Der EMBA ist zurück im Klassenraum», hiess es vor zwei Jahren von der Universität Zürich. Bilder von gut belegten Kursräumen untermauerten die Wiedersehensfreude. Erst im Live-Unterricht und in Live-Diskussionen passiert das, was viele MBA-Absolvierende als das wichtigste Element ihrer Weiterbildung betrachten: das Networking.

Geht es um die reinen Wissensinhalte, so haben sich die Verhältnisse seit der Pandemie geändert. Digitale beziehungsweise online und zeitversetzt abrufbare Wissensvermittlung gilt als valable Alternative. Dabei geht es längst nicht mehr nur um den Kanal, wie beispielsweise beim früheren Bildungsfernsehen. Startup-Anbieter wie Quantic aus den USA, die dort den Markt mit Preisen von 13 000 Dollar aufmischen und es in die Top 100 schafften, haben den ganzen Unterrichtsprozess digitalisiert. Vom Einreichen der Unterlagen über die Unterrichtseinheiten, die Tests und die Abschlüsse – praktisch alles lässt sich digital erledigen.

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Weitere mehr oder weniger klangvolle Namen aus den USA haben sowohl beim Prinzip als auch bei den Preisen nachgezogen. Interessierte können von der Schweiz aus an Einrichtungen in Texas, New York oder Florida studieren. Selbst die University of California in Berkeley mischt hier mit Preisen um 15 000 Dollar mit.

 

Kein Campus, schlechtes Netzwerk

Unterschiedlich fallen die Alumni- und Absolvierenden-Feedbacks zu den rein digitalen Angeboten aus. «Geht es um berufliches Netzwerken, ist Linkedin viel besser», beschreibt ein Absolvent. Weitere stellten nach dem Kursstart fest, dass ihre Peers vorwiegend bei kleineren, unbekannten Firmen arbeiteten – und nicht bei den von den Marketing-Abteilungen versprochenen Top-Big-Tech-Unternehmen. Auch gibt es hier kein Campus-Leben sowie keinen direkten Zugang zu den Dozierenden. Und den Ruf muss sich die Schule erst erarbeiten.

Immerhin zeigen einige Neugründungen in den USA, die sehr ähnlich arbeiten, dass man das Potenzial solcher Ansätze für ausreichend gross hält. Das Prinzip ist jeweils sehr ähnlich: Ein Process Engine begleitet die einzelnen Schritte, verwaltet und steuert flexibel und bedarfsorientiert die Inhalte und dokumentiert gleichzeitig auch die Fortschritte. Neue Features sollen das digitale Netzwerken verbessern. Man gelangt hier indes an Grenzen, die vielen Usern von Teams- und Zoom-Meetings vertraut sind.

 

Hybrid hat sich etabliert

Auch bei den günstigen europäischen Anbietern ist das Fernstudium die Regel. Für Preise von plus/minus 10 000 Franken beziehungsweise Euro kann man jederzeit mit der Weiterbildung beginnen, die Studiendauer flexibel verlängern und die Studieninhalte werden jährlich angepasst. Anders wird das Thema an den schweizerischen MBA-Einrichtungen gehandhabt. Traditionell reine Online-Anbieter wie die Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) bestehen neben Einrichtungen wie die Universität St. Gallen oder die ETH Zürich, die hybrid arbeiten.

«Seit der Pandemie hat sich unsere Art und Weise zu unterrichten fundamental geändert», sagt David Bach, Professor für Strategie und Politische Ökonomie und Programmchef am IMD in Lausanne. Technologie sei nicht mehr wegzudenken. «Sowohl unser MBA, unser EMBA und unsere Executive-Education-Programme sind durchgehend «blended», das heisst, wir kombinieren Präsenzunterricht mit synchronen und asynchronen Online-Modulen», so Bach weiter. «Die Ergebnisse sind hervorragend. Unsere Daten zeigen klar, dass dieses gemischte Modell dem reinen Präsenzunterricht, aber auch dem reinen Online-Unterricht überlegen ist.»

Auch bei Rochester-Bern Executive Programs in Bern setzt man auf eine Mischung aus Präsenz und digitalen Elementen. «Unsere Klassen finden fast ausschliesslich vor Ort statt, da unsere Teilnehmenden grossen Wert auf persönliches Networking legen», sagt Petra Joerg, CEO von Rochester-Bern Executive Programs. «Dieses ist am effektivsten, wenn es vor Ort stattfindet: im Klassenzimmer, während der Gruppenarbeiten oder beim Apéro nach dem Unterricht. Das Networking ist einer der Hauptgründe, weshalb sich Führungskräfte für ein EMBA entscheiden.» Falls Teilnehmende und/oder Dozierende ausfallen oder nicht am Unterricht vor Ort teilnehmen können, gibt es die Möglichkeit, den Unterricht virtuell zu besuchen.

Digitale Mittel werden hier laut Joerg unterschiedlich genutzt: für Podcasts und Online-Vorbereitungs-Sessions, als Einführung in einen Kurs oder als Ergänzung zu einem Modul. Auch die Vorbereitungslektüren werden digital als E-Book versandt; durch den Verzicht der Postzusendung kann auch die Umwelt geschont werden. Hinzu kommen Simulationen, welche die Interaktion im Unterricht und das Verständnis neuer Konzepte verbessern sowie Projektpräsentationen, die auch für die Firmenvertreterinnen und -vertreter der Teilnehmenden offen sind.

«Grundsätzlich funktioniert der Online-Unterricht», sagt Joerg. «Technisch können Lektionen so eingerichtet werden, dass Teilnehmende gut dem Stoff des/r Dozierenden folgen können. Dennoch ist es niemals das Gleiche wie ein Präsenzunterricht: Der informelle Austausch fällt weg, es gibt weniger Diskussionen.» Auch die Teilnehmenden würden das so empfinden. «Das Netzwerken ist ihnen ein grosses Anliegen», hält Joerg fest, «und sie präferieren im Kontext eines EMBA deshalb auch den Unterricht vor Ort.»

 

Noch kein Unterricht im Metaverse

Und die Entwicklung geht auch hier weiter. Vereinzelt hat man an US-Einrichtungen bereits mit Virtual-Reality- und Metaverse-ähnlichen dreidimensionalen Klassenzimmern experimentiert. In einigermassen einfach aufbereiteten virtuellen Umgebungen «sitzen» hier die Absolvierenden wie im realen Klassenzimmer.

Die Ergebnisse waren laut Erfahrungsberichten durchwegs gemischt: Einerseits lässt sich die gegenwärtig erhältliche Hardware nur für ein, zwei Stunden nutzen – dann haben User oft genug. Anderseits gibt es hierbei kaum die Möglichkeit, nebenbei Notizen zu machen und weitere Hilfsmittel zu nutzen. Erst die nächste, vielleicht die übernächste Technologie-Generation wird möglicherweise solche Mängel beheben.