Andermatt Swiss Alps profitiert von Steuerflucht: Sawiris-Familie buhlt um norwegische Milliardäre

Andermatt setzt auf die Norweger. Sechs Wohnungen hat das Immobilienunternehmen Andermatt Swiss Alps allein in den vergangenen zwölf Monaten verkauft – und in den kommenden Monaten sollen es nochmal mindestens doppelt so viele werden. Weil das Interesse an Eigentumswohnungen wächst, verstärkt das Unternehmen seine Investitionen. Im April reisten Maria Roström, Vertriebsleiterin für die nordischen Länder, und Kommunikationsleiter Stefan Kern nach Oslo. Vier Tage lang sprach die Schweizer Mini-Delegation mit norwegischen Maklern, Vermögensverwaltern, Anwälten und Medien. Immer ein Thema dabei: Die Steuererhöhungen, vor denen Norwegens Reichste seit vergangenem Jahr in Scharen fliehen – und das besonders gern in die Schweiz. «Wir wollen nicht, dass die Leute nur wegen Steuern herziehen, aber natürlich heben wir die Steuervorteile hervor, wenn wir für Andermatt werben», sagt Maria Roström. Die gebürtige Schwedin, zuvor Director of Sales im «The Chedi Andermatt», ist seit einem halben Jahr dafür zuständig, die Destination für Ferien und als dauerhaften Wohnsitz im Norden bekannt zu machen («Wir wollen Andermatt in die Köpfe reinbringen!») und Immobilien an den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen. Dass die Verkaufsleiterin in Norwegen auf bereits gepackte Umzugskisten trifft: offenbar Glück. Reiche Norweger können in Andermatt Steuern verhandeln Schon vor anderthalb Jahren entschied Andermatt Swiss Alps, Akquisen in Skandinavien auszubauen – da hatte die sozialdemokratisch geführte Regierung in Oslo zwar bereits Steuererhöhungen und die Einführung der sogenannten Lachssteuer angekündigt, die tatsächlichen Auswirkungen aber waren noch nicht absehbar. Die Mehrheit von Andermatt Swiss Alps ist im Privatbesitz von Samih Sawiris. 49 Prozent der Gesellschaft gehören der börsenkotierten Orascom DH, die «Sawiris junior» steuert: Naguib Sawiris, Sohn des ägyptischen Grossinvestors, ist seit Mai 2022 Verwaltungsratspräsident. Die Sawiris-Familie sah offenbar grosses Potenzial bei den Skandinaviern: eher allgemein im hohen Wohlstands- und Einkommens-Level, bei der Reisefreudigkeit und im Outdoor-Enthusiasmus. In Stockholm und Oslo baute Andermatt Swiss Alps Präsenz auf. Die Steuerflucht-Ambitionen wirkten als Marketing-Turbo. Im Herbst 2022 vermeldeten norwegische Medien praktisch jede Woche einen prominenten Umzug in die Schweiz. Die meisten der norwegischen Milliardäre zog es zwar ins besonders steuergünstige Zug und ins sonnige Tessin, doch auch Andermatt profitierte. Auch hier können die reichen Zuzüger ihre Steuern individuell aushandeln. Die sechs Wohnungen, die Andermatt Swiss Alps innerhalb eines Jahres an Norweger verkaufte, gelten mit mehr als 100 Quadratmetern als eher gross und kosteten im Schnitt je 2 Millionen Franken. Norwegischer Milliardär «bedankt» sich bei der Regierung Innerhalb kürzester Zeit lösten die Norweger die Schweden als attraktivste Neu-Käufergruppe in Andermatt ab. Einer griff gleich doppelt zu: Der 180-Millionen-Franken schwere Immobilienunternehmer Kjartan Aas, der nach eigenen Angaben nur noch 15 Minuten am Tag arbeitet und laut und gern gegen die Vermögenssteuer in seinem Heimatland wettert. Er sei Norwegen «dankbar» für die aus seiner Sicht unfaire Steuerpolitik, verkündete er gegenüber der Wirtschaftszeitung «Kapital»: Andernfalls wäre er nie nach Andermatt gekommen. Schon kurz vor der grossen «Norweger-Welle» zog er im Dezember 2021 in eine fertig eingerichtete Luxuswohnung nahe des «Radisson Blu». Kostenpunkt: 2,5 Millionen Franken. Für eine zweite, 225 Quadratmeter grosse Wohnung, legte er 5,2 Millionen auf den Tisch. Er rechnet damit, dass der Wert auf 7 bis 8 Millionen steigt. Aas’ Investment macht auf eine Ausnahmeregelung aufmerksam: Als einzige Alpen-Destination ist Andermatt bis 2040 von der Lex Koller befreit. Die norwegischen Käufer können damit erstens leichter selbst Immobilien erwerben und sind auch beim Wiederverkauf nicht eingeschränkt. Ein unschlagbarer Standortvorteil, falls die Neu-Andermatter weiterziehen wollen. Andermatt Swiss Alps rechnet mit steigenden Verkaufszahlen Bis Anfang März dieses Jahres zählte die Wirtschaftszeitung «Dagens Næringsliv» 49 Superreiche, die innerhalb kurzer Zeit in die Schweiz gezügelt sind. Weil die grössten Treiber der norwegischen Umzugskarawane die erhöhten Vermögens- und Dividendensteuern sind, die erst Ende Dezember wieder fällig werden, dürfte die Zahl im kommenden Herbst nochmals kräftig steigen. «Das Interesse nimmt zu», bestätigt Stefan Kern, Kommunikationsleiter von Andermatt Swiss Alps. «Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten zwölf Monaten nochmal gegen ein Dutzend Wohnungen im skandinavischen Markt verkaufen.» Und es wäre noch mehr drin: Der Baustart für sechs neue Häuser mit rund neunzig Wohnungen naht, 80 Prozent sind aktuell noch zu haben. Mit einem sofortigen Einzug wird es allerdings nichts: Die Wohnungen sind erst in anderthalb Jahren fertig. Doch Andermatt ist fest entschlossen, den Standortvorteil weiter zu nutzen. Im Bergort mit seinen 1595 Einwohnern dominieren neben den Schweizern (50 Prozent) aktuell Deutsche (10 Prozent) sowie Briten, Asiaten und Italiener (je 5 Prozent). Die Norweger stellen bislang nur einen Bruchteil, gelten aber als unkomplizierte Gäste und sind gern gesehene Zuzüger: keine übertriebenen Sonderwünsche, begeisterte Langläufer, Skifahrer und Velofahrer. Nach dieser Klientel wirft man in Andermatt gern die Angel aus. Bald könnte sich die wachsende Norweger-Community in Andermatt sogar noch wohler fühlen als bis anhin schon: Die norwegischen Unternehmer Merete und Christian Marstrander übernehmen das Restaurant am Golfplatz beziehungsweise der Langlauf-Loipe. Mit ihrer Firma Cotton Lifestyle will das Ehepaar den Spirit ihrer Beach Clubs auf Mallorca, Ibiza und Zakynthos ab Dezember auf 1437 Meter über dem Meeresspiegel bringen. «Wir freuen uns auf die Eröffnung», sagt Christian Marstrander auf Anfrage. «Wir ziehen im September auch selbst nach Andermatt und werden dort eine Wohnadresse haben.» Die norwegische Steuerpolitik habe bei diesem Entscheid allerdings keine Rolle gespielt, sagt er. Sein Heimatland hat er nämlich schon vor 24 Jahren verlassen.

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