In den 1990er-Jahren sorgte der deutsche Wirtschaftsprofessor und Unternehmensberater Hermann Simon für Aufsehen. Er forschte damals eingehend zu Unternehmen, die in der breiten Bevölkerung kaum bekannt sind, obwohl sie äusserst erfolgreich sind. Er bezeichnete solche Firmen als die «heimlichen Gewinner» der Wirtschaft, als «Hidden Champions». Es sind meist industrielle KMU, die in ihrer Nische Marktführer sind. Sie zeichnen sich durch einen hohen Innovationsgrad, Spezialisierung, Internationalisierung und eine oft familiäre Unternehmenskultur aus.
Die Schweiz ist ein ideales Biotop für den Aufbau und die Umsetzung innovativer Geschäftsideen, was die hohe Anzahl von teilweise seit Jahrzehnten erfolgreich tätigen Unternehmen zeigt. Auch in der Zentralschweiz. Firmen wie Maxon Motor, Bossard, Dätwyler, Thermoplan, Garaventa, Max Felchlin, Komax, Bucher Emhart Glass und Bucher Hydraulics. Und doch, diese Unternehmen scheinen heute einem breiteren Bevölkerungskreis bekannt zu sein, womit das «hidden» wenigstens teilweise wegfällt. Aber auch kleinere, nicht kotierte Unternehmen können in ihrer Nische Grosses leisten – auch international. Und von diesen gibt es viele, wie die Mitgliederliste der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ) deutlich macht.
Gefragte Produkte
Da ist zum Beispiel Küchler Technik mit Sitz in Kriens, seit über 25 Jahren ein innovativer Dienstleistungspartner für alle Unternehmen im Spezialtiefbau. Küchler Technik hat im Rahmen des diesjährigen IHZ-Innovationspreises einen Anerkennungspreis gewonnen (siehe Text unten auf der Seite). Und zwar für das Küchler Permanent System, eine neuartige und weltweit einmalige Selbstbohrlösung für sichere und langlebige Verankerungen im Spezialtiefbau.
Oder SQ Products aus Inwil, ein internationaler Zulieferer in der Human- und Veterinärmedizintechnik. Der Fokus liegt auf Endoprothesen, die Gelenke im Körper dauerhaft ersetzen, sowie auf den chirurgischen Instrumenten, mit denen die Prothesen implantiert werden. Seit 1972 hat sich das Unternehmen zu einem etablierten Lieferanten für medizinische Implantate und chirurgische Instrumente entwickelt. Heute stellen über neunzig Angestellte jährlich über 300 000 Artikel her. Ein weiteres Beispiel: Die Pick-and-Place-Lösungen für ausgeklügelte Dosieranlagen von Essemtec sind ebenfalls auf allen fünf Kontisnenten zu finden. Das Unternehmen aus Aesch ist ein weltweit führender Hersteller von Bestückungs- und Dosierautomaten.

Der CEO von Essemtec: Olivier Carnal.
Das Interesse an solchen Unternehmen wächst. So stellt beispielsweise die «Luzerner Zeitung» in der Serie «Zentralschweizer Perlen» Firmen vor, die man in der Öffentlichkeit wenig wahrnimmt, die aber zu den Marktführern in ihrem Bereich zählen. An die Weltspitze geschafft hat es zum Beispiel das Familienunternehmen Iseli & Co. aus Schötz, ein führender Anbieter von Lösungen in der Sägeund Schärftechnologie. Iseli ist ein international agierendes Unternehmen mit einer starken Präsenz auf den globalen Märkten, dies dank der Zusammenarbeit mit einem globalen Netzwerk von Geschäftspartnern, welche das Stammhaus in Schötz ergänzen und damit die Reichweite vergrössern. An die weltweite Spitze hat es auch die Stadler Form in Zug geschafft, und zwar mit Luftverbesserungsgeräten – «ästhetischen und praktischen Haushaltsgeräten», die das Raumklima und das Wohlbefinden verbessern, so die Eigenwerbung. Heute sind die Produkte von Stadler Form auf der ganzen Welt zu finden. Inzwischen besteht eine internationale Zusammenarbeit in über fünfzig Ländern.
Aus Reiden stammt der Marktleader für automatisierten Personen- und Güterschutz an der Schiene: die Firma Schweizer Electronic. Bahnautomation und hoch verfügbare Funksysteme ergänzen Produktpalette und Marktsegmente. Die Gruppe hat Niederlassungen in Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, Grossbritannien, Spanien und Kanada. Schweizer Electronic realisiert Sicherheit mittels Technik. In den Kernbereichen der Kontisicheren Funkfernübertragung, im Arbeitsschutz auf den Bahnbaustellen und in der Bahnautomation baut die Gruppe ihre Marktführerschaft weiter aus.

Nils Hartmann, Philipp Iseli und Christian Iseli (von links) von Iseli & Co.
Ein globales Gesundheitsunternehmen ist Octapharma. Die Firma befindet sich seit ihrer Gründung im Jahr 1983 in Familienbesitz und ist gemäss eigenen Angaben der grösste familiengeführte Plasmafraktionierer der Welt. Die Produkte sind in 120 Ländern erhältlich. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Lachen konzentriert sich auf die drei therapeutischen Bereiche Hämophilie, Immunologie und Intensivmedizin und ist damit einer der grössten Hersteller von Humanproteinprodukten. Entwickelt werden die Medikamente auf der Basis von Humanproteinen aus humanen Zelllinien und Humanplasma, das grösstenteils aus den eigenen Plasmaspendezentren stammt.
Mangel an qualifizierten Arbeitskräften
Dies ist nur eine kleine Auswahl verkannter Champions der Zentralschweiz. Solche lassen sich in allen Kantonen finden. Allgemein liegt ihre Stärke in der Konzentration auf bestimmte Marktsegmente und Teilmärkte und der damit einhergehenden Innovationskraft und Forschungsleistung.
Doch so einfach ist das nicht mit Innovationskraft und Forschungsleistung, wie der aktuelle Einkaufsmanagerindex PMI (Purchasing Managers’ Index) des Schwyzer Amts für Wirtschaft und der Schwyzer Kantonalbank zeigt. Im aktuellen PMI wurden Vertiefungsfragen zum Thema Innovation gestellt. Die wichtigsten Erkenntnisse: Bei mehr als der Hälfte der befragten Unternehmen spielt Innovation eine grosse oder sogar sehr grosse Rolle. Entsprechend schreibt sich auch beinahe die Hälfte der Unternehmen eine hohe oder sehr hohe Innovationskompetenz zu. Das grosse Aber: Als grösste Hindernisse für Innovationen gelten fehlende Zeit, hohe Kosten und ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften respektive Know-how. Vielleicht gelingt es den Hidden Champions dank ihrer Nischenpolitik und ihren schwer zu ersetzenden Produkten und Dienstleistungen etwas leichter, solche Hürden zu überwinden.
