5 Punkte: Wie António Horta-Osório die Credit Suisse umbauen will

Wenn António Horta-Osório in seinem getäferten Eckbüro sinniert, ist er nie allein. Vom Pult schielt Alfred Escher, in Metall gegossen, auf seine Nachfolger auf dem Präsidentenstuhl. Escher, das ist der Gründer der Schweizerischen Kreditanstalt, der Tunnelbauer, der Hochschulgründer – der Weltveränderer, der heute Gamechanger heisst. Und das ist das Dilemma seines Nachfolgers. Denn während Alfred Escher jeden Tag eine nächste unternehmerische Grosstat in Angriff nahm, ist António Horta-Osório gefangen in Zwängen. Da sind die Regulatoren, die ihm nach allerlei Affären im Nacken sitzen, da sind die Aktionäre, die ungeduldig auf eine Trendwende pochen, da ist die Konkurrenz aus New York, die immer zwei oder drei Ticks schneller und abgebrühter ist. Da sind die Medien, die jeden Schritt des gebürtigen Portugiesen beargwöhnen und ihm eine intensive Tennisplatzpräsenz andichten. Und da sind die Mitarbeitenden, die mit steigender Nervosität werweissen, in welche Abteilung ihr Bürostuhl demnächst wieder mal verschoben wird. Aufbruchstimmung ist das nicht, was derzeit in den Gängen der Grossbank herrscht, eher gespanntes Abwarten. Denn Escher-Nachfolger Horta-Osório, der erste Ausländer auf diesem Präsidentenposten, will schon bald seine Roadmap fürs nächste Dezennium verkünden. Spätestens Ende 2021 soll das Warten ein Ende haben, wie es offiziell heisst. Es könnte aber auch schon viel früher sein, möglicherweise bereits in der zweiten Novemberhälfte. Weg vom NotfallmodusGeklärt ist bei dieser Neuausrichtung der Bank für Beobachterinnen und Beobachter bloss eines, nämlich wie der künftige operative Bankenchef heisst: Thomas Gottstein, der CS-Veteran mit Zürcher Unternehmerwurzeln. Ansonsten ist noch ganz vieles unklar. Zwar ist Horta-Osório mit Beratern, Geschäftsleitung und Verwaltungsräten in Dutzenden von Sitzungen und Workshops am Ausbaldowern, was die Zukunft bringen muss, vor allem aber sieht er sich als aktiver Chairman, der mitbestimmt – und es wissen will, und zwar haargenau. Wer bei ihm, dem Banker mit 35 Jahren Branchenerfahrung, antritt und keine überzeugende Analyse abliefern kann, holt dies mit Schweissfingern in Nachtschichten nach, erzählt man sich in der Bank. Horta-Osório, der den rackernden Rasenkönig Rafael Nadal zum Vorbild hat, mag keine Halbheiten. Voller Körpereinsatz ist gefragt, Loyalität, Ernsthaftigkeit. Die Jesuitenschule Universidade Católica Portuguesa in Lissabon, die er besuchte, hat Spuren hinterlassen. Es geht immerhin um die zweitgrösste Bank auf dem Finanzplatz Schweiz und um seine bis anhin tadellose Reputation. In Grossbritannien, wo er die traditionsreiche Lloyds aus dem Staatsgriff befreite, gilt er als Held. Sein Wirken in Brasilien, Grossbritannien, Spanien, Portugal und den USA hat ihm Orden und Ehrendoktorhüte eingetragen. Von einer Adelung ist er bei der Credit Suisse noch meilenweit entfernt. Die Bank dreht seit einem halben Jahr im Notfallmodus und sorgt regelmässig für Abschreiber auf dem eigenen Goodwill-Kapital. Das Tactical Crises Committee, das noch sein geplagter Vorgänger Urs Rohner initiierte und einst im Wochenrhythmus tagte, tut es aktuell nur noch alle zwei Wochen; im Frühling, so die Hoffnung, soll die Swat-Truppe aus dem Verwaltungsrat aufgelöst werden. Und damit so etwas wie Normalbetrieb in der Zürcher Bank einziehen. Es wäre das erste Mal seit der Finanzkrise vor 13 Jahren. Vermögensverwaltung im ZentrumHorta-Osório wirbelt – neben Gottstein – an allen Ecken und Enden, hat seine sechs Grossaktionäre in Nahost und in den USA abgeklappert und ins Boot geholt, begrüsste seine Truppe in Singapur, Frankfurt, London und in Genf. Dazwischen traf er sich mit der SNB-Spitze, mit Ueli Maurer und Guy Parmelin und erwies seinem Vizepräsidenten Severin Schwan am 125-Jahre-Jubiläum der Roche in Basel die Ehre. Nur mit der grössten Partei im Land hat das Matching noch nicht geklappt. Der Termin mit der SVP-Fraktion soll schon mehrmals verschoben worden sein. Terminkollision, Auslandreisen. AHO, so sein internes Kürzel, hat einen Plan. Grob stehen fünf Ambitionen im Vordergrund: Die Bank soll erstens einfacher werden. Sie muss zweitens ihr Kapital effizienter einsetzen und drittens zentralisierter sein. Ergo soll die Regionalisierung, die der Gottstein-Vorgänger Tidjane Thiam durchsetzte, rückgebaut werden. Viertens muss sie sicherer werden, mit griffigem Risikomanagement und einer «Speak-out»-Firmenkultur. Symbol für den geforderten Mut zum Widerspruch sind jene vier subalternen Risikomanager im Investmentbanking, die gegen das kollektive Wegschauen beim amerikanischen Hedgefonds Archegos aufbegehrten, um am Schluss doch von den alten Schlachtrössern, die um ihre fetten Boni fürchteten, an die Wand gespielt zu werden. Und fünftens, ganz wichtig: AHO will offenbar die globale Vermögensverwaltung für die Premiumkundschaft zum Herzstück der Bank erheben. Auch hier geht es um Vereinfachung und Zentralisierung. Die Millionarios dieser Welt werden heute in der Schweiz-Bank, im Internationalen Wealth-Management und in der Asien-Pazifik-Division betreut. Sie sollen, so hört man, künftig in einer Einheit zusammengefasst und betreut werden. Die CS will dazu keine Stellung nehmen. Im Tresorraum dieser Paradedivision würden geschätzt 840 Milliarden Franken schlummern, was der Hälfte der verwalteten Kundengelder entspricht. Mit einer solchen United-Wealth-Management-Division könnte die Ambition, eine erste Adresse im globalen Wealth-Management zu sein, unterstrichen werden, zuvorderst in Asien und in dynamischen Schwellenländern wie Brasilien. Ziel ist auch, neben der Attraktion von Neugeld die Kundenbeziehungen zu intensivieren und die Mandatsquote auf 35 Prozent zu steigern, um so von der stabilen Margenstärke zu profitieren. Da müsste im Normalbetrieb viel mehr drinliegen, heisst es. Die neue Superdivision könnte gar einen Jahresgewinn von gegen 3 Milliarden Franken abwerfen und einen Marktwert von 22 Milliarden erreichen, wie eine aktuelle UBS-Analystenstudie zur Credit Suisse zeigt. Heute ist die Universalbank mit ihren fünf Einheiten gerade mal 26 Milliarden Franken wert. AHO, dem ambitionierten Berufsmann, ist das längst nicht genug.

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Banker der Millionäre