Wohnen auf 40 oder gar nur 25 Quadratmetern mit wenig Stauraum, einer kleinen Küche und einem Schlafzimmer, das gerade mal so gross wie das Bett ist – davon träumen derzeit viele. Kleiner wohnen heisst flexibel leben, weniger besitzen, Kosten sparen und weniger Ressourcen verbrauchen. Sogenannte Tiny Houses sind seit einigen Jahren auch in der Schweiz ein Trend.

Ob Tiny Houses wirklich nachhaltig sind, darüber gehen die Meinungen auseinander. Auf der einen Seite verbraucht eine kleine Fläche weniger Ressourcen, und es wird kein zusätzliches Land verbaut. Auf der anderen Seite drohen Energieverluste durch die Wände und das Dach, was eine gute Dämmung erforderlich macht. Doch Tiny House ist nicht gleich Tiny House. Es existieren ganz verschiedene Typen dieser Kleinsthäuser: Modelle auf Rädern, Bauwagen, Jurten, Container, alte Zirkuswagen.

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Achtzig oder hundert Jahre alt

Dieser nostalgischen Ausführung eines Minihauses haben sich die Schreinerinnen und Schreiner der Genossenschaft Holzlabor in Winterthur verschrieben. Die Werkstatt für Holzbearbeitung hat sich auf den Wagenbau spezialisiert und beschäftigt sieben Personen. In der geräumigen Werkhalle des alten Busdepots bauen sie die Wagen von Grund auf neu – oder restaurieren sie, was seltener vorkommt. «Die ersten Aufträge bekamen wir von Leuten, die mit solchen Wagen mit einem Varieté, Zirkus oder Kleintheater unterwegs sind», erklärt Schreiner Tobias Jordi. Manche der Zirkuswagen sind bereits achtzig oder hundert Jahre alt.

Der Weg zum Tiny House

Stellplatz Wer sich über ein Minihaus Gedanken macht, sollte sich zuerst überlegen, ob es als fester Wohnsitz an einem fixen Standort stehen oder ob das Tiny House mit Rädern mobil bleiben sollte. Für einen festen Standplatz ist eine Baugenehmigung erforderlich, und ein Stellplatz kostet zudem Miete oder Pacht. Viele Informationen zum Thema Kleinsthäuser gibt es beim Verein Kleinwohnformen Schweiz. Er setzt sich dafür ein, dass Tiny Houses als anerkannte Wohn- und Lebensform akzeptiert werden.

Seit rund 15 Jahren sind die Zirkuswagen auch als Wohnmöglichkeiten im Sinne eines Tiny Houses gefragt. Seither fertigt sie die Genossenschaft für Privatpersonen an. Dazu gehört die Unterstützung bei der Planung und Umsetzung. Etwa bei Fragen wie den folgenden: Wie gross soll der Wagen werden? Wie wird er bewegt, wo wird er stehen? Werden die gesetzlichen Vorschriften eingehalten? Wie wird er beheizt und gedämmt?

«Die meisten Kundinnen und Kunden möchten ihre Wohnung aufgeben und permanent im Wagen wohnen», sagt Schreinerin Nadine List. Oder sie benutzen den Wagen als eine Art Ferienhaus. Wer möchte, kann sogar selbst mitanpacken und Eigenleistung einbringen, dadurch reduzieren sich die Kosten. Ganz preisgünstig ist diese Art von Tiny Houses auf Rädern nicht. Je nach Ausbaustandard und Eigenleistung beginnen die Preise ab 60 000 Franken und sind nach oben offen.

Tobias Jordi: «Wir fertigen die Grundstruktur des Wagens an und bieten danach unsere Unterstützung und fachliche Beratung an.» Bei der Grundkonstruktion mit der typischen halbrunden Decke wird eine traditionelle, kaum mehr gebrauchte Handwerksmethode angewendet: Erst werden die Eschenlatten in der Biegestation mithilfe von Wasserdampf biegsam gemacht und dann in drei Lagen auf die Form gespannt – so erhalten sie die endgültige Form.

Das Hauptmaterial Holz stammt aus der Schweiz. So sind die Eschen für die Grundkonstruktion etwa im Thurtal gewachsen, die Pappeln für das Dach im Zürcher Unterland und die Weisstannen für die Aussengestaltung im Tösstal. «Bei den Materialien sind wir überall dort nachhaltig, wo wir können», sagt Tobias Jordi. Die Duschen beispielsweise werden jedoch herkömmlich mit Silikon verfugt. Die Mineralfarben sind ebenso ökologisch wie die Holzfasermatten für die Dämmung der Wände, für die auf Kundenwunsch auch Schafwolle verwendet werden kann.

Beim Innenausbau wählen die Kundinnen selber, ob sie auf den wenigen Quadratmetern einen grossen Raum oder mehrere kleine Zimmer möchten. Die einen entscheiden sich auch bei den Holzwohnwagen für eine Aufteilung wie in einer herkömmlichen Wohnung mit Schlaf- und Wohnzimmer, WC, Bad und Küche. Die anderen nutzen die Möglichkeit für etwas ganz anderes. Nadine List weist darauf hin, dass ein offener Raum ohne Trennwände für ein besseres Raumgefühl sorgt.

 

Ohne eine einzige Schraube

Sollte einem der Wagen eines Tages nicht mehr gefallen, könnte man die Grundkonstruktion jedes Zirkuswagens theoretisch eins zu eins wieder zurückbauen und in Einzelteile zerlegen. Denn sie sind mit Schlitzzapfenverbindungen zusammengefügt und enthalten keine einzige Schraube. Stattdessen halten 300 bis 500 Holznägel die Konstruktion zusammen. Dank der Bauweise mit den Holz-Holz-Verbindungen ist der Wagen nicht nur nachhaltig und rückbaufähig. Er kann auch flexibel mit einem Lieferwagen oder dem Traktor zu einem Standort im Grünen gefahren werden.