Für seine neue Sommerkollektion hat Andy Tanner bereits Bestellungen für 110 000 Teile auf dem Tisch. Dennoch musste Tanner auf sein Haus weitere Hypotheken aufnehmen, um die aktuelle Produktion seiner jungen Trendmarke zu finanzieren. «Offensichtlich sind wir mit budgetierten sechs Millionen Franken Umsatz für die Banken noch immer zu klein und uninteressant», erzählt Tanner. «Aber das wird sich in nächster Zeit hoffentlich ändern.»

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Alprausch, obwohl erst seit drei Jahren auf dem Markt, gehört in der Schweiz und teilweise auch im benachbarten Ausland zu den trendigsten Herstellern von Snowboardklamotten und der dazu passenden Freizeitbekleidung. Ob Bikini Irina oder Overall Max: Was das Zürcher Modelabel Alprausch anbietet, geht weg im Nu. Was im Industrieviertel beim Zürcher Bahnhof Giesshübel ausgedacht, kreiert und weiterentwickelt wird, schafft es selten bis in die Ausverkaufssaison, die Regale mit den Jacken, Mützen, Mänteln oder Faserpelzen des Zürcher Labels sind oft schon vorher leer geräumt.

Mit einer Stilmischung aus Skateboard- und Snowboardmode sowie Freizeitkleidung für die sportliche Mittdreissigerin ist es Tanner gelungen, innert Kürze eine neue Marke zu etablieren, die in Snowboardläden und Sportfachgeschäften zu den Trendsettern gehört. Obwohl die Alprausch-Linie mit dem Edelweisskitsch und Enzianchic eines Michel Jordi nur am Rande zu tun hat, orientiert sich auch das Zürcher Label an zahlreichen Schweizer Klischees.

Ziel sei es, sagt Tanner, die Marke Alprausch als neuen Schweizer Klassiker zu etablieren. Bewusst setzt Tanner Assoziationen aus den Sechziger- und Siebzigerjahren ein, was nicht nur bei der Snowboardjugend anzukommen scheint, sondern auch bei der Pillenknick-Generation, die sich gerne an die Boomzeiten erinnert, als die Schweiz begann, in Massen in die neu ausgebauten Skigebiete der Schweizer Alpen zu pilgern. Etwas Marie-Therese Nadig, ein Schuss James Bond, etwas Murmeltier und Matterhorn oder Aletschgletscher und Alpenglühn gehören zum Grundstock der Alprausch-Kollektionen. Mit folkloristischen Elementen, die trendbewusst umgesetzt werden, profitiert Alprausch vom Schwung der Expo.02 für eine neue, ungezwungene Verbundenheit mit der Schweiz.

Tanner, der 1985 in Zürich den ersten Snowboardladen Europas eröffnete, bezeichnet sich selber als kommerziellen Punk, der Mode herstelle, in der ein Hauch von Subkultur mitschwinge. Das mag typisch sein für eine Marke, deren Gründungsgedanke auf die Snowboard- und Skateboardjugend ausgerichtet war, bevor sie von den gut betuchten Müttern der Freestyle-Kids entdeckt und auch für die Elterngeneration zum Trendlabel erkoren wurde. Typisch auch für eine Marke, die sich mit einem breiten Angebot an Accessoires auch dem Budget der H&M-Jugend anpasst, die sich zur Massen- und Billigware gerne den einen oder anderen Blickfang kauft, um nicht als völlige Markenmuffel abgestempelt zu werden.

Der Verlockung, dem Werben von Migros oder Manor nachzugeben, hat Tanner bis heute widerstanden. Obwohl ihm Grossverteiler und Kaufhausketten die Tür einrennen, will der Alprausch-Gründer nichts von abrupten Umsatzsprüngen wissen. «Das Schlimmste für uns wäre, dereinst als Massenware gehandelt zu werden. Das widerspricht unserer Idee und unserer Kreativität», begründet Tanner seinen Entscheid, die Alprausch-Produkte nur in ausgewählten Trendshops und Sporthandlungen zu verkaufen. «Im Umfeld eines Grossverteilers würden wir zu schnell auf Mainstream getrimmt, was unserem Untergang gleichkäme.»

Doch nicht nur Alprausch hat es in den vergangenen Jahren mit eigenständiger Mode und ohne fremde Hilfe teurer Werbeagenturen zum Trendsetter geschafft, sondern auch die bereits seit 1995 bestehende Marke Zimtstern von Thomas Meyer und Reto Kuster. Die beiden 32-jährigen Jungunternehmer bearbeiten den Markt von ihrem neuen, kühl-trendigen Hauptsitz in Zürich Altstetten aus. Meyer, der Zimtstern zusammen mit seiner Freundin und seinem Partner vor acht Jahren lanciert hat, orientiert sich weit weniger als Tanner an der Schweizer Wintersporttradition. Seine Linie ist einiges eleganter und – vor allem was die Materialien betrifft – weit technischer und funktionaler. «Die Zeiten, als unsere Teile in ungeheizten Snowboardgaragen verkauft wurden, sind längst vorbei», erzählt Meyer, dessen Firma heuer einen Umsatz von etwa 6,5 Millionen Franken anpeilt.

Auch Meyer hat ein Label kreiert, das im Sportfachhandel zu den trendigsten gehört und das stilistisch wie auch funktional der Massenware der grossen Anbieter weit überlegen ist und in vielen der rund achtzig Schweizer Verkaufsstellen bereits zu den meistverkauften Marken gehört. Und dies, obwohl Zimtstern preislich zur Oberklasse zählt. Damit hat sich Zimtstern nicht nur als Trendlabel der Snowboardjugend positioniert, sondern auch als Sport- und Freitzeitmarke für 15- bis 40-Jährige. Heute kaufen auch jene Mütter bei Zimtstern ein, die bei der Ausstattung ihrer snöbenden Kinder ungern sparen und die sich für ihre Grosszügigkeit gleich selber belohnen. «Unsere Kollektion ist in der Tat reifer geworden, zu unserer Kundschaft gehören auch viele Frauen, weil wir im Vergleich zu den meisten Herstellern von Snowboard- und Freizeitbekleidung verstärkt auf den modischen Aspekt setzen», so Meyer. «Es ist ein schöner Nebenaspekt, wenn wir nicht mehr nur als reines Snowboardlabel gelten.»

Der ausgebildete Koch, der seine ersten Gehversuche in der Modebranche wie der Alprausch-Chef ebenfalls mit eigenen Snowboardläden machte, will an seinem Zielpublikum festhalten und sich als Nischenanbieter weiter etablieren. «Solange ich diese Firma führe, werden weder Grossketten noch fremde Investoren das Sagen haben.» Deshalb drängt Zimtstern vermehrt ins Ausland: Vor allem Deutschland und Österreich werden bearbeitet, aber auch mit japanischen und kanadischen Interessenten laufen Verhandlungen. «Nur wenn wir unsere Linie halten und auch künftig nur mit erstklassigen Shops und Sportgeschäften zusammenarbeiten, können wir uns gegen die Grossen der Branche behaupten», betont Meyer auch. «Denn die enge Zusammenarbeit mit ausgewählten Verkaufspunkten garantiert uns eine gewisse Treue und liefert uns das nötige Feedback für die Entwicklung der kommenden Kollektionen.»

Alprausch und Zimtstern, das ist die Geschichte von zwei jungen Schweizer Modelabels, die nicht zuletzt von der alten Textilerfahrung und der auf nüchterne Art überzeugenden Designtradition der Schweiz profitieren, auch wenn ihre Ware heute in erster Linie in China hergestellt wird. «In Sachen Textildesign und Textilinnovation findet man hier zu Lande nach wie vor ein grosses Know-how, von dem wir gewaltig profitieren können», sagt Alprausch-Besitzer Tanner. «Auch wenn es einiges kosten wird, möchte ich künftig einige Teile voll und ganz in der Schweiz produzieren.»