Sie sind seit sechs Monaten CEO von Schindler Schweiz. Wie sind Sie gestartet?
Ich habe mich von Anfang an stark auf Kunden und Mitarbeitende fokussiert und sehr viele Einzelgespräche mit Mitarbeitenden geführt.
Mit welchem Ziel?
Um zu spüren, was die Mitarbeitenden beschäftigt: Probleme, Ideen, ihre Zukunftsaussichten. Das war sehr bereichernd. Ich habe auch mit vielen Kundinnen und Kunden gesprochen – an Anlässen hier auf dem Campus und vor Ort.
Was sagen die Kunden?
Erstens wünschen sie sich Geschwindigkeit, wenn sie ein Anliegen haben. Zweitens Professionalität und umsetzbare Lösungen. Drittens: Dass wir genügend Zeit für ihre Anlage haben – unsere Leute betreuen oft viele Kunden, entsprechend ist Zeit knapp. Und natürlich: Wir sind ein Schweizer Unternehmen, es wird Schweizer Qualität erwartet – höchste Qualität in Dienstleistungen, Produkten und Services. Das hört man sehr häufig.
Daraus ergeben sich welche Massnahmen?
Zentral ist, dass wir uns auf die Kundenorientierung fokussieren. Ich sage immer: Wir brauchen eine Obsession für Kunden. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen und schnell und transparent zu sein. Wir haben – nach 150 Jahren erstmals – ein CRM-System eingeführt. Damit professionalisieren wir die Interaktion, werden schneller und transparenter. Früher steckte viel Wissen in Köpfen. War jemand in den Ferien, wussten andere im Team nicht, was besprochen worden war. Zum Beispiel bei überregional tätigen Kunden: Zürich sprach mit ihnen, Genf wusste nichts davon. Mit einem guten CRM kann man das jetzt endlich sauber abbilden.
Was ist für die Mitarbeitenden wichtig?
Eine wichtige Erfahrung für mich war unsere Jubilarenfeier vor zwei Monaten in Luzern: über 340 Mitarbeitende mit zusammen fünftausend Dienstjahren. Wenn man diese Treue und das Herzblut der Mitarbeitenden erlebt und hört, warum sie so lange bleiben, was ihnen gefällt, was besser sein könnte – das ist beeindruckend und sehr lehrreich. Aus meiner Sicht wird das Thema langfristige Bindung immer wichtiger. Wenn es uns gelingt, sinnstiftende Aufgaben zu bieten, internationale Einsätze zu ermöglichen und Entwicklungspfade zu eröffnen, werden wir auch künftig viele Jubilarinnen und Jubilare feiern.
Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger?
Ich setze Akzente: erstens die erwähnte Kundenobsession. Dabei ist die Kundenbetreuung Aufgabe des ganzen Unternehmens, nicht nur des Vertriebs. Zweitens unser externer Auftritt: Wir brauchen mehr Marketing und mehr Kommunikation.
Warum?
Wir werden in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen. Schindler unterstützt und fördert so viel in der Zentralschweiz, aber auch in der ganzen Schweiz. Das müssen wir besser kommunizieren. Zudem möchte ich Leuchtturmprojekte sichtbarer machen: grosse Aufträge wie in Basel bei Roche, den Bahnhof in Bern, neue Einkaufszentren – überall, wo wir liefern.
Auch als Antwort auf den Fachkräftemangel?
Das spielt sicherlich eine Rolle. Wir sind bereits ein grosser Ausbildner: Aktuell beschäftigen wir dreihundert Lernende in zwölf Lehrberufen. Diese Jugend ist unsere Zukunft.
Viele Unternehmen klagen über die Leistungen von Lernenden und verzeichnen viele Abbrüche. Sie auch?
Ja, man muss ehrlich sagen: Es ist anspruchsvoller geworden, 15- oder 16-Jährige vom «Videogame daheim» ins Berufsleben zu führen. Wir haben Betreuung und Onboarding stark angepasst – damit sie dabeibleiben und nicht abbrechen. Wir wollen die Berufsbildung weiter ausbauen. Parallel rekrutieren wir Hochschulabgänger über ein Career-Development-Programm. Aber 70 Prozent unserer Belegschaft sind Feldleute: Servicetechniker, Monteure, Reparateure, Feldtechniker. Dort brauchen wir Zufluss – auch wegen der Babyboomer, die pensioniert werden.
Zur Person
Franz-Xaver Simmen ist seit April 2025 CEO der Schindler Schweiz AG. Der Urner ist seit fast zwanzig Jahren für den Ebikoner Aufzugsund Fahrtreppenhersteller tätig. Dazwischen war er unter anderem vier Jahre lang CEO von Andermatt Swiss Alps. Schindler Schweiz AG Das Luzerner Traditionsunternehmen mit Hauptsitz in Ebikon beschäftigt rund dreitausend Mitarbeitende und gehört zur globalen Schindler-Gruppe. Es entwickelt, produziert, installiert und wartet Aufzüge und Fahrtreppen.
Was tun Sie noch, um die Mitarbeitenden zu halten?
Für die Feldleute erhöhen wir die Attraktivität: Das betrifft Fahrzeuge, Kleidung, Werkzeuge; Unterstützung bei Ruhezeiten, Mittagessen; eine gute Pikettdienst-Organisation – auch um 22 Uhr muss jemand kommen, wenn eine Person stecken bleibt. Jüngere Generationen wünschen klar Freizeit – deshalb gestalten wir Pikettdienste attraktiv. Generell geht es darum, Mitarbeitende in ihrer Lebensphase optimal zu be-gleiten: Der 25-jährige Single hat andere Bedürfnisse als die 35-Jährige mit erstem Kind oder der 57-Jährige in der Spätphase der Karriere. Führung bedeutet zu differenzieren, statt alle gleich zu behandeln – nichts ist ungerechter als Gleichbehandlung. Individuelle Lösungen ja – aber teamverträglich.
Nähe zum Feld – wie bekommen Sie die?
Ich gehe selbst raus. Ich war gerade drei Tage auf Montage – in Monteurkleidern, mit dem Schrauber. Mit einem sehr erfahrenen Zürcher Monteur und einem Integrationslernenden aus dem Iran. Wir haben Material zum Schacht getragen, eine neue Kabine zusammengebaut, Anleitungen durchgespielt. Und eine andere Form, um den direkten Draht zum Aussendienst zu halten: Ich produziere kurze 1-Minuten-Videos mit Updates zu Zahlen und Fokus – per SMS-Link an alle Feldleute. E-Mails liest diese Zielgruppe weniger gern.
Ihre Prioritäten als CEO?
Erstens: Strategieschärfung für Schindler Schweiz – ich bin dazu aktuell auf Roadshow in den Geschäftsstellen. Zweitens: die Kundenorientierung ausbauen: CRM ist ein wichtiges Tool, aber entscheidend ist die Wirkung beim Kunden – Professionalität, Lösungen, Nähe und Information sind gefragt. Drittens: Talente gewinnen, halten und fördern. Wie wollen mehr Dynamik in Karrieren bringen. Ich sage: Ein Manager sollte maximal fünf bis acht Jahre auf einem Stuhl sitzen. Es braucht Bewegung und frische Impulse – für Teams und Resultate.
«Strategieschärfung»?
Wir haben die drei Geschäftsfelder Neuanlagen, Modernisierung und Service. Im Service, unserem umsatzmässig grössten Bereich, wollen wir noch näher an die Kunden. Viele sind langjährig loyal – diese Loyalität wollen wir sichtbarer und erlebbarer machen. In der Modernisierung haben wir in der Schweiz ein sehr altes Portfolio – dort liegt viel Potenzial. Eine dreissig- bis vierzigjährige Anlage braucht ein zweites Leben. Wir bieten dafür massgeschneiderte Lösungen – von Steuerung und Antrieb bis Kabinendesign. Im Neuanlagengeschäft ist der Schweizer Markt stabil, aber wir erleben eine Preiserosion. Unsere Ambition ist es, Standardaufzüge preislich wieder etwas nach oben zu bewegen – die Ausgaben für Löhne und Materialien sind seit Corona gestiegen.
Wettbewerber sind preislich deutlich aggressiver.
Ja, der Wettbewerb hat stark zugenommen. Wir zahlen Schweizer Löhne, bilden hier aus, betreiben zwei Fabriken in der Schweiz – das hat seinen Preis. Im Bau hören unsere Verkäufer oft: «Alles wird teurer – aber für Lifte budgetiere ich weniger.» Das möchten wir wieder angleichen.
Laut den neuen Quartalszahlen hat sich Ihre Ebit-Marge auf 12,5 Prozent verbessert, aber die Auftragseingänge gingen leicht zurück.
Insgesamt sind Konzern und Schweiz stabil unterwegs. Wir leiden unter dem starken Franken. In Landeswährung gerechnet, hatten wir ein kleines Plus bei den Auftragseingängen.
Was könnte in der Schweiz besser laufen?
Im Modernisierungsgeschäft wünsche ich mir mehr Entscheide – wir haben viele Offerten draussen; teilweise wird seit zehn Jahren über Modernisierung gesprochen, ohne eine Entscheidung.
Leiden Sie unter den US-Zöllen?
Ja, als Konzern schon. Wir produzieren zwar auch in den USA, aber gewisse Teile kommen aus der Schweiz und werden jetzt mit den neuen Zöllen belegt. In Locarno beispielsweise haben wir über vierhundert Mitarbeitende und bauen dort auch ein neues Werk in Riazzino.
Was produzieren Sie in den Produktionsstätten im Tessin?
Elektronische Komponenten wie beispielsweise Steuerungen, Frequenzumrichter, PCBs und Tableaus. Hauptsächlich für Europa, aber teilweise auch für den internationalen Markt, inklusive der USA. Was wir heute in die USA liefern, wurde vor zwei Jahren verkauft, Preisanpassungen sind daher schwierig. Die 39 Prozent on top trifft uns, ganz klar. Zumal Wettbewerber vor Ort, etwa Otis, davon weniger betroffen sind. Für Schindler Schweiz sind die direkten finanziellen Auswirkungen gering; stärker spüren wir den starken Franken.
Wie sehr belastet der starke Franken Ihr Geschäft?
Er hält die Inflation tief – das ist gut für Kaufkraft und Investitionen, aber gleichzeitig erhöht er den Wettbewerbsdruck: Ausländische Anbieter werden in der Schweiz preislich noch attraktiver. Das trifft uns.
Was waren wichtige technische Neuerungen in den letzten Jahren?
Zum Beispiel unsere Schindler-Port-Technologie: Sie geben Ihr Zielstockwerk am Terminal ein, die Steuerung bündelt Personenströme und teilt Aufzüge effizient zu – statt überall zu halten. Das bringt massive Effizienzgewinne, wenn man es von Anfang an richtig plant bezüglich der Anzahl der Anlagen und der Verkehrsprofile. Dieses Jahr haben wir in Mailand den Schindler X8 vorgestellt. Ein Aufzug mit neuem Design und Digitalisierung und vielen technischen Innovationen bei Türen, Motoren, Steuerung und Energieeffizienz. Er wurde in der Schweiz entwickelt. Ein Vorteil: Die Befestigung erfolgt frontseitig über die Türschwelle – nicht mehr klassisch über beide Schachtwände. Das reduziert Anforderungen an den Schacht und vereinfacht die Montage.
Wie gut ist der Standort Zentralschweiz?
Die Zentralschweiz ist ein sensationeller Standort: Sie bietet hohe Lebensqualität, gute Bildung, ist sehr wirtschaftsfreundlich – hier engagiert sich der Kanton Luzern stark – und hat eine gute Lage.
Also wunschlos glücklich?
Wo die Politik wirklich helfen kann, ist bei den Baubewilligungsverfahren. Wir haben schweizweit Wohnraumbedarf, Projekte gibt es reihenweise – aber Bewilligungen dauern Jahre, manchmal Jahrzehnte. Die Prozesse sind träge und die Einsprachemöglichkeiten gehen sehr weit. Städte erlauben heute höheres Bauen, aber praktisch scheitert es dann oft an langwierigen Verfahren. Hier wünsche ich mir Beschleunigung, ohne die soziale Rücksicht zu vernachlässigen.

