Weltweit sind jährlich rund 10 000 Container unterwegs, damit die Migros-Filialen ihr Angebot bereitstellen können. Auf diesen weiten Reisen kann natürlich einiges schiefgehen, was der Kunde im Laden aber nicht bemerken soll. Damit beispielsweise Ware für einen Sonderverkauf zum angekündigten Zeitpunkt auch tatsächlich verfügbar ist, braucht es eine stringente Überwachung der gesamten Lieferkette, die schon der Produkthersteller, aber auch Transportunternehmen, Hafenbetreiber oder Zollstellen – vom Wetter und aussergewöhnlichen Vorkommnissen einmal ganz abgesehen – massgeblich beeinflussen könnten. Zudem besitzt die Direktion Logistik und Transport des Migros Genossenschafts-Bunds gar keine eigenen Schiffe, Bahnwaggons oder Lastenfahrzeuge. Sie verfügt lediglich über Mitarbeitende, Dienstleistungspartner und ihre eigene IT-Infrastruktur.

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Rasches Reagieren wird möglich

Allerdings hat die Migros mit dem LT-Opex-Tower nun eine Software zur Steuerung der Supply Chain geschaffen, die zahlreiche der aktuellen Herausforderungen in diesem Tätigkeitsbereich meistern helfen soll. Die Abkürzung LT Opex steht dabei für «Logistics and Transport Operational Expenses», also Betriebsausgaben für Logistik und Transport. Die Software stellt alle relevanten Informationen der Supply Chain in einer Anwendung übersichtlich und in Echtzeit dar. So lassen sich laufende Lieferungen verfolgen, Lastwagenrouten überwachen und Kunden zeitnah informieren. Smarte Algorithmen machen aus den komplexen Datenbeständen sinnvolle, handlungsleitende Informationen und erlauben eine rasche Reaktion auf allfällige Events.

Das System baut auf den bereits vorhandenen Systemen entlang der Supply-Chain der Migros auf und integriert dabei alle dort vorhandenen Daten. Diese werden mit den Geodaten des Entwicklungspartners Esri verbunden. Dadurch können die logistischen Daten in einem geografischen Kontext visualisiert werden. Im Juli 2019 berichtete das von der Standardisierungsorganisation GS1 Switzerland herausgegebene Fachmagazin «Network» ausführlich über LT-Opex-Tower – das innovative Supply-Chain-Cockpit der Migros». Demnach ist die Grundlage, dass sich alle Waren so reibungslos erfassen und damit auch verfolgen lassen, die konsequente Nutzung der GS1-Standards wie beispielsweise des auf die Produkte aufgebrachten Barcodes und anderer eindeutiger Identifikationscodes, etwa an Containern und anderen Transportbehältnissen.

Nach und nach schliesst die Migros ihre Logistikpartnerunternehmen an die Plattform des LT-Opex-Tower an. Eisenbahnunternehmen, Strassentransporteure, Spediteure, Häfen und Terminalbetreiber liefern Daten, wodurch die Software Transporte und Ereignisse aus der interkontinentalen Seefracht, dem internationalen und nationalen Schienenverkehr und dem nationalen Strassenverkehr abbilden kann. Das System funktioniert dabei bidirektional, denn die angeschlossenen Partner können für sie selbst relevante Informationen vom LT-Opex-Tower auch abrufen. Mit dem Zeitpunkt einer Auftragsbestätigung wird ein Vorgang angelegt. Die anschliessenden Vorgänge und Events erweitern dessen Umfang. Schliesslich enthält das System Daten zur Lieferung, die Packliste und sowohl Rechnung als auch Zolldokumente. All das wird digital erfasst, was den Trend zur papierlosen Logistik unterstützt, heisst es im Fachmagazin von GS1 Switzerland.

Koffer reisen per Bahn

Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Risikomanagement, welches durch das Programm erleichtert wird. Hier manifestieren beispielsweise Wetterevents wie Taifune auf wichtigen Schifffahrtsstrassen oder das Niedrigwasser des Rheins im Hitzesommer 2018 ihre Bedeutung für die Warenversorgung der Migros. Allerdings können auch Streiks oder andere Events erfasst werden. Ein anschauliches Beispiel dafür schilderten Migros-Experten dem Online-Portal von «Business Geomatics». So verzögerte sich beispielsweise eine Lieferung von Reisekoffern aus Asien, welche für eine Verkaufsaktion vor den Schweizer Schulferien bestimmt war. Dank LT-Opex-Tower wurde nach der Verzögerungsmeldung des Lieferanten rasch reagiert. Die Marketingabteilung konnte nämlich sofort auf ihren termingebundenen Bedarf für diese Koffer hinweisen. Auf LT-Opex-Tower war es dem Disponenten dann möglich, rasch eine alternative Transportoption zu wählen. Laut dem Bericht auf business-geomatics.com kam eine Umladung auf ein anderes Schiff nicht in Betracht, weil ein Taifun aufzog. Somit reisten die Koffer mit der Transsibirischen Eisenbahn weiter in Richtung Schweiz und kamen schliesslich rechtzeitig an.

Ein besonderer Fokus liegt auf dem Risikomanagement, welches durch das Softwareprogramm erleichtert wird.

 

Beitrag zur CO2-Reduktion

Die Strassentransporte in der Schweiz werden vom System ebenfalls in Echtzeit erfasst. Hier gilt das Augenmerk der pünktlichen Lieferung. Ab einer bestätigten Verspätung von über 60 Minuten kommt die Bildschirmfarbe Rot zum Einsatz und macht deutlich, dass der angestrebte Service-Level nicht erreicht wurde. Die Software leistet zudem einen erheblichen Beitrag zur CO2-Reduktion der Transportflotte. Sie verknüpft die Daten der rund 600 täglichen Touren in der Schweiz mit geografischen und topografischen Daten und visualisiert die genauen Routen und deren Höhenprofile. Das erlaubt nicht nur die genaue Berechnung des Schadstoffausstosses der Lieferfahrzeuge, sondern natürlich auch die Optimierung desselben. Dazu wird für die jeweilige Tour die geeignete und möglichst umweltfreundliche Antriebstechnologie ausgewählt. «Manche Touren erfordern einen Diesellastwagen, bei anderen genügt ein elektrisch betriebenes Vehikel, ein mit Schweizer Biogas fahrender Lastwagen oder ein Fahrzeug mit Brennstoffzellentechnologie», heisst es im Magazin «Network» von GS1 Switzerland.

Softwarentwicklung

Innovative Tradition

Ameisenlogistik

Schon 2012 entwickelte die Migros zusammen mit der Firma Cantaluppi & Hug eine Software für die Transportplanung in der Schweiz, die mit dem Swiss Logistics Award ausgezeichnet wurde. Diese nutzt sogenannte Ameisenlogik. Dabei berechnet der Computer die beste Lösung nicht durch die vollständige Kombination aller rund 2000 Transportaufträge und 600 Ziele, was viel zu lange dauern würde. Er greift vielmehr auf einen Algorithmus zurück, der das Verhalten von Ameisen simuliert. Im Vergleich zur manuellen Tourenplanung liessen sich so kürzere Wegstrecken, höhere Auslastungen und ein Optimierungspotenzial von bis zu 30 Prozent erreichen. Auch sank die CO2-Emission der Transportflotte.