Aeroshark, Kompensation und Synhelion: So sollen Flugreisen nachhaltiger gestaltet werden

Nachhaltigkeit und Fliegen, wie passt das zusammen? Zumal die Aviatikbranche nicht gerade für ihre Klimafreundlichkeit bekannt ist. Doch es gibt in der Luftfahrtindustrie einige Anstrengungen und Versuche, umzudenken. Dafür braucht es Innovation und Kreativität. Kürzlich zeigte die Fluggesellschaft Swiss bei einer Werftbesichtigung am Flughafen Zürich, was sie macht und noch vorhat in Sachen Nachhaltigkeit. Die Swiss hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 ihre Netto-CO₂-Emissionen im Vergleich zu 2019 durch Reduktions- und Kompensationsmassnahmen zu halbieren. Bis 2050 strebt sie gar eine neutrale CO₂-Bilanz an. Diese Vision wurde in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaabkommen formuliert. Ein grosser Teil dieses Ziels soll mittels Kompensation von CO2-Emissionen erreicht werden. Dafür investiert die Swiss in eine Reihe an Projekten, die nachhaltige Themen verfolgen. Der Swiss-Mutterkonzern Lufthansa hat derweil kommuniziert, über einen neuen grünen Flugtarif Reisenden zu ermöglichen, ihre Flugemissionen zu 20 Prozent durch nachhaltige Treibstoffe und 80 Prozent durch Beiträge an Klimaschutzprojekten auszugleichen. Verbindungen in Europa und nach Nordafrika seien ab dem 15. Februar mit den sogenannten «Green Fares» buchbar, hiess es. Genaue Zahlen nannte Lufthansa nicht, nach einer Berechnung der Nachrichtenagentur Bloomberg würde ein einfaches Economy-Ticket von London nach Frankfurt mit dem grünen Tarif rund 7 Prozent teurer werden (230 Euro auf 245 Euro). Die Swiss als Tochtergesellschaft übernimmt diesen Grüntarif zu gleichen Konditionen. Der Luftverkehr war im Jahr 2019 verantwortlich für 11 Prozent der schweizerischen CO2-Emissionen, wie der Verkehrsclub Schweiz schreibt. Der Verbrennungsprozess von einem Kilogramm Kerosin, dem Flugzeugtreibstoff, emittiert laut Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) 3,15 Kilogramm CO2. Das Bazl stellt in einer Hochrechnung fest, dass pro Passagierkilometer, der geflogen wird, 66 Gramm CO2 ausgestossen werden. In einer Flugstunde werden ungefähr 800 Kilometer zurückgelegt, also 52,7 Kilogramm CO2 ausgestossen. An der Werftbesichtigung der Swiss wurden in einzelnen Präsentationen verschiedene Projekte und Massnahmen, um den Luftverkehr zu «vergrünen», vorgestellt. Wie diese im Detail aussehen, zeigt diese Übersicht: Antworten finden sich in der Natur Neben der Modernisierung ihrer Flotte bedient sich die Swiss ausserdem einer innovativen Klebefolie namens Aeroshark (zu Deutsch: «Lufthai»). Diese soll besonders auf Langstreckenflügen Emissionen reduzieren. Die Folie weist feine Einkerbungen auf, nicht dicker als ein menschliches Haar. Diese Linien imitieren Haihaut. Forschende haben herausgefunden, dass Wasser durch diese Rillen effizienter an Haien vorbeigeleitet wird. Der Hai schwimmt so, trotz geringem Kraftaufwand, sehr schnell. Indem die Folie am Rumpf und den Aussenseiten der Triebwerke angebracht wird, soll der Reibungswiderstand der Luft beim Fliegen verringert werden. Das wiederum spare jährlich über die Flotte von zwölf Boeings 777 verteilt insgesamt 4800 Tonnen Treibstoff, berichtete ein Lufthansa-Techniker. Entwickelt wurde die Folie von der BASF. Bis anhin hat die Lufthansa-Gruppe die Folie im Passagierbetrieb nur für die Boeing 777 zertifizieren lassen; die Flotte der Swiss hat zwölf davon. Das Anbringen der Folie dauert circa zehn Tage und beschäftigt 22 Mitarbeitende. Für eine Triple Seven werden 950 Quadratmeter Aeroshark-Folie benötigt, was ein Zusatzgewicht von 180 Kilogramm ist. Nach vier Jahren muss die Folie gewechselt werden. Hochgerechnet werde die Swiss dank der Folie auf den Langstreckenflügen 15’000 Tonnen an Emissionen sparen, dabei wurde das Eigengewicht der Folie mit eingerechnet. Die Emissionen, die bei der Herstellung der Polymerfolie ausgestossen werden, seien vernachlässigbar, heisst es vonseiten der Swiss. Die Abdeckung der Folie könne wiederverwendet werden. «Es ist ein innovatives Produkt, und wir sind zuversichtlich, dass es sich bewähren wird», kommentiert der Leiter des Hangar- und Basemanagements der Swiss, Daniel Theess. Aktuell werde die vierte Boeing 777 mit der Folie ausgestattet, drei seien bereits im Einsatz. Daten von diesen zeigen: Die Hochrechnungen kommen hin. Die Swiss ist die erste Airline, die ihre Passagierflugzeuge mit Aeroshark beklebt. Zuvor war die Folie nur bei Cargo-Flugzeugen der Lufthansa-Gruppe im Einsatz. Mit altem Speiseöl in die Ferien fliegen Auch der Einsatz von nachhaltigen Treibstoffen, sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAF), kann Fliegen nachhaltiger machen. Biogene SAF werden etwa aus Pflanzen gewonnen und können bis zu 80 Prozent des CO2-Ausstosses reduzieren. Dafür braucht es nur recyceltes Speiseöl – dieses muss entsprechende Kriterien aufweisen und macht dem Nahrungsmittelsektor deshalb keine Konkurrenz. Treibstoff aus Luft und Sonne gewinnen Eine weitere Möglichkeit, das Reisen mit dem Flieger nachhaltiger zu gestalten, ist die Sun-to-Liquid-Technologie. Dafür spannt die Swiss mit dem ETH Spin-off Synhelion zusammen. Eine der Präsentationen bei der Werftbesichtigung wurde von Philipp Furler, CEO von Synhelion, geleitet. Er erklärte die Funktionsweise der Anlage und wie sie CO2 mit Sonnenenergie in flüssigen Treibstoff umwandelt. Im Kern der Anlage wird das gefilterte CO2 mittels chemischen Verfahrens so aufbereitet, dass es für Treibstoff wiederverwendet werden kann. Der Prozess sei CO2-neutral, das bedeutet, es wird kein zusätzliches CO2 emittiert. Die Solartreibstoffe von Synhelion sind mit der bestehenden Infrastruktur kompatibel und könnten die fossilen Treibstoffe direkt ersetzen. Die Frage, ob bereits Fahrzeuge mit dem Synhelion-Treibstoff angetrieben wurden, musste Furler verneinen. Nichtsdestotrotz steckt er sich und dem Startup hohe Ziele. Bis spätestens 2031 wolle Synhelion 50 Prozent des Schweizer Bedarfs an Flugzeugtreibstoff decken, bis 2050 sogar die Hälfte des europäischen Bedarfs. Bis anhin konnte die Anlage auf der Testanlage des Deutschen Luft- und Raumfahrt-Zentrum getestet werden. Treibstoff in grösseren Mengen sei noch nicht produziert worden. Des Weiteren strebt Synhelion Produktionskosten von einem Franken pro Liter an. Wieviel der Treibstoff aber am Ende für Kundinnen und Kunden koste, könne man an diesem Punkt noch nicht sagen. Wie der Pilot seinen Flug nachhaltig gestaltet Am Boden: Piloten und Pilotinnen beginnen bereits am Boden mit der ersten Vorbesprechung. Hier wird identifiziert, an welchen Stellen der Route die Winde günstig sind oder Abkürzungen gemacht werden können, um Treibstoff zu sparen. Auch die Tankfüllung hat Einfluss, sie trägt massgebend zum Gewicht des Flugzeugs bei – je schwerer das Flugzeug, desto mehr Sprit braucht es. Beim Take-off: Die Einstellung der Landeklappen hat Einfluss auf den Luftwiderstand, und je tiefer dieser ist, desto mehr Sprit braucht das Flugzeug, um abzuheben. Fliegen: Während des Flugs wird ständig angepasst, indem die Flugroute und Höhe in Verhandlung mit Fluglotsen optimiert werden. Das Flugzeug kann den Pilotinnen und Piloten auf einem Screen Handlungsvorschläge geben. Landung: Der Sinkflug wird möglichst lange im Leerlauf abgehalten und spart so wieder Treibstoff. Im Sinkflug hat das Flugzeug eine Geschwindigkeit von 200 bis 250 km/h. Kurz vor der Landung wird 1000 Fuss vor dem Ziel auf 45 Prozent Triebwerkleistung und mit geöffneten Landeklappen geflogen, um Zeit und Treibstoff zu sparen. Wieder am Boden: Hier wird wie beim Start eine der beiden Klimaanlagen abgeschaltet, da der Luftdruck wieder normal ist. Für die Umwälzung der Luft braucht es am Boden nur eine Anlage. Es wurde herausgefunden, dass innerhalb von 5 Minuten die Luft in der Kabine trotz einer ausgeschalteten Klimaanlage komplett ausgewechselt ist. Auch setzen die Pilotinnen und Piloten sich für ein Debriefing der Route zusammen. Mit diesen Massnahmen konnten auf einer Beispielstrecke von Zürich nach Brüssel 200 Kilo Treibstoff und 12 Minuten Flugzeit gespart werden. Der Flugverkehr könne und werde nicht von heute auf morgen nachhaltig sein, meinte ein Pilot an einem der Workshops bei der Swiss. Ein grosses Passagierflugzeug mit Elektroantrieb werde es wohl nie geben, da die Batterie so schwer wäre, dass allein die Energie, um es in die Luft zu kriegen, sie gleich leeren würde. Doch mit Massnahmen wie Treibstoff aus Sonnenenergie, effizienteren Maschinen, Kompensation, innovativen Produkten und Optimierung des Flugverhaltens könne ein grosser Teil an Emissionen eingespart werden. 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