Aktuell gibt es laut Wüest Partner in der Schweiz 931’000 noch nicht nachhaltig beheizte Erstwohngebäude. In der Summe sind das 553’000 Einfamilienhäuser, 100’000 Eigentums- sowie 278’000 Mietmehrfamilienhäuser. Von den Letztgenannten entfällt ein überwiegender Anteil auf Renditeliegenschaften. Doch energetische Sanierungen wie der Einbau einer Wärmepumpe oder eine verbesserte Dämmung sind stets mit Investitionskosten verbunden. Dem gegenüber stehen jedoch positive Effekte: Mit einer energetischen Sanierung steigen zunächst der Wert und die Veräusserbarkeit. Zudem gibt es je nach Standort und Massnahme Fördergelder und/oder Steuerersparnisse. Weiter sinken die Heizkosten, und man muss sich auch nicht mehr mit schwankenden Heizölkosten herumschlagen. Und die Kosten lassen sich oft auf die Bestandsmieten und Nettomieten bei Neuvermietungen überwälzen.
Eine Überschlagsberechnung von Jörg Schläpfer, Head Economics bei Wüest Partner in Zürich, gibt konkrete Hinweise auf die finanziellen Auswirkungen dieser Faktoren bei einem Mehrfamilienhaus in Zürich mit Baujahr 1980 und zwölf Wohnungen: Den Nettoinvestitionen von knapp 700’000 Franken (unter Berücksichtigung von Fördergeldern und Steuerersparnissen) steht eine mögliche Erhöhung der Nettobestandsmiete sowie eine Steigerung des Marktwertes von 10 Prozent gegenüber. Der Return on Investment beträgt 5 Prozent – um so viel übertrifft die Marktwertsteigerung die Nettoinvestitionen. Sein Ratschlag: «Idealerweise passt der Sanierungszyklus des Gebäudes – wie ein notwendiger Heizungsersatz oder die Ertüchtigung der Fenster – zum Lebenszyklus der Bewohnenden. Es ist in der Regel wirtschaftlicher, das Haus zuerst zu verkaufen und dem neuen Besitzer die energetische Sanierung nach dessen Präferenzen zu überlassen.»
Energetische Sanierungen gelten im Mietrecht grundsätzlich als wertvermehrend. «Bei der Heizungssubstitution wird allerdings nur der Teil der Investitionskosten der Wärmepumpe, der den Eins-zu-eins-Ersatz der Ölheizung übersteigt, als wertvermehrend betrachtet», so Schläpfer. «Die Mieter bezahlen eine erhöhte Nettomiete aufgrund der mietrechtlichen Überwälzung der Nebenkosten, aber tiefere Nebenkosten durch die reduzierten Energiekosten.» Höhere Preise für Erdöl und Erdgas verbessern die Wirtschaftlichkeit einer energetischen Sanierung, weil die eingesparten Nebenkosten stärker ins Gewicht fallen. «Tiefere Nebenkosten nützen den aktuellen Bewohnenden, und sie ermöglichen der Vermieterschaft, die Nettomiete höher anzusetzen, wenn die Wohnung in einigen Jahren neu vermietet wird», ergänzt Schläpfer.
Nicht nur das Geld betrachten
«Die gegenwärtige Betrachtung fokussiert oft auf die kurzfristige Amortisation energetischer Einzelmassnahmen», ergänzt Marvin King, Dozent und Programmleiter CAS am Institut für Gebäudetechnik und Energie der Hochschule Luzern (HSLU). «Dabei werden zentrale Werttreiber wie Standortresilienz, regulatorische Anpassungsfähigkeit oder zukünftige Betriebsrisiken kaum einbezogen.» Gerade bei Renditeobjekten werde der Fokus stark auf Nettorendite und Investitionskosten gelegt, während Faktoren wie Lebenszykluskosten, Adaptionsfähigkeit oder graue Energie meist ausserhalb der Bewertungsmodelle bleiben. «Diese Ausblendung kann jedoch zu suboptimalen Entscheidungen führen – sowohl aus ökonomisch/betriebswirtschaftlicher als auch aus gesellschaftlicher Perspektive», sagt King weiter. So führen auch auf europäischer Ebene die CSRD, die überarbeitete EU-Bauprodukteverordnung und neue ökologische Berichtspflichten zu steigendem Druck.» Zudem werde der Markt selektiver: Objekte ohne klare Transformationspfade verlieren an Attraktivität – sei es in der Vermietung, bei der Finanzierung oder in der Transaktion. «Wer heute nur das Minimum macht, riskiert morgen Stranded Assets», warnt der Experte.