Der unter «Stromkennzeichnung» abrufbare Lieferanten-Mix weist für die gesamte Schweiz gegenwärtig (Stand Mitte Januar 2023) einen Anteil von 68,4 Prozent Wasserkraft, 18,5 Prozent Kernenergie und 6,7 Prozent gefördertem Strom aus. Wind- und Solarenergie kommen zusammen auf 4 Prozent. Biomasse, Kohle und Erdgas spielen mit Anteilen unter 1 Prozent keine Rolle.

Je nach Region ergeben sich erhebliche Unterschiede: Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) kommen zu 92 Prozent mit Wasserkraft aus, Atomkraft spielt hier keine Rolle. In Bern liegt der Anteil der Wasserkraft bei 73,4 Prozent, hier steuert Atomkraft fast 15 Prozent zum Strommix bei. Und in Lugano entfallen 65,3 Prozent auf Wasserkraft, aber 26,4 Prozent auf Atomkraft.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

In Effizienz investieren

Mit der geplanten Abschaltung der AKW wird fast ein Drittel der bisherigen Stromproduktion in der Schweiz wegfallen. «Langfristig ist das kein Problem, die Schweiz kann ihren Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen decken», so Jürg Rohrer, Leiter der Forschungsgruppe Erneuerbare Energien an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). «Dabei braucht das nicht einmal 100 Prozent der Zeit der Fall zu sein, vieles lässt sich auch mit den Nachbarländern gemeinsam aufbauen und nutzen.» Das betrifft auch und gerade die Abdeckung kurzer Bedarfsspitzen und die Speicherung von Strom. 

Mit Abstand am meisten Potenzial gibt es laut Rohrer bei der Photovoltaik und bei der Windenergie. Alle anderen Quellen wie Biogas oder Erdwärme haben um Grössenordnungen kleinere Potenziale. Nummer drei der Potenziale sind Effizienzsteigerungen. «Hierzu wird viel zu wenig berichtet», so Rohrer. «Eine Herausforderung hierbei ist
die unübersichtliche Datenlage. Viele wichtige Angaben werden als ‹geheim› deklariert.» Die Verteilnetzbetreiber müssten ihre Daten nicht weiterleiten, und damit gibt es auch keine detaillierte Übersicht über den Verbrauch.

Ideal wäre langfristig eine 50-zu-50-Mischung von Wind- und Solarenergie.

 

Ein weiteres Problem bezüglich der Effizienz liegt an der bisherigen relativen Höhe der Stromrechnungen. Erst wenn die Stromrechnung spürbar wird – bei Firmen vielleicht 10 Prozent der Kosten, bei Privathaushalten ein Mehrfaches der bisherigen Rechnungen –, würde massiv mehr in effizienzsteigernde Massnahmen investiert. Zu den rasch umsetzbaren Massnahmen gehören laut Rohrer Optimierungen bei der Nutzung von Elektromotoren in der Industrie und das Austauschen
von alten Lampen durch LED-Beleuchtungen. «Dadurch hätte man keine geringeren Leistungen, sondern einen deutlichen Minderverbrauch.» Firmen seien oft untätig, weil man die Umstände und Kosten einer Umstellung scheut. «Und es gibt in diesem Bereich auch zu wenige Firmen, die vom breiteren Thema Effizienzsteigerungen auch wirklich profitieren und ein entsprechendes Lobbying betreiben», vermutet Rohrer.

Ideal ist ein ausgewogener Mix

Sowohl für Firmen als auch für Wohnimmobilienbesitzer ist Photovoltaik attraktiv – obwohl man in der Schweiz, anders als in den umliegenden Ländern, lediglich die Investitionskosten der Anlagen subventioniert, aber keine Untergrenzen für die Einspeisung des dadurch produzierten überschüssigen Stroms eingeführt hat. Im Gewerbe und in der Industrie gibt es oft auf den grossen Dächern viel Platz für Photovoltaikanlagen. Und dank neuen Materialien liessen sich auch Fassaden nutzen – die Farben und Strukturen können frei gewählt werden. Ideal wäre laut Rohrer langfristig eine 50-zu-50-Prozent-Mischung von Photovoltaik und Wind in der Schweiz. «Beide ergänzen sich ideal, denn die Windkraft hat im Winter und bei Dunkelheit besonders viel Potenzial, wenn die Solarenergie nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung steht – und umgekehrt.» Allerdings kommen damit auch neue Anforderungen an die Netze – und auch da gibt es Anpassungsbedarf. Derzeit sind zum Beispiel nur Pumpspeicherkraftwerke vom Netzentgelt befreit – lokale Batteriespeicher im Quartier dagegen nicht. Grössere Investitionen in die Netze sind nicht wegen des Ausbaus der Erneuerbaren, sondern primär wegen der Elektromobilität zu erwarten. «Mit der Zunahme der Elektromobilität gerade im Bereich der Nutzfahrzeuge werden die Netze anders und stärker als heute belastet.» Viel schwieriger zu handhaben sind die Kalkulationen zu den Kosten und dem Nutzen von Anlagen der erneuerbaren Energien – denn davon hängt es ab, ob dann auch investiert wird.