Konzerne mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro müssen seit Anfang 2024 mindestens 15 Prozent Steuern auf ihren Gewinn zahlen. Wird diese Mindestbesteuerung nicht erreicht, wird der fehlende Betrag mit der nationalen Ergänzungssteuer erhoben. Dabei handelt es sich um eine Bundessteuer, die von den Kantonen verlangt wird. In der Zentralschweiz sind schätzungsweise mehrere Hundert Unternehmen von der neuen Regelung betroffen. Sie schwächt den Standortvorteil von Kantonen mit bisher niedrigen Unternehmenssteuersätzen wie beispielsweise Zug oder Nidwalden.
«Um den Rückgang der steuerlichen Standortattraktivität zu kompensieren, haben verschiedene Kantone Förderpakete entwickelt. Diese Entwicklung führt zu einer Verlagerung vom bisherigen Steuerwettbewerb hin zu einem Subventionswettbewerb», heisst es vonseiten der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ). Zu den Kantonen, die allfällige Einbussen bei der steuerlichen Attraktivität kompensieren möchten, gehört der Kanton Zug. Dieser rechnet auf seinem Kantonsgebiet mit etwa vierhundert von der OECD-Mindeststeuer betroffenen Gesellschaften, wobei mehrere Gesellschaften zum gleichen Konzern gehören können. Zuverlässige Prognosen dazu, welche Unternehmen von der Reform tangiert werden, sind laut Finanzdirektor Heinz Tännler schwierig, denn die Regeln zur OECD-Mindeststeuer und die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen in vielen Staaten würden sich ständig verändern. Ab Frühling 2026 werden die betroffenen Konzerne in der Schweiz ihre erste Ergänzungssteuererklärung einreichen, und erst ab Sommer 2026 wird sich für die Steuerbehörden abzeichnen, wie viele Unternehmen aus welchen Branchen und in welchem Ausmass überhaupt betroffen sind.
Wie Tännler erklärt, sind die Steuererträge der Unternehmen teilweise schon stark angestiegen. «Zumindest zu einem Teil könnte das damit zusammenhängen, dass einige Firmen angesichts der Aussicht auf international steigende Steuerniveaus Reserven nun vorzeitig realisiert haben. Die in gewissen Kantonen gestiegenen Steuererträge der vergangenen Jahre könnten also auch Gewinne umfassen, die künftig nicht mehr auf gleichem Niveau ausfallen werden», sagt Tännler.
Breit abgestützte Förderung
Als Antwort auf die Mindeststeuer wurde im Kanton Zug ein neues Gesetz über Standortentwicklung (GSE) verabschiedet, über das im November abgestimmt wird. Das GSE enthält unter anderem auch Förderbeiträge für Unternehmen, die innovative Tätigkeit und nachhaltiges Wirtschaften im Umfang von 150 Millionen Franken jährlich unterstützen. Von diesen Beiträgen können grundsätzlich alle Unternehmen, vom internationalen Konzern bis hin zum KMU, profitieren.
Auch andere Zentralschweizer Kantone schnüren Förderpakete. In Luzern wird das Investitionsprogramm «Weiterentwicklung der Standortförderung» mit dem Fördersystem «Luzerner Innovationsbeitrag» 2026 im Kantonsrat behandelt (siehe Kasten rechts). Der Kanton Nidwalden plant derweil ein kleines, gezieltes Förderprogramm mit 1,5 Millionen Franken zu den Themen «Forschung und Entwicklung» sowie «ökologische Nachhaltigkeitsmassnahmen».
Die Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz steht solchen Förderinstrumenten kritisch gegenüber. Subventions- und Fördersysteme seien mit einem erhöhten administrativen Aufwand für die Verwaltung und die Unternehmen verbunden. Darüber hinaus entstünden politökonomische Anreize, wonach verschiedene Interessengruppen versuchen würden, ihre spezifischen Anliegen – etwa umwelt- oder sozialpolitische Zielsetzungen – in die Förderpakete einfliessen zu lassen. «Die OECD beobachtet diese kantonalen Förderinstrumente aufmerksam, um potenzielle Umgehungen der Mindeststeuer zu identifizieren», erklärt Yves Spühler, Leiter Wirtschaftspolitik und Ökonomie bei der IHZ. «Bemerkenswert erscheint, dass gerade die Kantone, die durch die OECD-Mindeststeuer den grössten Einbruch ihrer steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit erleiden, den zusätzlichen Einnahmen scheinbar positiv gegenüberstehen und sich auf deren Verteilung konzentrieren» sagt Spühler. Dies stehe in einem gewissen Widerspruch zur Absicht der OECD, die betroffenen Kantone als Tiefsteuerjurisdiktionen mit der globalen Mindeststeuer gezielt zu benachteiligen.
«Die Attraktivität eines Standorts basiert nicht nur auf günstigen Steuern»

Regierungsrat Heinz Tännler ist Finanzdirektor des Kantons Zug. Er erklärt, wie die OECD-Mindeststeuer Standortstrategien und Investitionsentscheidungen beeinflusst.
INTERVIEW: DENISE WEISFLOG
Wie reagieren die betroffenen Konzerne im Kanton Zug auf die Mindeststeuer?
Aus der Wirtschaft gibt es unterschiedliche Signale. Ein Teil der Unternehmen zeigt sich wenig betroffen, andere denken in Szenarien sowohl für eine Stärkung ihrer Aktivitäten im Kanton Zug und in der Schweiz als auch in die Gegenrichtung für eine Verlagerung von Teilbereichen oder Funktionen an andere Standorte. Angesichts der grossen internationalen Unsicherheiten – nicht nur im Steuerbereich, sondern etwa auch bei den Zöllen und ganz generell im politischen Umfeld – belassen es viele Unternehmen im Moment beim Planen von Szenarien, ohne diese jetzt schon umzusetzen oder offenzulegen.
Doch es gab einzelne Fälle von Standortverlegungen?
Allfällige Verlagerungen haben gemäss unserer Wahrnehmung im Moment weniger mit der OECD-Mindeststeuer zu tun, sondern eher mit unternehmensspezifischen Sonderfaktoren, zum Beispiel im Fall von Zusammenschlüssen oder Umstrukturierungen. Und wir beobachten nach wie vor auch interessante Zuzüge und einen Ausbau von Aktivitäten bestehender Unternehmensgruppen in unserem Kanton. Man kann also sicher nicht von einer systematischen Bewegung nur in eine Richtung sprechen.
Was empfehlen Sie Unternehmen im Zusammenhang mit der Mindeststeuer?
Kurzfristig, dass sich Unternehmen nicht von alarmistischen Meldungen verunsichern lassen sollten. Insbesondere gilt es, unüberlegte Entscheidungen unter vermeintlichem Zeitdruck zu vermeiden. Mittel- und längerfristig wird empfohlen, in Szenarien zu planen und zuversichtlich zu bleiben. Die Schweiz und insbesondere der Kanton Zug haben wiederholt bewiesen, dass sie alles daran setzen, auch künftig als Unternehmensstandort attraktiv zu sein. Die Attraktivität eines Standorts basiert nicht nur auf günstigen Steuern. Vielmehr müssen zahlreiche Faktoren zusammenspielen, damit ein Standort national und international ein überzeugendes Gesamtpaket bieten kann. Die in der Schweiz tätigen Unternehmen haben wiederholt gezeigt, dass sie sich mit Geschick und Fleiss an veränderte Rahmenbedingungen anpassen und neue Chancen ergreifen können. Tännler sieht die Mindeststeuer ganz entspannt.
Luzerner Standortförderung
Um die Wettbewerbsfähigkeit des Lebens- und Wirtschaftsraums Luzern zu erhalten, hat der Regierungsrat eine Vorlage zur Weiterentwicklung der Standortförderung erarbeitet, die vorsieht, dass der Kanton Luzern ab 2026 jährlich 300 Millionen Franken in ein breites Massnahmenpaket investiert. Damit soll das Risiko gemindert werden, dass Arbeitsplätze und Steuereinnahmen aus dem Kanton abwandern sowie künftige Investitionen nicht mehr in Luzern getätigt werden. Insgesamt steht ein Fiskalertrag von über 1,1 Milliarden Franken für den Bund, den Kanton Luzern und die Gemeinden auf dem Spiel, wenn von der OECD-Mindeststeuer betroffene Unternehmen abwandern. Der Schwerpunkt der Massnahmen zugunsten der Luzerner Unternehmen liegt auf der Innovationsförderung und der Verbesserung der Rahmenbedingungen in Bereichen der Digitalisierung, auf der Verfügbarkeit von Wirtschaftsflächen und auf einer kundenorientierten Verwaltung. Die Massnahmen zugunsten der Bevölkerung fokussieren auf Verbesserungen in den Bereichen Steuerbelastung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Kultur und Digitalisierung. Die Beratung im Kantonsrat findet Anfang 2026 statt, eine Volksabstimmung ist für September 2026 geplant. Ziel ist das Inkrafttreten der Vorlage per 1. Oktober 2026.

