Wer Eventmanagement liebt, kennt die Komplexität und Dynamik, die mit der Organisation grosser Veranstaltungen einhergeht: ständig sich ändernde Zeitabläufe, sich verselbstständigende Budgets, die Herausforderung, auf die Bedürfnisse vieler und unterschiedlichster Protagonisten einzugehen. So auch im Falle des ESC in Basel, an dessen Organisation gleich Tausende mitarbeiteten. Musik hin oder her, dieser Grossevent faszinierte, so wie damals die Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris, die wir an gleicher Stelle thematisiert haben.
Natürlich war der ESC nicht eine einzige Veranstaltung, sondern ein Sammelsurium von B2B- und B2C-Events, die in der Verantwortung von unterschiedlichen Organisationen lagen. Aber die Gesamtzahlen begeistern: Rund 6500 Zuschauerinnen und Zuschauer besuchten das grosse Finale in der St.-Jakobs-Halle. Weitere 36 000 Fans (Bild rechts) verfolgten das Spektakel im Fussballstadion St.-Jakob-Park; es war das grösste Public Viewing in der Geschichte des Eurovision Song Contest. Die Eröffnungsparade der 37 Delegationen auf der 1,3 Kilometer langen Strecke durch die Stadt wurde von 2000 Mitwirkenden begleitet und von rund 100 000 Menschen verfolgt. Auch das ESC Village bei der Messe wurde eine erfolgreiche Plattform für Fans, Touristen und Einheimische. Kostenlos übrigens, aber natürlich mit den notwendigen Sicherheitskontrollen. Im durch den Swisslos-Fonds von Basel-Stadt unterstützten Village zählte man täglich rund 23 000 Besucherinnen und Besucher. Zudem wurden auf zahlreichen Bühnen quer durch die Stadt Tanz und Kunst dargeboten und rund 250 Stunden Livemusik. Der Barfüsserplatz präsentierte beispielsweise regionale Acts und machte damit die lokalen Musikschaffenden sichtbar. Die verschiedenen Plattformen in Basel wurden insgesamt von weit über einer halben Millionen Menschen besucht.
Positive Bilanz der Hospitality-Branche
Die Interessengruppen von Hotellerie und Gastronomie sowie die touristischen Organisationen waren hochzufrieden. Der Regionalverband Hotelleriesuisse Basel berichtete, dass in der Eventwoche rund 50 000 Logiernächte generiert wurden und die Auslastung zu Wochenbeginn bei 85 Prozent lag, in der zweiten Wochenhälfte sogar bei 95 Prozent. Im Vergleich dazu bewegt sich der übliche Durchschnitt im Mai bei rund 60 Prozent. Man geht zudem davon aus, dass mehrere Tausend Gäste in privaten Unterkünften übernachtet haben. Besonders stark frequentiert wurden die Gastronomiebetriebe etwa an der Clarastrasse oder im Stadtteil Steinenvorstadt.
Auch andere Gewerbler durften profitieren: Merchandising spielte eine Rolle, sowohl mit ESC-Sujets wie auch mit klassischen Schweiz-Motiven für die Touristen. Sogar die Kunst- und Kulturszene engagierte sich, so zum Beispiel die Fondation Beyeler mit ihrer Ausstellung «Over the Rainbow» oder die Künstlerin Claudia Comte, die auf dem Messeplatz eine monumentale Skulptur zeigte.
Massen und Medien
Die Zahlen des öffentlichen Verkehrs zeigen ebenfalls auf, wie grandios der ESC tatsächlich war. Die SBB stellte rund 100 Extrazüge aus der ganzen Schweiz zusammen, und die Basler Verkehrsbetriebe organisierten zusätzlich 700 Tram- und 450 Busverbindungen. Eindrücklich ist auch die während der Woche erzielte Medienreichweite von weltweit rund 450 Millionen Kontakten. Zudem schauten rund 170 Millionen Zuschauerinnen das Spektakel am Fernseher und 83 Millionen auf Youtube.
Für Eventmanager stellt sich bei diesen Massen gleich auch die Frage nach Sicherheit – und auch da wusste Basel zu glänzen. Der von den Polizeikorps Basel-Stadt und Basel-Landschaft erstmals gemeinsam durchgeführte Einsatz zog eine insgesamt positive Bilanz: Bis auf einzelne Störaktionen durch Demonstranten verlief die Grossveranstaltung ohne gewalttätige Zwischenfälle. Und man muss den Hut davor ziehen, dass das bikantonale Einsatzteam mit über 1300 Polizistinnen und Polizisten gleichzeitig auch noch eine kurzfristig aufgestellte Meisterfeier des FC Basel ohne grössere Probleme bewältigte. Gelitten haben eigentlich nur die Einheimischen, da es auch in den Quartierstrassen zu Verkehrseinschränkungen kam.
Was bleibt?
Das Musikalische soll an anderer Stelle bewertet werden. Die ESC-Fans ziehen weiter, nach Basel ist vor Wien, die Welt vergisst schnell. Relevan ter erscheint, dass diese Monsterveranstaltung auch den Einheimischen Unterhaltung und Spass bereitete und bei ihnen wahrscheinlich sogar «ä weneli» Stolz auslöste. Das allerdings müssen oder dürfen die Basler untereinander aushandeln.
Für die Player der lokalen MICE-Branche stellt sich jetzt die Frage, ob dieser erfolgreiche Auftritt national und international eine Nachfrage nach neuen Veranstaltungen für Basel auslösen wird. Klar, die logistische und infrastrukturelle Performance des ESC verdient eine hohe Auszeichnung. Basel kann organisieren, und dies mit Charme. Aber das primäre Zielpublikum des (B2C-ausgerichteten) Events waren halt jüngere Generationen im Lifestyle-Fieber. Ob die mediale Berichterstattung ausreichen wird, auch die älteren Semester in der B2B-Welt vom Eventstandort Basel zu überzeugen, wird sich erst in den kommenden ein, zwei Jahren zeigen. Dann wird man sehen, ob der ESC tatsächlich eine neue Nachfrage nach Grossevents, Kongressen, Tagungen und Ausstellungen ausgelöst hat. Aber der ESC bleibt für Basel so oder so eine ausgezeichnete Referenz.