Um die Klimaziele zu erreichen, sind in den nächsten Jahren gewaltige Investitionen in erneuerbare Energien notwendig. Ist das realistisch?

Grundsätzlich sind die technischen Lösungen vorhanden, und die Skalierung beginnt allmählich zu greifen. Aktuell wird massiv Kapital in nachhaltige Lösungen umgelenkt. Das passiert aus drei Gründen: Investoren erkennen die Risiken, wenn sie weiter die alte Welt in ihrem Portfolio lassen. Gerade Pensionskassen, die sehr langfristig denken, haben das inzwischen erkannt. Zum anderen setzt sich die Erkenntnis durch, dass man spannende Erträge mit den neuen Technologien erzielen kann. Und darüber hinaus wird die Transformation extrem befeuert durch die riesigen grünen Staatsprogramme in den USA, in Europa und schon länger in China.

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Schaut man nur auf die Rendite, konnte man zuletzt mit Öl und Kohle aussergewöhnlich gut verdienen.

Ja, kurzfristig, aufgrund der besonderen Situation des Krieges. Aber langfristig funktioniert das nicht, und es hat auch nicht während der letzten zehn Jahre funktioniert. Woran messen Sie das? Wir sehen es an unseren eigenen Investments in nachhaltige Unternehmen. Wir haben in den letzten Jahren den Markt immer geschlagen. Oder vergleichen Sie den MSCI World mit den verschiedenen ESG-MSCI-Indexen in den letzten zehn Jahren. Das Ergebnis: Je fokussierter der ESG-Ansatz, desto besser ist die Rendite. Am besten hat der MSCI SRI performt, der die Top-25-Titel abbildet mit dem besten ESG-Rating.

 

Warum investieren Sie nicht auch in Unternehmen wie Glencore, die für die Transition wichtig sind und einen kontrollierten Kohleaustritt versprechen?

Glencore ist ein wenig ein Grenzfall, weil die Firma auch mit Metallen handelt, die wir für den Aufbau der erneuerbaren Energien brauchen. Für unser Haus haben wir allerdings festgelegt, dass wir auf diejenigen setzen, die schon weiter sind auf dem Weg mit sauberen Lösungen. Hier gibt es genügend Chancen. Aber es gibt Gründe, dass beispielsweise institutionelle Anleger weiterhin in die Transition-Fälle investieren. Die Schwierigkeit ist sicherlich, zu beurteilen, ob das zukünftige Dinosaurier sind oder ob sie die Transition wirklich schaffen.

 

Wie können Anlegende erkennen, ob es Unternehmen wirklich ernst meinen mit ihren Netto-null-Zielen?

Wir schauen uns immer an, wie plausibel ein Unternehmen darlegen kann, inwiefern es in den nächsten zehn Jahren von der Netto-null-Agenda betroffen ist. Wo genau könnte die Wettbewerbsfähigkeit leiden und wo könnte sie profitieren? Wir wollen genau sehen, was der Plan ist. Dabei ist immer ein wichtiges Indiz, wie prominent das Thema in der Roadshow des Finanzchefs oder des CEOs erläutert wird. Und es ist schon manchmal erstaunlich, wie wenig da kommt.

Wer machte es beispielsweise gut?

 

ABB oder Siemens sind gute Beispiele. Dort sind die Unternehmensentwicklung und -ziele auf der Energiewende aufgebaut und nehmen Bezug zu den globalen Klimazielen. Die Firmen erläutern relativ genau, wo ihre Geschäfte ein Schlüssel für die Energiewende sein werden.

 

Wie sehr nutzen Sie die TCFD-Reports für Ihre Beurteilung?

Sie sind sehr hilfreich und schaffen eine gewisse Transparenz. Allerdings legt der Report den Schwerpunkt auf die Risiken. Wir suchen ja insbesondere die Chancen der Energiewende für unsere Investments.

 

In welchen Bereichen sehen Sie Handlungsbedarf?

Gerade in Branchen, in denen noch keine ausreichenden Lösungen vorhanden sind, beispielsweise bei Beton oder Stahl, geben sich einzelne Unternehmen nur sehr wenig Mühe, ihren Anlegerinnen und Anlegern zu erklären, wie sie sich denn für die Zukunft aufstellen wollen. Das ist teilweise schon sehr erstaunlich.

 

Nestlé steht bei Klimaschützern und Klimaschützerinnen immer wieder in der Kritik. Gerechtfertigt?

Wir sind nicht in Nestlé investiert. Allerdings finde ich, dass Nestlé es recht solide macht. Sie reden immer erst, wenn sie ein Thema wirklich verstehen. Ihre Klima-Roadmap und der TCFD-Report sind extrem spannend.

 

Warum?

Sie haben ihn vor zwei Jahren lanciert und festgehalten: 95 Prozent der erforderlichen Emissionsreduktionen kommen nicht von uns, sondern von unseren Zulieferern. Das heisst, sie gehen in die gesamte Wertschöpfungskette und sagen, wir müssen beispielsweise den Bauern helfen, ihre Emissionen zu senken. Das ist schon mal bemerkenswert. Und auch ihre kurzfristigen Massnahmen innerhalb der nächsten fünf Jahre sehen ebenfalls sehr seriös aus. Die Transparenz ist aus unserer Sicht vorbildlich; sie berichten jedes Jahr über ihre Fortschritte. Das Gleiche gilt für das zweite grosse Thema von Nestlé: die gesunde Ernährung.

Inwiefern?

Das Unternehmen versucht inzwischen, eine gesunde Ernährung auch in Schwellen- und Entwicklungsländern, den Wachstumsmärkten für Nestlé, konsequent umzusetzen und das Nutrition-Profil zu verbessern.

 

Bei der ESG-Beurteilung von Unternehmen erhält man recht unterschiedliche Ergebnisse je nach Ratingagentur. Wem soll man glauben?

Es stimmt leider. Die Ergebnisse der verschiedenen Ratingfirmen konvergieren nicht, sie zeigen nicht das gleiche Resultat für dieselbe Firma. Das ist ein Problem für Anwender wie uns, aber auch für die Firmen. Jede Ratingagentur hat ihre eigenen Kriterien definiert, selbst gewichtet und eigene Verfahren, die sie messen.

 

Welche Ratings beurteilen Sie als besonders gut?

Wir kaufen keine Ratings ein, sondern Daten und erstellen auf dieser Basis unser eigenes Rating. Aber zur Beurteilung der verschiedenen ESG-Ratings gibt es ein gerade wieder veröffentlichtes Ranking. Es heisst «Rate the Raters» und stammt von einer Firma, die ich früher geführt habe. Es sind eigentlich immer dieselben vier bis fünf Ratingagenturen, die dort vorne liegen.

Der Innovative

Name: Peter Zollinger
Funktion: Leiter Impact Research bei der Globalance Bank

Das Unternehmen Globalance ist eine eigentümergeführte Schweizer Privatbank und eine Pionierin für nachhaltige Anlagen. Seit knapp dreissig Jahren beschäftigen sich die Gründer mit Themen rund um 
Investments und Nachhaltigkeit. Für ihre Kundinnen und Kunden investiert die Bank in Zukunftsthemen und Unternehmen mit attraktivem Renditepotenzial und einem positiven Footprint.

Könnten Sie Ihr Rating nicht auch an andere verkaufen?

Könnten wir, und wahrscheinlich würden wir auch gutes Geld damit verdienen. Aber das wollen wir nicht, wir sind keine Ratingagentur. Was uns interessiert ist der Wettbewerb für bessere Verfahren. Was zu wenig passiert, ist, dass moderne Daten miteinbezogen werden. Zum Beispiel bei der Biodiversität könnte man viel mehr machen, als es die konventionellen Ratings machen.

 

Was zum Beispiel?

Seit Dezember gibt es die UNO-Biodiversitätskonvention. Wir wollen in den Wertschöpfungsketten der Unternehmen die wirklichen Hebel für die Biodiversität sehen. Welche Firmen haben den grössten Verbrauch? Dafür gibt es neue Technologien, beispielsweise auf Basis von Satellitenaufnahmen, und wir wollen das jetzt in unser Rating implementieren.

 

Warum machen die Ratingagenturen nicht mehr?

Es gibt einen systeminhärenten Bremsklotz: Eine Ratingagentur hat beispielsweise 500 Kunden, die ihre IT-Systeme auf das Rating eingestellt haben. Wenn die Ratingagentur dann etwas mit neuen Daten ändert, finden die das gar nicht lustig. Das ist das Problem. Und darum haben wir uns auch für einen eigenen Ansatz entschieden, der uns erlaubt, neue Daten anzudocken.

 

Im Juni des vergangenen Jahres wurden vom Bundesrat die «Swiss Climate Scores» lanciert, um den Finanzplatz Schweiz mit einer glaubwürdigeren Klimatransparenz auszustatten. Wie erfolgversprechend ist der neue Ansatz?

Die Swiss Climate Scores sind ja zunächst ein freiwilliges Instrument, das von der Politik zusammen mit der Finanzbranche und Umweltverbänden erarbeitet wurde. Wir halten es für ein ausgezeichnetes Instrument: eine Seite, sechs KPI – das ist sehr übersichtlich und aussagekräftig.

Die EU geht einen anderen Weg.

Ja, die EU setzt auf Bürokratie und Taxonomie, sie versucht, alles im Detail zu regeln. Der Schweizer Ansatz ist wesentlich pragmatischer und setzt auf Transparenz und Aktion. Ziel der Swiss Climate Scores ist, dass dann zum Beispiel Pensionskassen bei Mandatsausschreibungen neben den ganzen Charakteristika zu Strategie, Risiko und Rendite auch die Zahlen des Swiss Climate Scores verlangen.

 

Wie hat die Finanzbranche auf den Climate Score reagiert?

Einige Banken haben ihn für erste Produkte bereits erstellt – ich gehe davon aus, dass sich das Instrument durchsetzen wird.

 

Wie sieht es bei Globalance aus?

Grundsätzlich haben wir ja ein eigenes detailliertes ESG-Reporting. Auf der digitalen Plattform Globalance World können unsere Kundinnen und Kunden mit voller Transparenz die Beurteilung von Zukunftschancen und Klimarisiken der jeweiligen Anlagepositionen in ihrem Portfolio einsehen. Zusätzlich haben wir jetzt als erste Schweizer Bank für alle unsere verwalteten Anlagevermögen die Swiss Climate Scores ermittelt.

 

Was planen Sie noch?

Unser Ziel ist immer, innovative Ansätze zu finden, um unsere Anlageportfolios bezüglich der Nachhaltigkeit und Rendite ständig zu verbessern. Wenn jemand beispielsweise nachhaltige Infrastrukturprojektanlagen oder Immobilienprojekte wünscht, suchen wir einen Weg. Es ist sehr spannend, zu sehen, welche Entwicklungen sich gerade abzeichnen. Wir sprechen zum Beispiel mit Startups, die mithilfe von künstlicher Intelligenz Unternehmen bewerten. Oder andere nutzen die Schwarmintelligenz, indem sie Unternehmen von einer Vielzahl ausgewählter Stakeholder bewerten lassen. Das ist alles noch nicht ganz ausgereift, aber es ist jetzt schon klar, dass wir bald ganz neue Möglichkeiten haben werden.