Die Szene in der Empfangshalle auf Schloss Vaduz hat Symbolcharakter: Während sich unten Erbprinz Alois von Liechtenstein vom BILANZ-Fotografen zwischen edlen Wandteppichen, teuren Gemälden und anderen Preziosen ablichten lässt, tritt oben Fürst Hans-Adam II. an die Balustrade. Mit einem Wasserglas in der Hand schaut er sich das Treiben kurz an, erwidert durchlauchtigst den Gruss seines Pressechefs und ist gleich wieder weg. Der Monarch behält gerne den Überblick.

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Das wird so bleiben, wenn der Erbprinz am liechtensteinischen Nationalfeiertag Mitte August vom Fürsten die Funktion des Staatsoberhauptes übernimmt. Kraft Hausgesetz könnte der Vater seinen Sohn wieder entmachten. Dass man den 36-Jährigen in der Vergangenheit als Marionette des machtbewussten Hans-Adam II. bezeichnet hat, ärgert ihn nicht. Sagt er. Es gebe ja auch die Wunscheinschätzung, dass er mehr nach seinem Grossvater komme, dem milden Franz Josef. Da werde jedoch einiges historisch verbrämt. Und der Erbprinz nimmt die Kurve diplomatisch: «Auch mein Grossvater hat umstrittene Entscheide gefällt. Ich bin eine eigenständige Persönlichkeit, stimme aber mit meinem Vater in grundsätzlichen Fragen überein.»

Mario Frick, Ex-Regierungschef und kein Freund des Fürstenhauses, beurteilt den Erbprinzen als «bedingungslos loyalen Sohn, der das vertreten wird, was sein Vater wünscht».

Alois von Liechtenstein hat seine Rolle verinnerlicht. Im Gespräch behält der vierfache Familienvater mit dem jugendlich properen Habitus stets die Contenance. So sei er schon als Jugendlicher gewesen, sagen Mitschüler aus der Gymnasialzeit in Vaduz – umgänglich zwar, aber beherrscht. Fürst zu werden, das spurt ein. Alois ist kein Rhetoriker, er bleibt sparsam mit seinen Gesten, überlegt sich seine Antworten sehr lange und ringt hörbar um die passenden Formulierungen. Alles an ihm wirkt kontrolliert, selbst sein Lächeln. Seine Vorfahren trugen einst die Ritterrüstung, er hält Distanz.

Sind Sie introvertiert? «Nicht speziell», meint er. Es liege wohl in den Genen seiner Familie, dass man nicht bei jeder Jetset-Party dabei sei. Und: «Es ist ein gewisses Mass an Lebensweisheit, sich da und dort zurückzuhalten, um seinen Lebensstil mit eigener Privatsphäre noch führen zu können.» Die von Liechtensteins meiden blaublütigen Rummel und ständige Medienpräsenz.

Seine 34 000 Untertanen im 160 Quadratkilometer grossen Zwergstaat – Appenzell Innerrhoden ist knapp grösser – müssen sich auf einen weiteren politisch aktiven Herrscher einstellen. Er sieht sich im Sinne von Checks and Balances als unabhängige Kraft an der Spitze Liechtensteins: «Zu langfristig wichtigen Dingen werde ich klar Stellung nehmen.»

Einen Vorgeschmack lieferte die harte innenpolitische Diskussion um die neue Verfassung, wo Fürst und Erbprinz deckungsgleich auftraten. In Verhandlungen könne Alois seinen Charme ablegen und auch mal «saugrob» werden, erzählen Insider. Vater und Sohn hatten auf einer neuen Verfassung bestanden und mit dem Wegzug gedroht. Das Volk stimmte der Verfassungsänderung bekanntlich mit grosser Mehrheit zu und zementierte die Monarchie.

LGT Group
Der Goldesel derer von Liechtenstein


Rund 100 Millionen Franken überwies der Liechtenstein Global Trust (LGT) der Stiftung Fürst Liechtenstein im letzten Jahr. Das Finanzimperium der Fürstenfamilie konnte sich diesen Obolus locker leisten, betrug die Zunahme der konsolidierten Eigenmittel doch 326 Millionen. Die LGT-Gruppe mit dem Herzstück LGT Bank in Liechtenstein und Standorten unter anderem in der Schweiz, Deutschland, Hongkong und Singapur sowie eigenen Gesellschaften für Asset-Management (LGT Capital Management), für alternative Investments (LGT Capital Partners) und für Finanz- und Steuerberatung (LGT Trust, Schweizerische Treuhandgesellschaft STG) präsentiert sich als umfassende Anbieterin im Private Banking und Wealth-Management. Die LGT betreute Ende 2003 Vermögenswerte von 48,5 Milliarden Franken. Will die Kundschaft die EU-Zinsertragssteuer umgehen, ist LGT in Fernost parat. Grosses Geld ist bekanntlich flüchtig.


An der Neuausrichtung – Going-private der LGT-Bank und lukrativer Verkauf einer Asset-Management-Division – arbeitete Erbprinz Alois aktiv mit. Der Verkaufserlös bildete den Grundstock des 1,7 Milliarden schweren fürstlichen Portfolios. Die LGT erzielte damit seit dem Start vor fünf Jahren eine beachtliche Performance von 31,2 Prozent. Neben Fürst und Erbprinz sind weitere Familienmitglieder ins Finanzgeschäft involviert: Philipp von Liechtenstein, ein Bruder des Fürsten, ist Präsident der LGT-Gruppe, ein weiterer Sohn des Fürsten, Maximilian, arbeitet im Bereich alternativer Anlagen.

Nach seinem Jus-Studium arbeitete Alois als Wirtschaftsprüfer in London und seither meist im eigenen Finanzunternehmen Liechtenstein Global Trust (LGT). Er wählt bewusst ökonomische Termini: Liechtenstein müsse ähnlich vorgehen wie ein Unternehmen, das seine Strategie überprüfe. Gemeinsam mit internationalen Experten werkelt Alois an einem Zukunftsprogramm. Ein Land zu regieren, ist für ihn, wie eine Firma zu führen – mit dem Staatsoberhaupt als Verwaltungsratspräsidenten und dem Regierungschef als CEO fürs Tagesgeschäft.

Das tönt dann so: «Wir müssen Schwerpunkte setzen und festlegen, welche Aufgaben übernehmen Land oder Gemeinden und wo zieht sich die Politik besser zurück.» Er sei gegen das Giesskannenprinzip, bei dem sich das öffentliche Füllhorn über alles und jedes ergiesse, und kritisiert die fehlende Ausgabendisziplin in den Boomjahren. Das soll sich ändern. Grundsätzlich sei kein Bereich vom Sparen ausgenommen. «Um für die Zukunft mehr Beweglichkeit zu schaffen und als Kleinstaat flexibel zu bleiben.»

Das künftige Staatsoberhaupt hebt den Warnfinger trotz komfortabler Ausgangslage: Obwohl die Steuererträge tiefer als budgetiert ausfielen, resultierte 2003 bei Gesamtausgaben von 778 Millionen Franken ein Ertragsüberschuss von 48,7 Millionen Franken. Dies vor allem dank dem Vermögensertrag. Während die Nachbarländer unter Schuldenbergen ächzen, hat das Fürstentum gut eineinhalb Jahresausgaben auf der hohen Kante. Noch besser schaut es beim AHV-Fonds aus, wo die Reserven ohne Einnahmen für zehn Jahre reichen würden. Der Spitzensteuersatz für Erwerbseinkommen beträgt 17,01 Prozent, die maximale Vermögenssteuer 0,85 Prozent. Die Arbeitslosenrate liegt bei 2,2 Prozent.

Was würde Alois etwa dem gebeutelten deutschen Finanzminister Hans Eichel raten, sollte der ihm einmal gegenübersitzen? Eichel wählte angesichts der deutschen Steuerflucht ins Alpenländle das wenig schmeichelhafte Attribut von der «Made im europäischen Speck». Alois würde sein gewinnendes Lächeln aufsetzen und weiter ausholen: «Im Mittelalter gab es Bauernaufstände, weil mehr als der Zehnte verlangt wurde. Heute bekommen die Steuerzahler vom Staat zwar eine bessere Gegenleistung als damals. Wenn aber die Bürger mehr als die Hälfte des Jahres für den Staat arbeiten müssen, dann sind sie dazu nicht mehr bereit.» Bei einem einfachen System mit tiefen Steuersätzen sinke auch die Attraktivität, nach Liechtenstein zu kommen.

In den Genen derer von Liechtenstein liegt auch ökonomische Vorsicht begründet. Man weiss im Schloss ob Vaduz aus eigener Erfahrung, wie rasch sich das Blatt wenden kann. Heute wird das fürstliche Vermögen auf sieben bis neun Milliarden Franken geschätzt. Drei Jahrzehnte zuvor stand das Adelshaus vor dem Bankrott. Mit Verkäufen aus der fürstlichen Kunstsammlung mussten die Haushaltslöcher gestopft werden.

Den Turnaround schaffte Fürst Hans-Adam II. Der Nationalökonom mit Lizenziat der Hochschule St. Gallen räumte auf mit dem Schlendrian, strich Apanagen an nicht regierende Familienmitglieder, ordnete das heterogene Familienvermögen neu, entstaubte die betuliche Hausbank und machte das Finanzgeschäft als aktiver Anleger und globaler Anbieter im Private Banking zum Goldesel (siehe «LGT Group» links). Zu Hilfe kam den klammen Adeligen dabei die Blüte ihrer Steueroase mit dem bestgehüteten Bankgeheimnis.

Das Staatsoberhaupt ist also nicht Schiedsrichter, sondern wichtiger Mitspieler, wenn es ums grosse Geld geht. Bankgeheimnis und Steuerwettbewerb verteidigt er auch aus Eigeninteresse. Kein Widerspruch für die von Liechtensteins – das Geld müsse man verdienen, um sich das Regieren leisten zu können. Die Kosten der Monarchie trage man ja selber. Dafür bezahlen Fürst und Erbprinz keine direkten Steuern. Nein, die Familie sitze nicht aus steuerlichen Gründen auf Schloss Vaduz, sagt Alois. Wenn er die Opportunitätskosten gegenrechne – das Schloss ist teuer, seine Zeit könnte er auch anders nützen, und grosse Vermögen liessen sich heute vielerorts Steuer sparend verwalten – würde man ohne Staatsamt wohl besser fahren. «Wir haben das aber nicht im Detail berechnet.»

Neben dem Regieren wird der Erbprinz die Hälfte seiner Zeit weiterhin den verschiedenen Unternehmen der Familie widmen. Nicht operativ, aber als stellvertretender Vorsitzender der Fürst-von-Liechtenstein-Stiftungen. Den Vorsitz behält Hans-Adam II. Dazu Alois: «Wir teilen uns die Aufgaben und arbeiten projektbezogen.» Nur wenn der Fürst abdankt oder austreten möchte, gibt es hier eine Änderung. Beides ist kein Thema.

Die Fürst AG ist in die drei Bereiche Finanzen, Kunst und Ländereien/Immobilien gegliedert, über denen jeweils als eine Art übergeordneter Verwaltungsrat eine fürstliche Stiftung thront. Fürst und Erbprinz haben sich Fachleute in diese Gremien geholt. Juwel im fürstlichen Portefeuille ist die Kunstsammlung, bestehend aus 40 000 Objekten. Die bekanntesten Werke sind Gemälde und Skulpturen von Rembrandt, Rubens, de Fries, Rauchmiller und Soldati. Dazu kommen eine der bedeutendsten Waffensammlungen Europas, Porzellan und Schnitzereien. Ein Grossteil der Schätze – Wert drei bis vier Milliarden Franken – wird im heimischen Schloss gebunkert. Ein kleiner Teil ist im Landesmuseum in Vaduz und neu im prächtigen Wiener Gartenpalais ausgestellt, das die Fürstenfamilie kürzlich für 35 Millionen Franken renovieren liess. Das Palais an der Bankgasse in Wien wird ebenfalls renoviert und als Museum zugänglich gemacht.

Dritter Bereich sind Immobilien, grosse Landwirtschafts- und Forstbetriebe in Wilfersdorf und Kalkwang (A), die Hofkellerei mit Weingütern, ein Betrieb für Ballenpflanzen und die Rice Tec im texanischen Alvin. Das Unternehmen mit Tochtergesellschaften in Südamerika züchtet, entwickelt und produziert Reissorten. Wegen Patentierungen wurden die Liechtensteins auch schon der Ausbeutung von Entwicklungsländern bezichtigt. Die Entrüstung hat sich wieder gelegt.

Nicht gelegt hat sich der Ärger der Fürstenfamilie über Tschechien, wo man früher gut zwei Prozent der land- und forstwirtschaftlichen Grundfläche samt Schlössern, Kunst und Industriebeteiligungen besass. Der Besitz wurde Ende 1945 eingezogen und verstaatlicht. «Wenn wir unser Eigentum schon nicht zurückerhalten, wollen wir wenigstens angemessen entschädigt werden», fordert der Erbprinz. Auch Deutschland wird in diesem Zusammenhang wegen Verletzung des Völkerrechtes vor dem Gerichtshof in Den Haag eingeklagt. Cash wäre den Liechtensteins wohl am liebsten, denn in die maroden Schlösser und Firmen müsste viel investiert werden.

Freut sich Alois auf seine Aufgabe als Staatsoberhaupt? Euphorie ist nicht spürbar, eher Genugtuung. «Ich konnte mich seit längerer Zeit darauf vorbereiten und freue mich, nun meine Vorstellungen einbringen zu können.» Seine Agenda wird noch voller werden. Das sieht er als Nachteil. Der offizielle Akt wird im gewohnten Stil des Hauses erfolgen – ohne Pomp. BMW wollte 25 seiner Limousinen gratis zur Verfügung stellen, um die geladenen Gäste zu chauffieren. Das Fürstenhaus hat dankend abgelehnt.