Die Experten sind sich einig: Der Schweizer Markt für ausserbörslich gehandelte Aktien (OTC) ist vor allem für langfristig orientierte Anleger eine spannende Spielwiese. In diesem Markt sind rund 500 Unternehmen gelistet. Man findet Firmen wie die Immobiliengesellschaft Espace Real Estate, den Maschinenbauer Rapid, die Bad Schinznach AG oder die illustre AG für die Neue Zürcher Zeitung. Die Unternehmen sind zumeist deutlich kleiner als die an der Schweizer Börse kotierten Weltkonzerne und sie machen ihr Geschäft vor allem in der Schweiz. Internationale Verflechtungen sind selten. Das trägt dazu bei, dass sich der Geschäftsgang zumeist recht stabil entwickelt.

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Der Handel der Aktien erfolgt allerdings an keiner Börse. Es sind vor allem drei Banken und ein Finanzdienstleister, die für den Umschlag der Aktien sorgen: die Berner und die Zürcher Kantonalbank, die Zürcher Privatbank Lienhardt & Partner sowie das Wertpapierhandelshaus Bondpartners in Lausanne. OTC bedeutet so viel wie «over the counter», über den Tresen. Auf eigens eingerichteten Websites machen die Banken das jeweilige Geschehen transparent und informieren über Kurse und Transaktionen. Für Anleger ist der Handel einfach: Zumeist kann man Aufträge über die Hausbank platzieren, teilweise sind die OTCAktien auch im Online-Banking verfügbar. Der Auftrag wird dort ausgeführt, wo gerade der beste Preis möglich ist. Best Execution (bestmögliche Ausführung im Kundeninteresse) heisst das Prinzip, das mittlerweile auch im OTC-Markt Einzug gehalten hat.

Aufträge nie ohne Kurslimite erteilen

Nicht alle Wertpapiere im OTC-Markt lassen sich gleich gut handeln. «Von den insgesamt etwa 500 Titeln generieren rund 150 permanent Handelsaktivität», sagt Thomas Brunner, OTC-Experte der Lienhardt & Partner Privatbank. Während beispielsweise der Partizipationsschein von Weleda jeden Tag gehandelt wird, sind Transaktionen in der Namenaktie selten – es gibt kaum einen Abschluss pro Jahr. Brunner weist auch auf eine andere Besonderheit des OTC-Marktes hin: Die Spreads, die Unterschiede zwischen Kaufund Verkaufkurs, können gerade bei wenig liquiden Titeln sehr gross sein und bis zu 50 Prozent erreichen. So müssen alle Aufträge in diesem Markt unbedingt mit einer Kurslimite versehen erteilt werden.

Die Berner Kantonalbank (BEKB) gibt Anlegern mit ihrem Liquidity-Index eine wertvolle Orientierungshilfe im OTC-Markt. Der Index enthält die liquidesten Aktien. Im ZKB-eKMU-X-Index sind wiederum die liquidesten Aktien des ZKBAktienuniversums enthalten. Auf den jeweiligen Websites der Banken finden sich zahlreiche weitere Daten. Flüssigen Handel erlebt bei der BEKB – neben dem Weleda- Partizipationsschein – beispielsweise die Aktie der Regionalbank Acrevis. In den vergangenen dreissig Tagen wurden 93 Trades im Volumen von rund 1,3 Millionen Franken gemacht. Ähnlich aktiv werden auch der Energieversorger Holdigaz aus Vevey und die Wasserwerke Zug umgesetzt.

Allerdings ist der OTC-Markt kein Platz für tradingorientierte Anleger. «Daytrading macht keinen Sinn», sagt Andreas Langenegger vom OTC-Handelsteam der Berner Kantonalbank. Der Anlagehorizont beträgt idealerweise mehrere Jahre. Es gebe dennoch zwei Arten von Anlegern: einerseits Liebhaber, die Aktien aus regionaler Verbundenheit mit der Firma oder wegen der Naturaldividende kaufen. Man legt sich Aktien der Hausbank ins Portfolio oder kauft Bergbahntitel wegen der damit erhältlichen Freifahrten. Langenegger beobachtet aber immer mehr auch Anleger, die einen professionellen und gewinnorientierten Anlageansatz verfolgen. Sie suchen gezielt unterbewertete Aktien und gehen langfristige Engagements ein.

Auch Vermögensverwalter sind aktiv

Dazu investieren sie genügend Zeit in die Informationsbeschaffung. «Im OTCMarkt muss man selbst aktiv werden», weiss André Spillmann, Spezialist für Nebenwerte bei der Zürcher Kantonalbank. Immerhin ist die Informationsbeschaffung durch das Internet einfacher geworden. Der Geschäftsbericht und Medienmitteilungen sind eine wichtige Informationsquelle für OTC-Anleger, ebenso die Lokal- und Regionalpresse. Und während die börsenkotierten Firmen von Dutzenden Analysten begleitet werden, stellt im OTC-Markt lediglich das Portal der Berner Kantonalbank einschlägige Analysen bereit. Die ZKB wiederum publiziert regelmässig KMU-Porträts der ausserbörslich gehandelten Unternehmen.

Auch Vermögensverwalter nutzen die Angebote des OTC-Marktes für ihre Kunden. Im Hintergrund stehen begehrenswerte Charakteristika einiger Firmen. «Wenn ich für Kunden aus Rapperswil eine stabile Aktie mit guter Dividendenrendite suche, ist die Aktie des Elektrizitätswerks Jona-Rapperswil naheliegend», sagt Anton Zahner von AMG Analysen und Anlagen. Man investiere nicht aus Lokalpatriotismus in Nebenwerte – der Preis müsse stimmen. «Bei zu hohen Kurs-Gewinn-Verhältnissen winke ich ab», meint Zahner. Er legt seinen Kunden Firmen wie Espace Real Estate, Holdigaz oder Konkordia Immobilien als Beimischung ins Portfolio, die Quote beträgt maximal 20 Prozent. Interessant sind für ihn auch Regionalbanken, deren Aktien oft eine Dividendenrendite von bis zu 4 Prozent erreichen.

OTC-Aktien als Ersatz für Anleihen: Darauf setzt Vermögensverwalter Hans Peter Diethelm von Diethelm Treuhand schon seit einigen Jahren. Dabei sucht er gezielt nach Firmen, deren Produkte zum täglichen Bedarf gehören. Das sind Strom, Wasser, EDV oder Telefonie ebenso wie Bankdienstleistungen. Auch Diethelm investiert eher für übermorgen: Man dürfe ja nicht nach einem oder zwei Jahren mit Gewinnen rechnen, meint er. Da aber die Wirtschaft allgemein wachse und sich das im Aktienmarkt spiegle, seien nach zehn bis zwanzig Jahren unter dem Strich alle Kurse und Dividenden gestiegen.