Eine weitere Neobank steht am Start. Man kennt es: ein einfaches Bankkonto, eine Bezahlkarte und alles online abgewickelt. Doch anders als bei Neon, Yapeal oder Yuh stehen bei EZY Finance nicht private Kundinnen und Kunden im Zentrum, sondern KMU. Kleinunternehmer und Kleinunternehmerinnen, die ein einfaches Bankkonto suchen. Derzeit laufen die ersten Tests, wie Geschäftsführer Vivien Fuhrer der «Handelszeitung» erzählt, im Sommer soll das neue Angebot starten. Interessierte können sich bereits registrieren.

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«Viele Freelancer eröffnen ein Konto bei einer Neobank, weil das praktisch ist», sagt Fuhrer. «Doch nach ein paar Monaten wird ihnen das Konto geschlossen, wenn die Bank merkt, dass ein Geschäft hinter den Transaktionen steht.» Natürlich gebe es bei jeder Bank Konten für Firmenkunden. «Aber dann ist man gleich wieder in den altmodischen Strukturen mit persönlichen Gesprächen und viel Papierarbeit.» Das wolle man ändern.

Banklizenz von der Hypothekarbank Lenzburg

Im Prinzip bietet EZY Finance das Gleiche an, wie es Neon für private Kunden und Kundinnen tut. Und das ist nicht nur Zufall, denn wie bei Neon steht hinter Fuhrers Angebot die Hypothekarbank Lenzburg, welche mit ihrer Banklizenz das harte Banking übernimmt. Die App hingegen mache man selbst, betont Fuhrer: «Das muss einfach und cool sein.» EZY Finance habe zuerst eine Zusammenarbeit mit anderen Neobanken gesucht, doch diese hätten abgewinkt. Und so baue man das nun halt selber.

Fuhrers Vision geht über Konto und Zahlungsverkehr hinaus. Ziel sei ein Konto, das mit künstlicher Intelligenz den Abgleich mit der Buchhaltung erleichtere, sodass beim Begleichen von Rechnungen automatisch die entsprechenden Buchungen ausgelöst werden. Dabei setzt Fuhrer auf eigene Buchhaltungslösungen, aber auch auf die Zusammenarbeit mit Drittanbietern. «Wir wollen auch Systeme wie Bexio oder Klara anbinden.»

Sein Ansatz: Im Endausbau soll das Bankkonto nicht nur Transaktionsdaten an die Buchhaltungssysteme liefern, sondern gleich die ganzen Buchungssätze. Ein Patent auf eine automatisierte Buchhaltung besitze man bereits.

Der Mann hinter EZY Finance: Vivien Fuhrer

Der Mann hinter EZY Finance: Vivien Fuhrer.

Quelle: ZVG

EZY gibt es bereits, wenn auch noch nicht als Bank. Bereits seit einiger Zeit vertreibt Fuhrer nämlich eine einfache Buchhaltungslösung namens EZY Count. Und mit EZY Facture lassen sich einfach Rechnungen ausstellen und verwalten. Schon heute lässt sich EZY Count automatisiert mit Konten von Partnerbanken wie Raiffeisen abgleichen. Künftig soll das natürlich auch mit dem eigenen Konto funktionieren, wie Fuhrer erklärt. «Man kann die Dienste aber auch weiterhin einzeln nutzen.»

Das Bankkonto plane er in einem ersten Schritt als sogenanntes Freemium-Angebot. Ziel sei, Kundinnen und Kunden zu finden und zu begeistern. In einem zweiten Schritt sollen dann über weitere Angebote Umsatz generiert werden. Wie alle Neobanken dürfte es EZY Finance zudem auch auf Interchange-Einnahmen im Kartengeschäft abgesehen haben, die generiert werden, wenn Karten im Handel eingesetzt werden.

Expertin: In Grossbritannien existiert dieses Geschäft bereits

Für Nicole Jaquemet ist es nur folgerichtig, dass sich auch das digitale Banking zunehmend auf KMU-Kunden fokussiert. Sie arbeitet für das Beratungsunternehmen Capco und berät Banken in der Digitalisierung des Geschäfts. «Die erste Digitalwelle hat im Retailbanking stattgefunden», sagt Jaquemet. «In Märkten wie Grossbritannien konnte man feststellen, dass danach auch das Firmenkundengeschäft dran kam.» In der Schweiz spüre man davon bisher allerdings noch wenig.

Zwar haben sich die traditionellen Banken auch im Firmenkundengeschäft weiterentwickelt. Etwa mit sogenannten Multibanking-Lösungen, bei denen Kontoinformationen mehrerer Banken auf einer Plattform zusammengeführt werden. Oder mit Partnerschaften mit Buchhaltungsanbietern. Hier bestehe allerdings, so Jaquemet, die grosse Gefahr, dass die Banken ihren Kundenkontakt verlieren, wenn das Konto beispielsweise nur noch über die Buchhaltung bewirtschaftet wird. «Zudem sehen vor allem die kleineren KMU den Mehrwert der heutigen Multibanking-Lösungen noch nicht.»

Jaquemet sieht die Antwort viel mehr in digitalen Angeboten, die den Firmen helfen, ihr Geschäft zu erledigen. «Etwa über die Bewirtschaftung von Rechnungen, über die Analyse oder Vorhersage der Cashflows.» Man dürfe nicht vergessen, dass ein durchschnittliches KMU nur gerade zehn Mitarbeitende habe. «Da gibt es keinen Finanzchef.»

In Grossbritannien sei so ein ganz neues Kundensegment entstanden. «Das sind Firmen, die eigentlich mit einem Privatkonto besser bedient wären als mit einem klassischen Firmenkonto, aber keine solchen Konten eröffnen können.» Revolut, die hierzulande vor allem Privatkundinnen und Privatkunden betreut, sei diesbezüglich schon recht weit. Als weitere Namen nennt sie Mettle, Starling oder Tide. 

Fintechs entdecken die Firmenkunden

Auch in der Schweiz gibt es erste Bemühungen mit neuen KMU-Angeboten. So hat sich der Buchhaltungsanbieter Abacus vor einem Jahr gross an der Neobank Yapeal beteiligt, um deren Konten und Kartenangebote mit dem Spesenmanagement der eigenen Buchhaltung zu kombinieren. Auch das Spesen-Fintech Yokoy, über das die «Handelszeitung» schon mehrfach berichtet hat, setzt auf ähnliche Ansätze und eigene Kreditkarten.

Vor gut einem Jahr kündigte zudem das Startup Relio an, ein digitales Bankkonto für Firmenkunden lancieren zu wollen. Allerdings lautet der Status auch ein Jahr später noch immer «Coming Soon». Man warte auf die Fintech-Lizenz der Finma, so der Geschäftsführer. 

Und so scheint durchaus noch Raum für ein Angebot wie das von EZY Finance zu bestehen. Bis vor kurzem lief dieses noch unter der Bezeichnung «EZY Bank». Mit Blick auf die fehlende Banklizenz habe man das jedoch angepasst, sagt Fuhrer.

Dass EZY Finance als Bankpartner auf die Hypothekarbank Lenzburg setzt, ist wenig überraschend. Diese konnte sich in den letzten Jahren als Partnerin für Startups etablieren. So laufen auch die Konten von Neon über die Systeme und die Bilanz der Aargauer Regionalbank. Ähnliche Partnerschaften existieren zudem mit den Fintechs Findependent, Kaspar& oder PSS.  

Michael Heim Handelszeitung
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