Sam Bankman-Fried: Das ist der abgestürzte Robin Hood der Kryptowelt

Es ist ein Absturz, der seinesgleichen sucht. Noch im August prangte Sam Bankman-Fried auf dem Cover des Magazins «Fortune» mit der Unterschrift «Der nächste Warren Buffett?». Jetzt ist klar: Daraus wird zumindest vorerst nichts. Sein Vermögen von geschätzten 16 Milliarden Dollar löste sich letzte Woche in Luft auf, als die von ihm gegründete Kryptobörse FTX wie ein Kartenhaus zusammenbrach. Am Freitag meldete sein Unternehmen in den USA Konkurs an, er trat als CEO zurück. Tags zuvor hatte der Dreissigjährige getwittert: «Ich habe es verkackt.» Der tiefe Fall von Bankman-Fried ist ein weiterer herber Schlag für den Krypto-Kosmos, dessen Image schon seit Monaten angekratzt ist und jetzt wankt. Mit ihm verliert die Szene ihren Frontmann. Einen Leader, der einen steilen Aufstieg hingelegt hat und dem scheinbar vieles leichtfällt, was er – bewusst oder unbewusst – gekonnt zelebriert hat. Sein Spitzname: SBF, die Aneinanderreihung seiner Initialen, womit ansonsten eigentlich nur Sportikonen geadelt werden. Es existieren viele Anekdoten über Bankman-Fried, die das Bild eines Wunderkinds ohne Furcht von ihm zeichnen. Da gibt es die Geschichte von ihm, wie er in blauen Shorts und einem grauen T-Shirt über Zoom aus einem Büro auf den Bahamas heraus einen Vortrag für den Economic Club of New York hält, der schon Könige, Premierminister und Präsidenten zu Gast hatte. Gleichzeitig spielt Bankman-Fried das Fantasy-Game «Storybook Brawl». Ein schonungsloser Blick auf die FTX-Bilanz Die Kunden und Kundinnen der einst beliebten Kryptobörse FTX dürften kaum eine Chance haben, einen Grossteil ihrer Einlagen wiederzuerhalten. Dafür spricht der enorme Wertverfall der wichtigsten Kryptowährungen, die sich im Unternehmensbesitz befinden, und der Umstand, dass die Börse nach ihrem Insolvenzantrag noch Opfer von Hackern wurde, die Mittel abgezweigt haben. Die Aufschlüsselung der Bilanz, die Sam Bankman-Fried einen Tag vor der Insolvenzanmeldung mit den Anlegerinnen und Anlegern teilte, zeigte fast 9 Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten. Dem standen 900 Millionen Dollar an liquiden Vermögenswerten, 5,5 Milliarden Dollar an «weniger liquiden» Vermögenswerten und 3,2 Milliarden Dollar an «illiquiden» Vermögenswerten gegenüber. Waren Diebe am Werk? Und angeblich widmete sich der als Kryptokönig gefeierte Jungunternehmer dem Online-Strategiespiel «League of Legends», während er virtuell eine Gruppe Investoren des amerikanischen Risikokapitalgebers Sequoia überzeugen wollte, weiter in FTX zu investieren. Das Resultat: Die Investoren waren vom Kind einer Professorin und eines Professors der Elite-Uni Stanford begeistert und sicherten ihm nach dem Meeting 200 Millionen Dollar zu. Selbst von den Stars bewundert Irrsinnige Geldsummen und die Anwesenheit der Reichen und Mächtigen scheinen diesen jungen Mann mit den Tendenzen eines Nerds nicht zu beeindrucken. Was im Gegenzug dem Gegenüber imponierte. Bei einem Abendessen in einer Villa in Beverly Hills auf Einladung der Sängerin Sia, bei dem auch Amazon-Chef Jeff Bezos und Schauspieler Leonardo DiCaprio teilnahmen, plauderte Bankman-Fried mit Katy Perry über Krypto. Unaufgefordert postete der Popstar am nächsten Tag auf Instagram: «Ich höre mit der Musik auf und werde Praktikantin bei @ftx_official ok.» Die US-Sängerin ist bei weitem nicht die einzige Berühmtheit, die sich vom Faszinosum Bankman-Fried begeistern liess. Den Super Bowl im letzten Februar schaute er von Logenplätzen aus, direkt vor dem NBA-Star Steph Curry – einem FTX-Werbepartner. Bankman-Fried ass mit der Basketballlegende Shaquille O’Neal zu Mittag und war auf einer Party mit dem Chef von Goldman Sachs als DJ. Das Supermodel Gisele Bündchen und der Footballstar Tom Brady investierten in FTX – angeblich 650 Millionen Dollar – und warben für die Kryptobörse. Das ganze Vermögen spenden In die Welt der digitalen Währungen kam Bankman-Fried durch eine Lebenskrise – im Alter von 25 Jahren. Er arbeitete damals erfolgreich bei Jane Street Capital. Vom Praktikanten hatte er sich im New Yorker Finanzunternehmen, das mit börsennotierten Fonds handelt, zu einem der besten Trader geschuftet. Nur: Er war der Meinung, nicht alles für sein eigentliches Lebensziel zu geben, möglichst viel Gutes in der Welt zu bewirken. Seine Eltern hatten ihn und seine Geschwister utilitaristisch erzogen. Am Esstisch philosophierte die Familie, wie sich durch das eigene Handeln der grösstmögliche Gesamtnutzen für die Menschheit erzielen lässt. Während seines Physikstudiums am MIT in Boston festigte er seine Überzeugungen und wurde Veganer. Um seine utilitaristischen Ziele zu erreichen, wurde ihm klar: Er musste so reich werden, wie es ihm nur irgendwie möglich ist. Also gab er 2017 seine sichere Stelle bei Jane Street Capital auf und kehrte zurück in seine Heimat in der kalifornischen Bay Area – wo zu jener Zeit Krypto gerade hoch im Kurs war. Bankman-Fried setzte sich mit der neuen Technologie auseinander – und machte dabei eine lukrative Entdeckung: Kryptowährungen wurden in den USA oft zu tieferen Preisen gehandelt als in Korea und Japan. Er nutzte diese Situation aus und verdiente durch das Hin- und Herschieben von digitalen Coins zwischen Asien und Amerika seine ersten Millionen. Mit dem Geld gründete Bankman-Fried seine erste Firma: Alameda Research. 2019 folgte dann FTX – genau zum richtigen Zeitpunkt, um auf der Erfolgswelle der damals steil ansteigenden Kryptowährungen mitzureiten. Er wurde reich, sehr reich. Risikokapitalgeber investierten insgesamt 40 Milliarden Dollar in das Unternehmen. Der Gründer selbst war gemäss «Forbes» zum Höhepunkt 26,5 Milliarden Dollar schwer. Grossspender für die Demokraten SBF wurde dadurch zum «Messias» der Szene. Und durch sein utilitaristisches Weltbild gleichzeitig zu einer Art Krypto-Robin-Hood, der die Reichen in ihrem eigenen Spiel schlägt und das «erbeutete» Geld mit den Verlierern des Kapitalismus teilt. Zu diesem Image passt, dass er sich im Frühjahr filmen liess, wie er einer Frau auf offener Strasse einen 100-Dollar-Schein schenkt. Im Gegensatz zu vielen aus dem Kryptokosmos fährt Bankman-Fried keinen sündhaft teuren Rennwagen, sondern ist mit einem Toyota Corolla unterwegs. Und in Nassau, der Hauptstadt seiner Wahlheimat Bahamas, lebt er in einem Penthouse mit zehn Mitbewohnenden. Dennoch war Bankman-Fried auch Teil der Machtstruktur, welche die Probleme verursacht, die er angeblich lösen will. Er spendete viel Geld für die Politik, um die Ziele seines Unternehmens in Washington durchzusetzen. Die Präsidentschaftskandidatur von Joe Biden unterstütze er mit 5,2 Millionen Dollar. Und bei den jüngst abgehaltenen Midterms fungierte Bankman-Fried mit Gesamtspenden in Höhe von 39,8 Millionen Dollar als der zweitgrösste Einzelspender für die Demokraten hinter George Soros. Zudem hat der Dreissigjährige bisher weniger für wohltätige Zwecke gespendet als die zusammengenommen 165 Millionen Dollar, die er für die Namensrechte an der Arena der Miami Heat über 19 Jahre und die Ausstrahlung eines Super-Bowl-Werbespots mit dem US-Komiker Larry David ausgegeben hat. Wie viel Geld Bankman-Fried nach dem Kollaps von FTX tatsächlich noch hat, ist unklar. Laut einigen Berichten soll er sein ganzes Vermögen verspielt haben, andere Medien schreiben, dass der gefallene Star weiterhin über 1 Milliarde Dollar verfügt. Trifft Zweiteres zu, dann lässt es sich mit dieser Summe gut leben, wenn man einen Toyota Corolla fährt und in einer WG auf den Bahamas wohnt. Und es bliebe weiterhin etwas übrig für wohltätige Zwecke.

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Wie der Nerd in Shorts die Superreichen um den Finger wickelte