Deutsche Discounter erobern die Schweiz. Hinter diese These stellt Thomas Hochreutener, Direktor des Marktforschungsinstituts IHA-GfK, ein grosses Fragezeichen: «Der Schweizer Detailhandel ist gut gerüstet. Aldi und Lidl werden die Schweiz nicht so schnell überrollen und zu grossen Playern wie Migros oder Coop werden. Aber sie bringen den Markt in Bewegung.»

In der Tat: Seit die deutschen Billig-Discounter diesen Sommer mit Baugesuchen zum Angriff auf die Hochpreisinsel Schweiz geblasen haben, hat sich der Preiskampf verschärft. Denner hat für über 100 Produkte die Preise dauerhaft um bis zu 30% gedrückt, Pick Pay hat nachgezogen und dasselbe für über 500 Produkte getan.

Die Schweizer Discounter rüsten auch andersweitig auf gegen die deutschen Eroberer: Denner hat das Konzept der Deutschen abgekupfert und startet diese Woche bereits die zweite Filiale auf der «Grünen Wiese», diesmal im ber-nischen Rubigen. Nicht weniger als 100 neue Filialen will Denner in den nächsten fünf Jahren eröffnen. Und bis Ende 2004 soll das gesamte Filialnetz im «New Denner»-Stil erneuert werden. Auch Pick Pay wappnet sich und hat vor kurzem Pilotläden lanciert: Mit einem gestrafften Sortiment, einer Miniprix-Linie und einem neuen Look sollen mehr Kunden angelockt werden.

*Einsprachen-Flut*

Widerstand erwächst den «Invasoren» auch auf juristischem Feld: So machen Einsprachen den deutschen Discountern das Leben schwer. Aldi hat fünf Baubewilligungsverfahren am Laufen: In Romanshorn, Weinfelden, Altenhein, im aargauischen Gebenstorf und im zürcherischen Pfäffikon. Keines ist bisher bewilligt. Ausser in Weinfelden hagelte es überall Einsprachen. Beanstandet wird vor allem die Zahl der Parkplätze.

Trotz Widerstand ist Sven Bradke, Sprecher von Aldi Süd in der Schweiz, optimistisch: «Wir werden 2005 starten.» Konkurrent Lidl gibt sich vorsichtiger: «Es laufen verschiedene Bewilligungsverfahren, darum können wir nicht sagen, wann der erste Laden eröffnet wird», sagt Immobilienleiter Viel von Lidl Schweiz. Auch gegen Baugesuche von Lidl wurden Einsprachen erhoben, etwa im Raum Luzern (Dierikon und Emmen).

Lidl hat bereits einen ersten Brückenkopf in Frauenfeld installiert und den Deutschen Georg Fischer als Geschäftsleiter eingesetzt. Aldi ist mit der Thurgauer Handelsfirma Profecta in der Schweiz aktiv und hat den Deutschen Ulrich Born als Schweizer Chef bestimmt.

Aldi möchte auch in bestehenden Einkaufszentren Fuss fassen. «Wir prüfen alle Standorte», sagt Sprecher Bradke, «wir wollen in der ganzen Schweiz präsent sein.» Das Konzept soll überall gleich aussehen: Auf 900 m2 Verkaufsfläche werden 700 Artikel, vor allem Eigenmarken und Lebensmittel, angeboten. Präsentiert wird die Ware in Kartonschachteln auf Palletten: «Wir bestreiten keinen Schönheitswettbewerb.»

Noch sei das Aldi-Sortiment für die Schweiz nicht festgelegt. Alkohol und Tabak werden wohl nicht die gleich grosse Rolle wie bei den Schweizer Discountern spielen, die rund 50% ihres Umsatzes damit erzielen. «Aldi führt in Deutschland Zigaretten, darunter aber keine Markennamen», sagt Bradke. Während bei Denner das Sortiment zu 75% und bei Pick Pay gar zu 90% aus Markenartikeln besteht, setzt Aldi fast ausschliesslich auf Eigenmarken.

Auch der Agrarprotektionismus und die hohen Einfuhrzölle werden die Tiefpreisstrategie der deutschen Discounter in der Schweiz erschweren. Bereits hat der deutsche Discounter in Embrach ein Lager vorgesehen. Bradke ist optimistisch, dass das Aldi-Konzept auch in der Schweiz verfängt, reisen doch viele Schweizer nach Deutschland, um bei Aldi einzukaufen. Die Filialen in der Nähe der Schweizer Grenze zählen zu den umsatzstärksten bei Aldi Süd. Oder wie es das deutsche «Handelsblatt» so hübsch ausdrückt: «Jeden Samstag kommt das reiche Bergvolk hierher und füllt sich die Taschen.»

*Carrefours Pläne scheiterten*

Wie schwierig der Sprung aber in die Schweiz ist, zeigt das Beispiel von Carrefour. Das Joint Venture von Maus Frères und dem französischen Detailhandelsriesen kommt in der Schweiz kaum vom Fleck. Stolz hatten die Franzosen im Herbst 2000 eine Expansion von zehn auf 20 Grossmärkte angekündigt. Doch bisher ist erst ein einziger hinzugekommen.

Ein Blick nach Grossbritannien zeigt, wie sich ein etablierter Detailhandelsriese wie Tesco mit einer Billiglinie erfolgreich gegen ausländische Discounter zur Wehr setzen kann. Der Marktanteil der Harddiscounter ist dort in den letzten zehn Jahren von 12% auf 5% gesunken. Eine ähnliche Strategie fährt Migros in der Schweiz: «Die M-Budget-Linie werden wir auch in Zukunft weiter stärken, um so neuen und bestehenden Konkurrenten Paroli zu bieten», sagt Migros-Marketingchef Urs Riedener.

Detailhandelsexperte Hochreutener rechnet, dass die deutschen Discounter, sofern sie 100 Läden eröffnen werden, gerade mal 2 bis 3% Marktanteil im Detailhandel erreichen können. «Eroberung» kann man das wohl nicht nennen.

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