Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, welche Bedeutung Alfred Escher (18191882) vor 150 Jahren für den Finanzplatz Zürich und den Wirtschaftsstandort Schweiz hatte und noch immer hat. Zu einer Zeit, als sich Zürich seiner mittelalterlichen Befestigungsmauern zu entledigen begann, den Anschluss an die sich industrialisierende Welt suchte und die Schweiz 1848 mit dem Bundesstaat den Schritt in die Moderne machte, entfaltete Escher als Regierungsrat, Nationalrat, Grossrat und Unternehmer eine immense Wirkung.

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Aufgrund der Häufung und der Verknüpfung von politischen und wirtschaftlichen Funktionen stand Escher auch im Kreuzfeuer der Kritik. Vor allem die politischen Gegner geisselten das «System Escher». Doch er war weit mehr als «nur» der Machtmensch und der Bundesbaron, wie ihn seine Gegner despektierlich beschrieben. Escher war ein Visionär, der die lebenswichtige Bedeutung der Infrastrukturen für die Schweiz erkannte. Und mit seinem zukunftsgerichteten Weitblick trug er wesentlich dazu bei, dass Zürich zum Industriezentrum und Finanzplatz der Schweiz wurde.

Den Anschluss nicht verpasst

Eschers wichtigstes Tätigkeitsfeld war der Eisenbahnbau. Er erkannte früh, dass der Schweiz die verkehrspolitische Isolation drohte. Österreich (Semmering 1854, Brenner 1867) und Frankreich (Mont Cenis 1871) konnten ihre Alpenbahnen relativ rasch eröffnen. Deshalb lobbyierte Escher ab 1850/51 im Nationalrat für den Privatbau und gehörte 1853 zu den Gründern der Schweizerischen Nordostbahn.

Um die für den Eisenbahnbau und den Gotthardtunnel benötigten grossen Finanzmittel unabhängig vom ausländischen Einfluss zu beschaffen, gründete Escher die Schweizerische Kreditanstalt, die erste Investmentbank der Schweiz (siehe Buchvorabdruck).

Der Pionier Escher war ferner die treibende Kraft bei der Gründung des Polytechnikums, der heute weltweit renommierten ETH Zürich. Auf Eschers Initiative geht auch die Schweizerische Rentenanstalt zurück. Die Kreditanstalt unterstützte ihrerseits die Gründung der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft und die Zürich Versicherung alles Pfeiler des heutigen Finanzplatzes Schweiz.

Joseph Jung: Der Historiker

Es ist eine Passion, die den Historiker Joseph Jung mit dem 19. Jahrhundert verbindet. Der Leiter des Ressorts Foundations und Corporate History der Credit Suisse hat sich bereits in seiner Bankengeschichte «Von der Schweizerischen Kreditanstalt zur Credit Suisse Group» (2000) mit Escher befasst: «Das Visionäre an Escher zeigt sich weniger in seinen einzelnen Massnahmen als vielmehr im Erkennen der grossen Zusammenhänge.» Für die umfassende Escher-Biografie hat Jung neue Quellen ausgewertet, die die Schweiz im 19. Jahrhundert in einem neuen Licht ausleuchten.