Babyboomer, Generation X, Millennials und Generation Z: Auf der Redaktion der «Handelszeitung» arbeiten Vertreter und Vertreterinnen aller Generationen. Im Rahmen der «Handelszeitung»-Spezialausgabe kommentieren vier Redaktorinnen und Redaktoren, was ihnen ihre Generation mitgab und wie sie andere Generationen wahrnehmen.

Generation Babyboomer: Nicht ohne meine 3 «W»

Manchmal fragen mich meine Töchter, Jahrgang 1995 und 1997, wie das Leben eigentlich so war, früher. In einer Zeit vor Whatsapp, Netflix und Smartphones. Nun, das Leben als aufwachsender Babyboomer war ganz okay. Das Worldwide Web kannte ich zwar noch nicht. Trotzdem gab es in meiner Prio-Liste die Buchstaben-Triole WWW.

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Zunächst das «W» für Walkman. Das Sony-Gadget war Befreiung pur. Dank tragbarem Mini-Gerät war mein Sound jederzeit mit mir. Aufregender als die Mondlandung von 1969! Zweites «W»: «The Wall», das legendäre Album von Pink Floyd, gekrönt vom hymnischen «Another Brick in the Wall». Drittes «W»: Die deutsche Wiedervereinigung, die ich 1989 gebannt von der Schweiz aus verfolgte. Schlusspunkt einer Dekade voller popkultureller Höhepunkte. Das Zeitgeistmagazin «Tempo» komprimierte das – Triggerwarnung! – so: «Prince griff sich an den Sack, und das Jahrzehnt war gerettet.»

Walkman und Andreas Güntert

Andreas Günterts Lieblingsgadget als Kind war der Walkman

Quelle: HZ-Montage

In der Rückschau erwischten wir Babyboomer eine gute Zeit: Als Kind draussen spielen, nicht dauerüberwacht von Helikoptereltern – alles easy. Das alles unter günstigen Rahmenbedingungen: wachsender Wohlstand, kein Darben durch Kriege oder riesengrosse Krisen in einer Welt, in der sich immer mehr Chancen boten. Heute haut man uns das um die Ohren: «OK, Boomer», schleudert man uns engstirnigen und lernfaulen Ewiggestrigen entgegen. Idioten der Generation Wachstum, die sich nicht ums Klima scheren! Aber auch dafür habe ich ein «W»: «Waldsterben», ein Thema, das uns Babyboomer ähnlich stark beschäftigte und prägte wie die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl.

Solange die OK-Boomer-Diskussion nicht nur beleidigend verläuft, ertrage ich sie gut. Jede neue Generation soll sich an den Vor-Generationen abarbeiten. Was ich nicht ertrage: Wenn «Another Brick in the Wall, Part 2» am Radio bei Minute 2.15 abgewürgt wird. Just dann, wenn David Gilmours Gitarre zu singen beginnt. Okay, Generation Y und Z: Ihr dürft vieles. Aber das dürft ihr einem Babyboomer nicht antun.

Das ist die Spezialausgabe «Millennials»:

Zur Generation Y – den sogenannten Millennials – gehören Personen, die zwischen den frühen 1980er und den späten 1990er Jahren geboren wurden. Die Millennials machen mit rund 1,8 Milliarden Menschen inzwischen die grösste Gruppe von Erwachsenen weltweit aus. Die Generation prägt die aktuelle Wirtschaft stark mit. Darum setzt sich die «Handelszeitung» im Rahmen einer Spezialausgabe ausführlich mit dieser Generation auseinander. Der vorliegende Text ist Teil der Spezialausgabe.

Generation X: Gratulation, Altersflecken!

Es geht nur noch wenige Wochen. Ende September werde ich fünfzig. Fünfzig! In Zahlen: Fünf Null! OMG! Ich bin mir bewusst, dass es Menschen geben soll, die das Überschreiten dieser Schwelle von mittelalterlich zu alt ohne bleibende Schäden überlebt haben. Aber es ist schon heftig. Zumal auch meine Kids (sie sind acht und zehn Jahre alt) definitiv der Meinung sind, dass man spätestens mit zwanzig alt sei.

Commodore Speiser

Marcel Speisers Lieblingsgadget als Kind war der Commodore C64 Joystick

Quelle: HZ-Montage

Sicher: Die Haare ergrauen, die Dermatologin stellt Altersflecken an der Stirn fest (und gratuliert, dass es kein Krebs sei!), nach dem Klettersteig schmerzt manchmal das Knie. Aber nicht daran merke ich, dass ich alt werde. Sondern zum Beispiel daran, dass ich noch nie bei Shein bestellt habe, erst sieben Tiktok-Videos gesehen habe und beim Gamen mit meinem Sohn auf unserer Lockdown-Switch mit Wehmut ans fröhliche «Summer Games»-Rütteln am Joystick (was für ein tolles Wort!) meines Commodore C64 zurückdenke. Ich merke es daran, dass meine musikalischen Idole – Tom Waits, Nick Cave, PJ Harvey und Tom Araya von Slayer – allesamt Grosseltern sein könnten. Oder daran, dass ich «Mohrenkopf» schreiben kann, ohne in Wallung zu geraten.

Aber hey, I’ve come a long way: Als Austauschstudent in Südafrika habe ich meine Arbeiten per Akustikkoppler übermittelt, heute arbeite ich meist remote am Esstisch. Und auf Linkedin like ich jeden Post, der behauptet, dass Erfahrung zählt.

Generation Y: Erfüllerin der Klischees

Mit Jahrgang 1990 befinde ich mich inmitten der Millennial-Generation und erfülle ganz klar einige der Klischees: Ohne mein Handy gehe ich nicht aus dem Haus, ich kaufe den Grossteil meiner Sachen online und ich «bingewatche» regelmässig Netflix-Serien. Und ja, ich gebe es zu: Ich kenne mein Hogwarts-Haus, und die «Pokémon Go»-App habe ich immer noch auf meinem Handy installiert.

Jetzt, mit Anfang dreissig, fühle ich mich auch noch nicht wirklich erwachsen. Schaue ich mich aber in meinem Freundeskreis um, bin ich mit dieser Einstellung nicht alleine: Viele von uns haben einen langen Bildungsweg hinter sich – entsprechend erreichen wir die finanzielle Selbstständigkeit oft erst später.

Barbara Game Boy

Barbara Scherers Lieblingsgadget als Kind war der Game Boy Color

Quelle: HZ-Montage

Im Arbeitsmarkt angekommen, sind wir dann nicht bereit, irgendeinen Job zu machen. Schliesslich konnten wir uns während unserer Ausbildung, begleitet von zahlreichen Nebenjobs, Gedanken darüber machen, was wir wollen – oder besser gesagt, was wir bestimmt nicht wollen. Arbeit muss für uns sinnvoll sein und ja, Arbeit soll Spass machen! Dabei sind viele von uns auch nicht mehr bereit, Vollzeit zu arbeiten. Teilzeitarbeit gehört für den Grossteil der Generation Y zum Standard, wenn es finanziell möglich ist. Und diese Einstellung hat entgegen dem Vorurteil älterer Generationen nichts mit Faulheit zu tun. Meine Generation hinterfragt schlicht die gängigen Strukturen. Denn für was sollten wir mehr Zeit am Arbeitsplatz verbringen? Wir leben doch nicht, um zu arbeiten – wir arbeiten, um zu leben. Dadurch haftet unserer Generation etwas Kindliches an.

Schlecht ist das aber nicht – sind es doch oft die naiven Fragen und kindlichen Einstellungen, die die grössten Probleme in der Gesellschaft aufdecken. Meine Generation hinterfragt bestehende Strukturen und Ideen, denn wir Digital Natives wissen, wie schnell Technologie die Welt verändert. Darum liegt es auch an uns, neue funktionierende Lebens- und Arbeitsmodelle zu entwerfen, die zu unserer globalisierten, vernetzten und sich schnell entwickelnden Welt passen. Und dafür behalte ich gerne die kindlich-naive Art der Millennials bei.

Generation Z: Das Handy ist mein verlängerter Arm

Die Millennials sind die erste Generation, die sich bewusst der Work-Life-Balance widmet und diese auch einfordert. Die Folgegeneration Z hat ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Selbstverwirklichung im beruflichen Alltag. Ihre Angehörigen sind digitale Nomaden und verstauben nicht zwanzig Jahre am gleichen Bürotisch. Inmitten dieses Übergangs von ersten selbstbewussten Schritten zur vorausgesetzten Selbstverwirklichung bin ich mit Jahrgang 1997 angesiedelt.

Olivia Ruffiner Tamagotchi

Olivia Ruffiners Lieblingsgadget als Kind war das Tamagotchi

Quelle: HZ-Montage

Ich vereine das Beste der beiden Generationen: Mein erstes Haustier war ein Tamagotchi und die Harry-Potter-Reihe habe ich verschlungen. Das Handy ist mein verlängerter Arm; die technologischen Entwicklungen begleiteten meine Kindheit. In der Arbeitswelt hat die Gen Y der Gen Z den Weg geebnet und ihr – uns – das radikale Auftreten ermöglicht, das wir heute sehen. Überstunden? Nein danke. Nur eine lineare Karriere ist eine erfolg reiche Karriere? Fehlanzeige.

Wir sind keine «Work aholics»; für uns heisst Erfolg, dass wir unsere Arbeit gerne machen. Und nicht, dass wir unsere Bedürfnisse hinter die des Unternehmens stellen. Losgetreten von der Gen Y, verteidigen wir dieses Denken auch in Zukunft. Wir arbeiten an neuen Verständnissen in der Unternehmenswelt, treiben die Flexibilität an und hinterfragen starre Konstrukte. Denn für uns muss Arbeit sinnvoll sein. Sonst sind wir weg.