Die Schweizer Startup-Szene verzeichnete vergangenes Jahr trotz schwierigem Umfeld einen weiteren Anstieg der eingesammelten Mittel. Gemäss dem jüngsten Bericht des Nachrichtenportals Startupticker und der Investorenvereinigung Seca erhöhte sich die investierte Summe um knapp 30 Prozent.

Was davon in Richtung Smart-City-Themen fliesst, ist gar nicht so einfach abzugrenzen. Hier kommen ICT, Cleantech, Consumer-Produkte und teilweise auch Mikro-/Nanotech-Themen zusammen. «Es sind alles Themen, die in den vergangenen Jahren auf zunehmendes Interesse der Investorinnen und Investoren gestossen sind», sagt Thomas Heimann, stellvertretender Geschäftsführer bei Seca.

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Hier sieht man neben den Aktivitäten der Venture-Capital-Investoren auch die der grossen Unternehmen, die regelmässig in Startups investieren. «Diese Firmen wissen oft nicht, wie genau ihre Wertschöpfungskette in einigen Jahren aussehen wird, aber sie sagen sich, dass man rechtzeitig bei solchen Entwicklungen dabei sein muss», beobachtet Heimann.

Anschubhilfen kommen oft auch von den Startup-Inkubatoren und Accellerators, wo erste Ideen ausprobiert und erstmals getestet werden können. Hierbei engagieren sich einige Firmen (siehe Seite 37). «In der Schweiz entstehen deshalb auch immer wieder interessante Startups im B2B-Bereich, denn der B2C-Bereich ist aufgrund des kleinen Heimmarktes für Investoren oft weniger interessant.» Oft ergänzen sich dann Corporate Venturing und klassische private Finanzierungen, sagt Heimann.

Basis der Lebensqualität

Auch der jüngste Jahresbericht des Swiss ICT Investors Club (Sictic) geht in die gleiche Richtung: Auf Smart-City-Themen wie Proptech (Technologien für Immobilien), Energytech (nachhaltige Heizungs- und Lüftungssysteme) entfallen jeweils vier Startups aus der Schweiz. Indirekt ist das Thema für Investoren viel attraktiver und viel grösser – denn auch Internet of Things, Drohnen, Kommunikationstechnologien, Sensoren und künstliche Intelligenz sind in den urbanen Gebieten unabdingbar. Ein schweizerisches Beispiel für das Zusammenwirken solcher Technologien ist Cortexia.

«Bis vor kurzem ging es bei Smart Cities vor allem um Technologie: Infrastruktur, Beleuchtung, Mobilität, Parkplätze», sagt Andréas von Kaenel, CEO von Cortexia, das seinen Sitz in Châtel-Saint-Denis in der Nähe von Vevey hat. «Wenn Sie aber die Einwohner nach ihren Erwartungen fragen, dann hören Sie, dass Sauberkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit die vorrangigen Anliegen sind.» Aus Sicht der Einwohnerinnen und Einwohner ist die Sauberkeit ein wesentlicher Teil der Lebensqualität. Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel sind die meistbesuchten Orte in Städten und oft auch Hotspots der Verschmutzung. Häufig gibt es eine geteilte Verantwortung für ihre Instandhaltung. Eine objektive Messung der Sauberkeit hilft auch hier, die Reinigung zu optimieren und die Zufriedenheit der Nutzer zu erhöhen. «Die Sauberkeit ist aber bisher kaum qualifizierbar gewesen», so von Kaenel weiter.

Mit einer Kamera wird der Müll, der auf der Strasse liegt, vom System des Unternehmens automatisiert erkannt, und daraus wird ein Sauberkeitsindex (Clean City Index) errechnet. Die auf diese Weise gesammelten Daten werden den Kundinnen und Kunden über ein Dashboard zur Verfügung gestellt.

Rohstoff für Smart Cities

«Wir arbeiten daran, dass wir die Sauberkeitsdaten der Vergangenheit mit weiteren Daten kreuzen, wie beispielsweise Wetterdaten oder Daten vom Verkehr, um Vorhersagen treffen zu können, wann wo wie viel Müll liegt beziehungsweise wann er mit welchen Maschinen gereinigt werden muss», sagt von Kaenel. Das sei ein Schritt hin zu einer Automatisierung, bei der für die Reinigung genau die optimalen Ressourcen eingeplant werden.

«Smart-City-Lösungen mit den dazugehörenden Daten liefern ein Instrument zur messbaren Verbesserung der Qualität der Leistungen», sagt von Kaenel. «Die grössten Herausforderungen bestehen daher darin, die Stadtreinigung davon zu überzeugen, ihre Arbeitsweise zu einem echt qualitätsorientierten System zu verändern, das sich flexibel und bedarfsorientiert an die sich wandelnden Smart Cities anpasst.»

Cortexia wurde 2016 gegründet und ist mittlerweile auf 15 Mitarbeitende und eine zweite Filiale in Frankreich angewachsen. «Wir haben in der Schweiz und Frankreich bereits langjährige Kundinnen und Kunden und Pilotprojekte auch in Deutschland, den Niederlanden und Italien», sagt von Kaenel.

Möglicherweise entsteht mit Startups wie Cortexia gerade eine neue Venture-Capital-Kategorie. Global ist Indien gegenwärtig einer der führenden Startup-Standorte für solche Themen. Venture-Capital-Investoren haben hier bis zu 60 Millionen Dollar investiert. Firmen wie Citizengage, Saahas Zero Waste, ExtraCarbon und Hasiru Dala kombinieren jeweils die neusten Technologien – und binden die Menschen vor Ort jeweils direkt mit ein: Sowohl als Hilfskräfte bei der Verarbeitung wie auch als Gestalter smarter Städte, bei denen der Müll der einen Menschen und Organisationen zum Rohstoff der anderen wird.