Es war am Morgen des 16. Juli, als zwei Verwaltungsräte der Telekom-Firma Mygate nach Altdorf reisten. Man traf sich in den Büros einer lokalen Treuhandgesellschaft zu einer kurzen Sitzung. Der eine Verwaltungsrat übernahm den Vorsitz, der andere waltete als Sekretär. Einige Unterschriften später war die Telekom-Firma um 2 Millionen Franken reicher. Zum zweiten Mal in diesem Jahr gab die Mygate-Holding neue Aktien an Investoren heraus.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Andreas Danuser leitete jene Sitzung. Der Verwaltungsratspräsident und Gründer der Telekomfirma möchte 200 000 Haushalte in der Schweiz und in Deutschland mit einem kombinierten Fernseh-, Telefon- und Internetangebot beliefern. Triple Play heisst das in der Branche. «Bei 1000 Franken pro Haushalt haben wir ein Umsatzpotenzial von 200 Millionen Franken», sagt er. «Ich bin ein Anhänger von einfachen Zahlen.»

So weit die Vision. Vorderhand verbrennt die Firma Geld. 10,6 Millionen Franken Verlust nahm Mygate laut Firmendokumenten ins Jahr 2009 mit. Seither ist es nicht entscheidend besser geworden. «Das ist normal für ein Start-up», sagt Danuser. Der Wert der Firma bestehe in der Technologie, die seine Leute entwickelt hätten.

Damit will Danuser die grossen Anbieter Swisscom und Cablecom bedrängen. Er setzt auf die Glasfaserkabel, die gegenwärtig von den Elektrizitätswerken in Teilen der Schweiz verlegt werden. Über sie will er Fernsehen oder Telefongespräche zu den Konsumenten bringen. Gefragt ist Stehvermögen: Weniger als ein Promille der Haushalte in der Schweiz sind bis heute an das neue ultraschnelle Netz angeschlossen. «Bis die grosse Dynamik einsetzt, dauert es noch Jahre», sagt Telekomexperte Jens Schädler vom Beratungsunternehmen Bain & Company.

Auf neues Geld angewiesen

Die Investoren schreckt das nicht ab. Sie haben durch Darlehen und Kapitalerhöhungen bisher über 35 Millionen Franken in Mygate gesteckt. Sie, das sind Exponenten der Schweizer Wirtschaftselite: Über 9 Millionen Franken investiert hat Christophe Gautier, ehemaliger Vizepräsident des Welthandelskonzerns DKSH und Verwaltungsrat der Bank BNP Paribas (Suisse). Das zeigen Dokumente, in welche die «Handelszeitung» Einblick hatte. Gar knapp 20 Millionen brachte Implenia-Hauptaktionär Max Rössler, Berater der Bank Reichmuth und Stifter des ETH-Max-Rössler-Preises. Zum Teil investierte er das Geld direkt, zum Teil floss es offenbar über die Aires International Investment mit Sitz auf den British Virgin Islands (mit c/o-Adresse bei der Treuhand AG, Vaduz). Neben Danuser, der nach eigenen Angaben «einen substanziellen Anteil» am Unternehmen hält, hat auch Dieter Steiger, Besitzer der Software- und Beratungsfirma Beteo, ein Aktienpaket übernommen.

Mygate braucht für die Zukunft noch mehr Geld. In den letzten 18 Monaten hat Danuser den Verwaltungsrat umgebaut und Personen an Bord geholt, die Beziehungen zu Privatinvestoren pflegen. Der eine neue Verwaltungsrat ist Nicolas Gautier, Sohn des Grossinvestors. Der andere Thomas Hackl. Er war der Sekretär beim Juli-Treffen in Altdorf und unterhält beste Kontakte zur Finanzwelt.

Die Öffentlichkeit weiss davon seit dem Skandal um die österreichische Bank Bawag. In den 90er-Jahren hatten Manager des Instituts versucht, Milliardenverluste aus dem Kreditgeschäft zu vertuschen. Als Zeugen vernahmen die Behörden auch Bawag-Schatzmeister Hackl und befragten ihn zu seinem Beziehungsnetz. Angeklagt wurde er aber nie. Danuser lernte Hackl über einen Freund kennen. «Ich bin von seinen Fähigkeiten restlos überzeugt», sagt er.

Erfolgreiche Start-ups

Der Mygate-Patron kann einige Erfolge aufweisen. Nach Jahren als Projektleiter bei der ABB und bei Ascom machte er sich 1998 selbstständig. In den Jahren darauf gründete er mehrere Firmen. Zwei davon verkaufte er später mit Millionengewinn, darunter das Technologieunternehmen Swissqual. Danach reifte die Idee, via Internet Fernsehen und anderes zu den Konsumenten zu bringen. Es war die Geburt des Mygate-Vorläufers Translumina. Geplant war, einen Dienstanbieter zu betreiben und gleichzeitig an ausgewählten Orten ein eigenes Netz zu bauen. Die Swisscom investierte damals kaum in die Glasfasertechnik, die Elektrizitätswerke gar nicht.

Als die viel potentere Konkurrenz erwachte und ebenfalls begann, «Glas im Boden zu verbauen», war das Projekt «eigenes Netz» zum Scheitern verurteilt. Letzten Sommer ging die Firma Translumina Networks konkurs, Dutzende von Mitarbeitenden verloren die Stelle. Parallel dazu räumte Danuser bei der Translumina Finanz auf. Diese Firma sollte Investoren für den Netzbau suchen und war von Danuser mit einer halben Million Franken kapitalisiert worden.

Laut Dokumenten vergab dieses Vehikel Darlehen, die bisher nie zurückbezahlt wurden. Aktien, die man als Sicherheit erhielt, verloren 60 Prozent an Wert. Im September befand sich die Gesellschaft zwischenzeitlich in Unterbilanz. «Danusers Ideen und seine Visionen sind sensationell», sagt sein früherer Partner Martin Hochschorner. «Aber er gibt Geld zu leichtfertig aus, und sein Umgang mit Partnern ist nicht der beste.»

Seit dem Aus beim Netzbau konzentriert sich Danuser mit Mygate auf das Anbieten von Triple Play. Inzwischen offeriert die Firma ihre Dienste in Zürich, Bern, Genf und 15 anderen Orten. In Zürich etwa verlangt Mygate für Internet, Festnetztelefonie und Fernsehen 79 Franken pro Monat plus einmalige Gebühren. 1500 Kunden habe man schweizweit bereits gewonnen, sagt Mygate-Chef Peter Helfenstein. Jede Woche kämen 30 dazu.

Sunrise schaut hin

«Nischenanbieter haben durchaus Chancen, kleine Marktanteile zu gewinnen», sagt Branchenkenner Schädler. Ein Konkurrent prognostiziert dagegen das Ende der Selbstständigkeit: Mygate drohe bei den Glasfasern das gleiche Schicksal wie Tele2 im Festnetz und im Mobilfunk: Die Firma werde zwei Jahre lang einige Kunden gewinnen. Danach dürfte sie ihren Kundenstamm an Sunrise, Orange oder jemand anderen verkaufen.

Den Wert von Mygate zu beziffern, ist schwierig: Bei der Kapitalerhöhung im Frühling mussten die Aktionäre 14.30 Franken pro Aktie aufbringen. Dieser Preis katapultiert Mygate in die Sphäre der 100-Millionen-Franken-Firmen. Im Juli kostete eine Aktie bei der zweiten Kapitalerhöhung allerdings nur 2 Franken, was einem Firmenwert von bloss 17 Millionen entspräche.

«Vielleicht kommt es in der Zukunft zu Kooperationen in der Branche. Auch ein vollständiger Verkauf ist eine Option», sagt Danuser. Offenbar sind das nicht nur Gedankenspiele. In der Branche heisst es, Mygate-Verwaltungsrat Johann Widmer verbringe seit Wochen viel Zeit in Basel beim Konkurrenten CATV. Aus zuverlässiger Quelle geht zudem hervor, Sunrise prüfe, im TV-Geschäft mit einem Partner wie Mygate zusammenzuarbeiten.