Anlagefonds rund um Videogames und E-Sports haben innert weniger Monate um 30 Prozent zugelegt. In Einzelfällen sogar um 50 Prozent. Sie gelten derzeit darum als «heisse» Themenfonds. Noch vor einem halben Jahr trafen sie auf Skepsis, ja Ablehnung. «Unsinn», war beispielsweise das Verdikt des VZ Vermögenszentrums. Doch die Coronakrise, der Lockdown und die damit verbundene häusliche Langeweile haben viele Menschen an die Spielkonsole oder zum Mobile-Gamen gebracht.

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Doch nun sind wieder Natur, frische Luft, freie Bewegung, lang vermisste Freunde und Bekannte angesagt. Die Spielkonsole bleibt liegen, die Gaming-App unberührt. «Das typische Schicksal eines reinen Modetrends», ist Dalibor Kolcava vom VZ überzeugt. Der Erfolg solcher Themenfonds mag noch einige Zeit anhalten, aber es sind keine echten Trends, schon gar keine Megatrends. Langfristig würden sie darum wieder verlieren, erwartet Kolcava.

Ein ähnliches Schicksal erleben und erlebten Einzelthemen wie 3-D-Druck, Batterien, 5G oder Cannabis. Jürg Rimle, Schweiz-Chef von Fidelity International, sieht beispielsweise das Strohfeuer um das teillegalisierte Cannabis als Inbegriff eines nicht nachhaltigen Hypes: «Mittlerweile sind viele Anbieter bereits wieder vom Markt verschwunden», konstatiert er. Zu eng gefasst, zu kurzfristig gedacht, lautet darum die weitverbreitete Meinung vieler Asset Manager und Anlageexperten.

Megatrends können versanden

Doch auch Megatrends – definitionsgemäss also langfristige, fundamentale Systemveränderer – bieten nicht automatisch Garantie auf den Sechser im Lotto. Jeder Megatrend hat seine Halbwertszeit. Und die ist oft kürzer als ein Jahrzehnt. Ganz in Analogie zu radioaktiven Stoffen heisst das nicht, dass sie nach ein paar Jahren schon vorüber wären. Doch sie verlieren über die Zeit an Aktivität, an Virulenz und damit die Aufmerksamkeit der Anleger. Ein typisches Beispiel dafür ist die Interneteuphorie der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts: Alles, was mit Internet zu tun hatte, ein X im Namen trug, galt als ultimative Technologie. Bezahlt wurden Fantasiepreise. Bis die Blase 2001 platzte und bei den Anlegern und Spekulanten Katzenjammer ausbrach. Selbstverständlich lag das nicht am Internet und an den Möglichkeiten, die es eröffnete, sondern am Hype darum herum. Die Spreu musste sich erst einmal vom Weizen trennen, ein für manchen Anleger teurer und schmerzhafter Prozess. Doch auch ohne Kollaps wäre «das Internet» längst kein Megatrend mehr, sondern schlicht eine Selbstverständlichkeit, die praktisch in allen Lebensbereichen Einzug gehalten hat.

Ähnliches gilt für die Digitalisierungswelle nach dem Jahr 2000. Sie hat praktisch die gesamte Wirtschaft erfasst. Finanzgeschäfte werden selbstverständlich online abgewickelt. In einem durchschnittlichen Auto stecken Hunderte von Sensoren und Dutzende von Computern. Und selbst der Landwirt erfasst die Milchmenge oder die ausgebrachten Pestizide heute digital. Kein bedeutendes Unternehmen mehr, das seine Prozesse nicht digitalisiert und in seine Produkte und Dienstleistungen nicht digitale Komponenten integriert hätte. Digitalisierung ist längst kein Trend mehr, sondern eine Selbstverständlichkeit.

Digitalisierung und Nachhaltigkeit gehören inzwischen zum Alltag

Dasselbe Schicksal hat in den letzten Jahren den Megatrend «Nachhaltigkeit» ereilt. Nachhaltigkeit ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr, sondern wird von sehr vielen Anlegerinnen und Anlegern ganz einfach erwartet, egal ob es dabei um Chemie, Maschinen, IT oder Energie geht. Geld lässt sich damit nicht mehr verdienen. Es gilt bloss das Gegenteil: Wer die ESG-Kriterien (Ecology, Social, Governance) vernachlässigt, wird schlicht ausgesondert und verschwindet langfristig vom Markt. So haben sich laut neuster SSF-Studie (Swiss Sustainable Finance 2020) bereits 37 Prozent aller in der Schweiz verfügbaren Fonds explizit das Label «Nachhaltigkeit» verpasst. Viele weitere beachten Nachhaltigkeitskriterien ebenfalls, ohne speziell damit zu werben. UBS beispielsweise behauptet von sich, bereits bei 80 Prozent ihrer Vorsorgeprodukte auf Nachhaltigkeit zu achten, und bald sollen es gar 100 Prozent sein.

Die Megatrends der kommenden Jahrzehnte

Fragt sich also, welches die Megatrends der angebrochenen Zwanzigerjahre und darüber hinaus sind. Oft sind es Sprösslinge, die einem ehemaligen Megatrend entwachsen sind, sich emanzipiert haben und selbst gross geworden sind. Dazu gehören Cloud-Lösungen, Cybersecurity und künstliche Intelligenz (KI) als zukunftsträchtige Teile der Digitalisierung. Ob Robotics bereits in der wirtschaftlichen Normalität angekommen sind – und damit aus Anlegersicht an Attraktivität verlieren – oder ob sie einen weiteren Zukunftsschub erhalten, ist unter Experten umstritten. Morningstar und Pictet beispielsweise verheissen der Automation eine goldene Zukunft, weil die Produktion künftig wieder näher an die Märkte rücke, wo die Arbeitskräfte teuer sind. VZ-Analyst Kolcava hält das Thema für «gelaufen».

Im Bereich der Nachhaltigkeit sind weiterhin und zunehmend Technologien im Trend, die der Klimaerwärmung entgegenwirken. Im Zentrum stehen dabei alternative Energien. Aber auch sauberes Wasser in genügender Menge erweist sich als Langfristtrend, mit dem Anleger gutes Geld verdienen. «Wir achten darauf, dass ein Thema stets von mehreren Trends unterstützt wird», sagt Markus Signer, Fondschef Schweiz bei Pictet. Dadurch soll verhindert werden, dass man bloss kurzfristigen Modeerscheinungen aufsitzt, statt im Megatrend mitzusurfen. In Zusammenarbeit mit dem Copenhagen Institute for Future Studies hat Pictet gleich 14 Megatrends ausgemacht (Auswahl der wichtigsten in der Tabelle unten). Die Privatbank hat sie zu 12 Anlagethemen verdichtet. Besonders erfolgreich sind derzeit Wasser, Biotech und Robotics.

Das Geschäft mit den Senioren

Als Megatrend verkaufen praktisch alle Fondshäuser die sogenannte Silver oder wahlweise auch Golden Economy – also das Business mit den Senioren. Doch da ist Vorsicht angebracht. Angesichts des «demografischen Wandels» (vulgo Überalterung der Gesellschaft) sind weiterhin stark steigende Gesundheitskosten absehbar. Das betrifft beispielsweise die Kosten für spezialisierte und sogar individualisierte Medikamente. Biotech und Gentherapie sind darum bei vielen Fondshäusern als Thema hoch im Kurs. Wer die neuen Einhörner – die Milliardengewinner – unter den Pharmafirmen sein werden, ist allerdings noch nicht ausgemacht.

Gerade hier gilt, was eine neue Morningstar-Studie für die ganze Palette an Themenfonds festhält: «Ein gut gefüllter Friedhof.» 80 Prozent der Themenfonds, die vor 2012 lanciert wurden, seien bereits wieder vom Markt verschwunden. Altersheime und Seniorenresidenzen haben an Attraktivität verloren, spätestens seit die Coronakrise gezeigt hat, wie lebensbedrohlich ein Heimaufenthalt sein kann. Lieber lässt man sich bis zu seinem Lebensende zu Hause pflegen, zur Not rund um die Uhr – moderne Spitex-Organisationen machen es möglich. Und selbst die scheinbar unumkehrbare Zunahme unserer Lebenserwartung steht auf dem Prüfstand. Eine neue Pandemie könnte zur Stagnation oder gar zur Abnahme führen. Henk Grootveld, Head of Trends Investing, sieht in der «Silver Economy» dennoch einen der wichtigsten Megatrends. «Künftig könnten die Pensionäre ein Drittel des globalen Konsumwachstums generieren», prophezeit er.

Urbanes Leben und Mobilität

Bevölkerungswachstum und eine zunehmend erstarkende Mittelschicht in den Schwellenländern sind Treiber für ein steigendes Bedürfnis nach Bildung. «Tief greifende Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund technologischer Innovationen und die zunehmende Privatisierung des Ausbildungssektors machen das Thema Bildung zu einer attraktiven Anlagemöglichkeit», meint etwa Themenfondsexperte Vafa Ahmadi. «Im Bildungsmarkt ist die Technologie auf dem Vormarsch», sagt Angus Muirhead, Leiter des Themen-Teams bei Credit Suisse Asset Management. Das eröffne Opportunitäten für Fondsanleger. Einigkeit herrscht auch darüber, dass die Infrastruktur weltweit verstärkt ausgebaut werden muss. Das gilt für Stromnetze ebenso wie für Strassenbauten, Staudämme, Containerhäfen oder Eisenbahnen. Treiber dazu seien nicht zuletzt die chinesischen Ambitionen mit der Seidenstrasse. Zur Infrastruktur gehören aber auch Wohnbauten, namentlich für Menschen mit niedrigem Einkommen in Schwellenländern und erschwinglicher Wohnraum in Industrieländern. Bis vor Kurzem hätte ganz natürlich auch der Flugverkehr zur Aufzählung gehört. Doch auch da hat die Coronakrise gezeigt, wie rasch selbst lang andauernde Megatrends ihren Stellenwert verlieren können.

Nach monatelangem Grounding ganzer Flugzeugflotten hat der internationale Flugverkehr zwar wieder etwas abgehoben. Von den Rekordwerten des Jahres 2019 sind wir aber noch weit entfernt. Selbst optimistische Fluggesellschaften und Branchenexperten rechnen frühestens mit 2023, bis die alten Werte wieder erreicht sind. Pessimisten glauben gar nicht mehr daran, dass das Fliegen seinen alten Stellenwert wieder erlangt. Wenigstens so lange nicht, als Flugzeuge als Dreck- und CO2-Schleudern gelten. Sie rechnen erst mit neuen Höhenflügen, wenn alternative Treibstoffe wie synthetisches Kerosin, Wasserstoff- oder Elektroantrieb dem Fliegen zu neuem Nimbus verhelfen. Unter den gleichen Image- und Öko-Problemen leiden auch die Kreuzfahrtunternehmen, ja der gesamte international ausgerichtete Reisetourismus sowie die Luxusindustrie, die in den letzten Jahren von einem riesigen Boom profitierten.

Verheissungen in den Sternen

Wer weiter hinaus denkt, begibt sich auf wackliges Terrain: Privat finanzierte Raumfahrt, Touristenflüge in den Orbit, Transportflüge zur Raumstation, Kommunikationssatelliten in grosser Zahl rund um den Globus, bemannte Mondflüge, ja selbst der Vorstoss zum Mars gelten als «the last big thing». Allerspätestens seit Elon Musk, Jeff Bezos und Richard Branson vorgemacht haben, dass es technisch möglich ist und sich vielleicht auch Geld damit verdienen lässt. Vergessen geht dabei aber, dass es sich letztlich um hochspekulative Anlagen handelt, die erst noch beweisen müssen, dass es sich um einen gewinnbringenden Megatrend und nicht um ein Milliarden verschlingendes schwarzes Loch handelt.

Aber auch vermeintlich Banales kann sich als Luftschloss entpuppen – wenigstens noch auf lange Sicht. So kommt autonomes Fahren nicht aus dem Experimentierstadium heraus. Dass bald einmal ganze Flotten von selbstfahrenden Autos unterwegs sein sollen, glaubt heute fast niemand mehr. Vorerst bleibt es bei der digitalen Unterstützung des Lenkers.

Elon Musk, Jeff Bezos und Richard Branson haben das Anlageuniversum ins Unendliche erweitert. Die privat finanzierte Raumfahrt ist das neuste heisse Eisen.

Im Bereich der Nachhaltigkeit steht vor allem der Trend zu alternativen Energien im Fokus des langfristig orientierten Anlegers.

Touristenausflüge in den Orbit, Transporte zur Raumstation, bemannte Mondflüge, ja selbst der Vorstoss zum Mars gelten als „the last big thing“.