Der von Schweizer Uhren im Jahr 2021 erreichte Exportwert betrug 21,2 Milliarden Franken. Schaut man auf die aktuellen Zahlen, kann man davon ausgehen, dass diese Zahl 2022 erneut übertroffen wird – denn im Vergleich zur Vorjahresperiode von Januar bis Ende September haben die Exporte in diesem Jahr wertmässig um 12,6 Prozent und erfreulicherweise auch mengenmässig um 4,1 Prozent zugelegt. Diese Entwicklung ist nicht selbstverständlich und zeigt, dass sich die Branche gekonnt an ein sich veränderndes Umfeld angepasst hat.

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Lockdowns und lokale Covid-19-Restriktionen hatten im Frühjahr zu einem massiven Rückgang der Exporte nach China geführt (siehe auch Seite 3). Diese haben sich in den letzten Monaten zwar erholt, aber die Unsicherheit bleibt. Im Gegensatz zu China ist in den USA seit dem pandemiebedingten Tiefpunkt ein Aufwärtstrend ersichtlich.

Die USA sind das zweite Jahr in Folge der wichtigste Exportmarkt für Schweizer Uhren; deren Absatz entwickelt sich dank hohem E-Commerce-Anteil und wachsender Affinität für das Premiumsegment stark.

Die Autoren

Karine Szegedi, Leiterin Konsum- und Luxusgüterindustrie, und Damian Rohr, Ökonom im Research-Team, Deloitte Schweiz, Zürich.

Deloittes Untersuchung der Schweizer Uhrenindustrie zeigt, dass deren Führungskräfte besonders im Falle der USA und des Nahen Ostens sowie des Hochpreissegments von einem soliden Wachstum für 2023 ausgehen. Die Branche insgesamt sieht trotz diversen Risiken wie Inflation, Problemen bei den Lieferketten oder dem starken Schweizer Franken mit 57 Prozent mehrheitlich positiv
in die nächsten zwölf Monate (siehe Grafik rechts).

Mit Gebrauchtuhren zum schnellen Geld

Der Sekundärmarkt von Luxusuhren (Certified Pre-Owned, CPO) hat sich in den letzten Jahren stark profiliert. Die Zeiten, in denen der Handel mit gebrauchten Uhren ein zwielichtiges Image besass und von Misstrauen und Fälschungen geprägt war, sind vorbei.

Vorwiegend jüngere Konsumentinnen und Konsumenten unter vierzig Jahren sind am Kauf gebrauchter Uhren interessiert. Die Motivation dafür sind vor allem tiefere Preise, Nachhaltigkeit oder die Möglichkeit, auf diesem Weg ein seltenes Modell zu erwerben.

Beinahe ein Viertel der Konsumentinnen und Konsumenten kauft übrigens eine Uhr als Investment – oder verkauft sie zu einem höheren Preis wieder. Dies ist besonders in Asien der Fall. Das schnelle Geld ist verlockender,
als langfristig in ein Familienerbstück zu investieren.

Die steigende Nachfrage hat die Preise auf dem Sekundärmarkt in die Höhe getrieben und viele Uhrenliebhaber und Branchenpuristen verärgert. Häufig handelt es sich dabei um Luxusuhren, aber nicht nur: Die MoonSwatch, das Gemeinschaftsprojekt von Swatch und Omega in Anlehnung an die legendäre Speedmaster Moonwatch von Omega, sorgte für lange Warteschlangen und lockte viele Spekulanten und Spekulantinnen an. Es bleibt abzuwarten, ob diese längerfristig zu Fans hochwertiger Schweizer Handwerkskunst werden können.

Auf den Handelsplätzen für Luxusuhren ist es in den letzten Monaten wie an der Börse zu einer Kurskorrektur gekommen: Der Subdial-50-Index, der die Preisentwicklung der 50 meistgehandelten Uhren abbildet, ist seit März 2022 um rund einen Viertel gesunken.

Dieser Rückgang bedeutet aber nicht, dass der Sekundärmarkt schrumpfen wird – im Gegenteil: Deloitte geht davon aus, dass der globale Gebrauchtmarkt bis 2030 von aktuell rund 20 Milliarden auf 35 Milliarden Franken anwachsen und mehr als die Hälfte des Primärmarktes ausmachen wird. Getrieben wird das starke Wachstum vor allem durch die Lancierung von neuen Angeboten, den weiteren Ausbau bestehender Kanäle und das wachsende Interesse der jüngeren und verstärkt weiblichen Zielgruppen.

Der Sekundärmarkt belebt die Sichtbarkeit

In der Deloitte-Umfrage haben über 70 Prozent der hiesigen Uhrenmarken angegeben, dass der Gebrauchtmarkt einen positiven Einfluss auf die Markenwahrnehmung ausübt; sie begrüssen den positiven Nebeneffekt auf das Bewusstsein und die Sichtbarkeit der Uhrenindustrie insgesamt. Die meisten verwalten den Wert ihrer Uhren aktiv durch Rückkaufprogramme, durch Steuerung der Produktionsmenge – oder sie nehmen Produkte aus dem Sortiment, damit sie exklusiv bleiben.

Grafik Deloitte
Quelle: Handelszeitung

Lange hatte ein digitales Bild oder Kunstwerk ökonomisch betrachtet eigentlich keinen Wert. Seit der Einführung von Non-Fungible Token (kurz NFT) ist dies nicht mehr der Fall. Dank den digitalen Eigentumszertifikaten ist das Prinzip der Einzigartigkeit in die digitale Welt gekommen. Was einzigartig ist, wird gesammelt, getauscht und gewinnt bei hoher Nachfrage an Wert.

Dieser Trend ist in der Uhrenindustrie angekommen: 2021 brachte Louis Erard den ersten digitalen Zwilling einer Schweizer Uhr als NFT auf den Markt, und Louis Moinet verkaufte – basierend auf ihrer Uhr Space Revolution – innerhalb von sieben Minuten 1000 NFT.

Mehr als die Hälfte der befragten Marken will im nächsten Jahr ein NFT-Projekt lancieren. Dabei handelt es sich vor allem um digitale Kopien von echten Uhren oder um Echtheitszertifikate. Es gibt aber auch physische Smartwatches, die animierte oder statische NFT-Kunstwerke als Zifferblatt anzeigen können.

Ist der NFT-Hype ein echtes Kundenbedürfnis oder nur ein kurzfristiger Trend, getrieben von der Angst, etwas zu verpassen, und dem Ansinnen, schnell das grosse Geld zu machen? Zwei von fünf Konsumentinnen und Konsumenten sind laut weltweiter Umfrage an NFT-Uhren interessiert, vor allem motiviert durch das besonders grosse Interesse der jüngeren Generationen aus China und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Diese Konsumgruppe sieht NFT vor allem als Investment und geht davon aus, dass sie der grosse nächste Trend sein werden. Zudem spielt auch die Nutzung als Accessoire im Metaverse eine Rolle. NFT als Echtheitszertifikate für eine physische Uhr sind nur für knapp einen Drittel der Befragten eine mögliche Motivation.

Der zukünftige Erfolg der Schweizer Uhrenindustrie hängt davon ab, ob sie ihr Erbe respektiert und gleichzeitig die Möglichkeiten nutzt, die vor ihr liegen. Mit ihrer Langlebigkeit und ihrer innovativen Denkweise, gepaart mit ihrem Geist und ihrer Leidenschaft, verfügt sie über alle Komponenten, die sie braucht, um sich erfolgreich für die Zukunft aufzustellen.

Sicherung der Identität

Bucherer-Gruppe Ob gerechtfertigt oder nicht: Uhrenher-steller profitieren vom NFT--Hype und zeigen, dass sie nicht vor neuen Trends und Technologien zurückschrecken, sondern in Zusammenarbeit mit Partnern eine aktive Rolle spielen und Präsenz markieren. So hat etwa der Luzerner -Uhren- und Schmuckhändler Bucherer kürzlich die Über-nahme des Zürcher Startups Adresta bekannt gegeben. Das Techno-logieunternehmen entwickelt unter anderem Blockchain--basierte Echtheitsnachweise für Uhren und wird per sofort in die Firma Bucherer integriert. Bucherer will -damit einen wichtigen Meilenstein im Ausbau des gesamten digitalen Angebots und des Einkaufserlebnisses für potenzielle Käufer und Käuferinnen von Luxus-uhren und -schmuck setzen. Dabei soll es um neue Standards zur Sicherung digitaler Identitäten von Luxusgütern gehen, sprich digitale Zertifikate, die für Nutzerinnen und Nutzer auf einer SaaS-Plattform und via Mobile-App jederzeit zugänglich sind. Dies ermöglicht unter anderem einen fälschungssicheren -Eigentums- und Echtheitsnachweis, insbesondere für Käufer und Käuferinnen von Uhren aus Vorbesitz. Dies passt zu Bucherers Aktivitäten im Certified-Pre-Owned-Markt mit Uhren seit 2019. Ein Teil des Gründerteams rund um Adresta-CEO Mathew Chittazhathu wird im Rahmen der Firmenübernahme bei Bucherer angestellt. (hz)