren dabei 13,8 Millionen Dollar eingesammelt worden.

 

Die erste Weltallmission kommt 2026

Wenn man den Abfall, der im erdnahen Weltall schwebt, auf der Erde platzieren würde, wären auch die Gärten von Luxusimmobilien und die berühmtesten Einkaufsstrassen völlig vermüllt. Das Startup Clearspace (CS) mit Sitz in London arbeitet deshalb mit seinen 90 Spezialistinnen und Spezialisten an der ersten Mission, die Weltraummüll beseitigen soll. «Die erste Trümmersammlung im Weltraum in grösserem Massstab wird voraussichtlich nach dem erfolgreichen Abschluss der bahnbrechenden Clearspace-1-Demonstration im Jahr 2026 realisierbar sein», sagt eine Sprecherin des Unternehmens. «Dieser Meilenstein wird den Weg für den effizienten Einsatz eines einzigen Satelliten zur Durchführung mehrerer Trümmerbeseitigungsmissionen ebnen und einen bedeutenden Fortschritt auf dem Gebiet des Weltraummüllmanagements darstellen.»

Derzeit widmet sich Clearspace der Clearspace-1-Mission und der Weiterentwicklung grundlegender Technologien, die für ein breites Spektrum von In-Orbit-Diensten erforderlich sind. Dazu gehören laut Firmenangaben die Entsorgung und Active Debris Removal (ADR), Betankung, Missionsverlängerung, Reparatur, Recycling, Montage und Fertigung. Diese Dienstleistungen umfassen Technologien, die man insbesondere für Sichtsysteme, GNC (Guidance, Navigation, Control) für Annäherungsoperationen, Capture/Docking-Systeme und mehr entwickelt.

Bei innovativen Raumfahrtmissionen wie der von Clearspace seien staatliche Stellen in der Regel die ersten Anwenderinnen. «Im Laufe der Zeit und wenn sich die Technologien als erfolgreich erwiesen haben, werden verschiedene Anwendungen für Dienstleistungen im Orbit entwickelt», so die Sprecherin weiter.

Auch im All gibt es Risiken. Die glaubt man hier im Griff zu haben. «Clearspace unternimmt gewissenhaft alle notwendigen Schritte, um das Erfolgspotenzial seiner bahnbrechenden Initiativen zu optimieren», so die Sprecherin weiter. «Wir arbeiten eng mit Raumfahrt- und Technikexpertinnen, Veteranen der Raumfahrtindustrie und Rechtsberaterinnen zusammen, um die Feinheiten noch nie da gewesener Missionen wie Clearspace-1 zu bewältigen.» Eine bahnbrechende Demonstrationsmission wie die Clearspace-1-Mission (CS-1) mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) öffne dann die Türen zu einem neuen Markt und biete Chancen für Innovationen und eine führende Rolle bei neuartigen Technologien.

Kunststoffe

Plastikreduktions-Abkommen erforderlich

Plastikmüll ist ein globales Problem. Die Zahlen zur Grösse der Herausforderungen sind furchteinflössend: Jährlich landen gemäss UNO-Umweltprogramm (Unep) bis zu 23 Millionen Tonnen Plastik in Gewässern und den Ozeanen und richten hier verheerende Schäden an. Gemäss Prognosen wird sich diese Menge bis 2040 verdreifachen.

Beim letzten grossen Umweltgipfel in Nairobi stand das Thema Plastik weit oben auf der Agenda. Über Recycling, nachhaltige Verpackungsdesigns und Produktionsbegrenzungen soll die Menge des Plastiks reduziert werden. Zudem gibt es erste Forderungen, für Plastik genauso Absenkungs- und Ausstiegspfade vorzuschreiben wie für Treibhausgasemissionen.

Plastik hat darüber hinaus auch eine geopolitische Komponente. Die grossen Hersteller befinden sich in Russland, China und Indonesien. Sie haben ihre Produktion in den vergangenen fünf Jahren deutlich gesteigert – und dabei auch auf toxische Materialien zurückgegriffen, ohne das zu deklarieren. Wenn Plastik als globales Problem angegangen werden soll, muss gemäss Analystinnen zuerst verbindlich definiert werden, was «Plastik» ist.

Gemäss einem Unep-Bericht, an dem Mitarbeitende der Empa mitgewirkt haben, gibt es im Plastik eine enorme Vielfalt von Zusatzstoffen wie Weichmacher, Flammschutzmittel und Pigmente. Zehn Gruppen von Chemikalien gelten als besonders besorgniserregend, weil sie giftig sind beziehungsweise besonders leicht in die Umwelt gelangen können. In einigen Bereichen führt Plastik besonders schnell zu einer Gefährdung der Menschen. Laut den Forschern sind das insbesondere die Plastikprodukte für die Landwirtschaft, in Spielzeugen, Nahrungsmittelverpackungen, in elektronischen Geräten, Textilien und Fahrzeugen.

Bei der Empa forscht man auch an Alternativen: Epoxidharze beispielsweise sind Kunststoffe, die in Kombination mit Glas- oder Kohlenstofffasern heute bereits im Auto- und Flugzeugbau verwendet werden. Bisher liessen sich diese Materialien nicht rezyklieren. Durch den Zusatz eines besonderen Moleküls lässt sich ein neu entwickeltes Epoxidharz wieder lösen – und damit wird das Material wieder nutzbar. Die Forschenden suchen jetzt nach Industriepartnern. Sie verweisen auf weitere positive Eigenschaften wie die einfache und kostengünstige Herstellung. (mn)

Exklusiver Event
NOAH Zurich Conference

Dieser Artikel ist im Rahmen der NOAH-Konferenz entstanden, eine digitale und physische Plattform für digitale Champions und Marktführer im Bereich Nachhaltigkeit.