Am 6. Juni 2024 wurde die Schweizer Plattform für mehr Nachhaltigkeit im Kaffeesektor lanciert. Branchenverbände wie die Swiss Coffee Trade Association, Procafé und die Schweizer Röstergilde, aber auch die IG Kaffee Schweiz, NGOs und das Seco waren dabei. «Sowohl die Swiss Coffee Trade Association als auch unsere Mitgliedsunternehmen setzen sich seit Jahren für mehr Nachhaltigkeit entlang der Kaffeewertschöpfungskette ein», liess sich Nicolas Tamari von der Swiss Coffee Trade Association zitieren. «Aber es gibt immer noch viel zu tun.»
Zertifizierung löst nicht alle Probleme
«Die Herausforderung der Nachhaltigkeit in Lieferketten ist bei Heissgetränken wie Kaffee nach wie vor gross», bestätigt Christine Schäfer, Senior Researcher und Speaker am Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) in Rüschlikon (ZH). «Dazu gehören Entwaldung, faire Produktionsbedingungen und Löhne, umweltfreundliche Verpackungsmaterialien oder auch enorm lange Transportwege.» Marken müssten ihre Nachhaltigkeitsversprechen aber nicht nur entlang der Lieferkette, sondern im gesamten Lebenszyklus einlösen, von der Rohstoffbeschaffung bis zum Waste-Management. «Der Fokus sollte darum auf der ganzheitlichen Klimabilanz des Produkts und auf zirkulären Innovationen liegen.»
Die Kaffeeproduktion weist laut Javier G. Montoya-Zumaeta, Post Doctoral Researcher am Centre for Development and Environment (CDE) an der Universität Bern, einige weitere besondere Herausforderungen auf: Erstens stammt in einigen Ländern wie Brasilien oder Costa Rica ein beträchtlicher Teil der Produktion aus Grossgrundbesitz, wo häufig Zeitarbeitskräfte unter prekären Bedingungen beschäftigt sind. Zweitens gilt die Kaffeeproduktion in einigen Ländern wie etwa Vietnam nicht nur als wichtiger Faktor bei der Entwaldung, sondern kann aufgrund von Praktiken wie Monokultur, Einsatz von Agrochemikalien und Einleitung von Abwässern aus der Nachernteverarbeitung auch erhebliche negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die Wasserressourcen haben. «Das Einbeziehen von Wertschöpfungskettenstrategien zur Bewältigung solcher Herausforderungen, beispielsweise Zertifizierungen oder Unternehmensprogramme zur Nachhaltigkeit, haben ein erhebliches Potenzial, diese Probleme zu mildern und sogar umzukehren. Vor allem dann, wenn sie mit wirksamen Governance-Mechanismen einhergehen, etwa mit der Beteiligung von Produzenten, einheitlichen Lösungen zur Bewältigung dieser Herausforderungen – was die Bedeutung und das Verständnis des Kontexts, in dem diese Strategien umgesetzt werden, unterstreicht», so Montoya-Zumaeta. Während beispielsweise einige wissenschaftliche Erkenntnisse auf die positiven sozialen und ökologischen Auswirkungen freiwilliger Zertifizierungen hinweisen, habe sich in anderen Kontexten gezeigt, dass die Übernahme von Zertifizierungsstandards allein nicht unbedingt zu einer Verbesserung des Wohlbefindens der Landwirte oder zu wesentlichen Veränderungen ihrer Produktionspraktiken geführt hat.
Retailer setzen auf Labels
Die Grossverteiler Coop und Migros haben die Probleme erkannt. «Die Herausforderungen im Kaffeeanbau sind insbesondere für kleinere Produzent:innen vielfältig», heisst es seitens Coop. Vor diesem Hintergrund hat Coop den Rohstoff Kaffee bereits vor vielen Jahren als kritischen Rohstoff eingestuft; der Retailer beschafft ihn für seine Eigenmarken konsequent mit den Zertifizierungen von Rainforest Alliance, Fairtrade, EU-Bio und Bio Suisse. «Im Rahmen unserer Partnerschaft mit Fairtrade Max Havelaar engagieren wir uns dafür, kleinbäuerliche Strukturen aufrechtzuerhalten und zu unterstützen, so etwa durch unser Living-Income-Engagement in Peru und Mexiko», erklärt eine Sprecherin. «Coop setzt sich dafür ein, zertifizierten Kaffee zu verkaufen und nachhaltig beschafften Kaffee aus transparenten Lieferketten zu unterstützen.»
Die Herausforderungen in Kaffeelieferketten im Bereich Nachhaltigkeit seien gross, räumt man auch bei Migros ein: «Wir beobachten ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass die Nachhaltigkeitsherausforderungen im Kaffee gemeinsam und proaktiv angegangen werden müssen», so ein Migros-Sprecher. Die Migros verfolgt verschiedene Ansätze, um Nachhaltigkeit in Kaffeelieferketten zu fördern. Man setzt auf unabhängige Zertifizierungen, um soziale und ökologische Standards in den Lieferketten zu fördern und regelmässig zu überprüfen. «Bis Ende 2025 werden alle Kaffeebohnen für unsere Eigenmarken die Standards von Rainforest Alliance, Fairtrade Max Havelaar und/oder Bio erfüllen», kündigt das Unternehmen an.
Und man setzt weitere Projekte um, um die Nachhaltigkeit im Kaffeeursprung zu fördern. «Wir sind überzeugt, dass diese Kombination aus anerkannten Zertifizierungen, Engagement für entwaldungsfreie Lieferketten, direkten und langfristigen Beziehungen zu Produzentenorganisationen und zusätzlichen Nachhaltigkeitsprojekten einen wichtigen Beitrag leisten, um den Herausforderungen der Kaffeelieferkette zu begegnen», heisst es seitens Migros.