Davos war schon teuer, doch New York ist unerschwinglich. «Den Umzug nach New York konnten wir uns nicht leisten», sagt Ascom-Sprecher Stephan Howeg. Das Management des trudelnden Telekomkonzerns ergriff die Gelegenheit, sich als strategischer Parnter des World Economic Forum (WEF) zu verabschieden. Damit geht eine lange Liaison zu Ende. Ab 1990 hatte Ascom am Davoser Gipfel die Telekommunikation sichergestellt. Aus den damals 200 Telefonapparaten wurde über die Jahre ein Arsenal von mehreren Tausend Telefonen, diversen Funknetzen und Kommunikationszentren mit allen technischen Finessen. Allein am WEF 2001 installierte Ascom Hard- und Software im Wert von mehreren Hunderttausend Franken.

Sparen ist auch bei Heidrick & Struggles, einem der weltweit grössten Executive-Search-Unternehmen, angesagt. «Wir haben unsere Partnerschaft mit dem WEF unterbrochen», sagt Jürgen Mülder, Chairman von Heidrick und WEF-Teilnehmer der ersten Stunde. Auch die Unternehmensberatung Arthur D. Little figuriert neuerdings nicht mehr auf der Liste der WEF-Hauptsponsoren. Die neue Chefin, Pamela McNamara, findet die Veranstaltung schlicht zu teuer. Sie liess die Consultingfirma vom strategischen zum gewöhnlichen WEF-Partner degradieren – und zahlt damit statt 315 000 nur noch 130 000 Franken Jahresgebühr.

Wenn Klaus Schwab Ende Januar im NewYorker «Waldorf-Astoria» die erste Garde aus Politik und Wirtschaft zum 31. WEF versammelt, gehören 36 Unternehmen zum exklusiven Klub der strategischen Partner. Die Rückzüge kommen ungelegen, schreiben sie doch einen Trend fort, der schon früher seinen Anfang genommen hat: Die Einnahmen des WEF steigen weniger stark als die Ausgaben. Im Rechnungsjahr 2000/01 standen Erträge von 63,8 Millionen Franken Kosten von 63,6 Millionen Franken gegenüber. Hatte der Überschuss im Geschäftsjahr 1999/2000 noch 1,7 Millionen Franken betragen, schmolz er letztes Jahr auf 250 000 Franken. Für den diesjährigen Gipfel rechnet WEF-Präsident Schwab zwar nicht mit Einnahmeausfällen, der kurzfristig anberaumte Umzug von Davos nach New York sei aber mit grossen Zusatzkosten verbunden.

Dabei ist das WEF das Kernstück und mit Abstand die rentabelste Einheit der schwabschen Unternehmen. In den 30 Jahren ihres Bestehens hat sich die Stiftung von einem schlichten Gebilde zu einem unübersichtlichen kommerziellen Betrieb mit zahlreichen Nebenprojekten und Konferenzablegern gewandelt. Die Beliebtheit dieser Kontaktbörsen, der wirtschaftliche Aufschwung der Neunzigerjahre und das stürmische Wachstum an den Finanzmärkten weckten auch bei Schwab, dem unentwegten Weltverbesserer, neue Begehrlichkeiten. Doch abgesehen vom alljährlichen Glamour-Gipfel in Davos, hatte der 63-Jährige in finanziellen Belangen selten eine glückliche Hand.

Mitte der Neunzigerjahre entwickelte sich das Davoser Treffen dank Schwabs Euphorie für neue Technologien zu einem IT-Treibhaus sondergleichen. Zwei Start-ups, auf die Klaus Schwab grosse Stücke hielt, gediehen in diesem Ambiente: Think Tools und Industry-to-Industry, kurz i2i. Zudem wollte Schwab mit einem privaten Videokonferenznetzwerk die Elite der Welt zum Dialog bewegen. Schon fünf Millionen Franken hatte er in das Projekt gesteckt, als ihm einer zu verstehen gab, er baue ein Luftschloss. Der Zürcher Financier Peter Friedli hatte das Intranetvorhaben analysiert und ihm dringend von weiteren Investitionen abgeraten. Kurzum erteilte Schwab Friedli den Auftrag zur Liquidation.

Seither gehen die beiden durch dick und dünn. Friedli wie Schwab haben Millionen in die Zürcher Softwarefirma Think Tools gesteckt, beide sind zudem an der US-Auktions-Site i2i beteiligt. Als Think Tools im Frühling 2000 an der Schweizer Börse kotiert wurde, war Schwabs Stiftung über Nacht um über 100 Millionen Franken reicher geworden. Heute ist sein Paket gerade noch dreieinhalb Millionen Franken wert. Schwab will es vorderhand behalten und hofft, «dass das neue Management mit einem neuen Businessmodell dafür sorgen kann, dass der eingetretene Verlust zumindest teilweise wieder ausgeglichen werden kann.»

Auch das Investment in i2i unterliegt dem Prinzip Hoffnung. Als Klaus Schwab die Firma 1998 gründete, verfolgte er die Idee, im Cyberspace eine Handelsplattform zu gründen. Ein Jahr später, anlässlich des Davoser Forums, präsentierte i2i in den Schweizer Bergen die erste Generation seines «Online-Trading-Hubs». Hasso Plattner, Chef des Softwaregiganten SAP, war von dem Vorhaben derart begeistert, dass er gegen 40 Prozent von i2i erwarb. Weitere Getreue von Schwab pumpten 16 Millionen Dollar in die Firma, darunter die Bank Vontobel, bei der Klaus Schwab im Verwaltungsrat sitzt, sowie Peter Friedli. Dieser wurde Präsident des Verwaltungsrates, Klaus Schwab sein Vize.

Doch Schwab ist bereits wieder zurückgetreten. Wie bei Think Tools ist ihm der Spass auch an i2i vergangen. Die aktuellsten Firmen-News auf der Homepage www.ind2ind.com datieren vom 24. Juli letzten Jahres, die Firma schreibt Verluste, dringend benötigtes weiteres Venture-Kapital ist angesichts der Internetflaute unerreichbar. In dieser ausweglosen Lage entschlossen sich die Eigner, i2i zu verkaufen. Peter Friedli, der den Deal abwickelt: «Wir stecken mitten in den Verhandlungen.» Noch hält Schwab 25 Prozent an i2i und an Think Tools 5,8 Prozent; zusammen mit weiteren Beteiligungen an börsengängigen Unternehmen lagern die Investments im Portefeuille der World Communication Development (WCD), einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Chur. Deren Vermögen betrug Mitte letzten Jahres 5,6 Millionen Franken.

Die Firmenchronik von WCD trägt unverkennbar Schwabs Handschrift. Gleich dreimal seit der Gründung 1988 liess der Professor Namen und Zweck seiner Gesellschaft ändern, von International Educational Services in World Link, dann von World Link in WCD. Stets mit von der Partie war der Präsident der Churer Treuhandfirma Arcadia, Kurt Alig. Ihn lernte Schwab an einem feierlichen Anlass kennen: 1971, als der 32-jährige Schwab in der Kanzlei des Churer Rechtsanwalts Duri Capaul seine erste Stiftung gründete. Als Alig wenig später die Treuhandgesellschaft seines Vaters übernahm, übertrug ihm Schwab ein Beratermandat.

Seither zieht sich der Name Kurt Alig wie ein roter Faden durch Schwabs Leben. Der Sitz der Arcadia Treuhand an der Quaderstrasse in Chur ist zugleich Wiege der Schwab-Stiftungen. Der Bündner amtiert als Sekretär im Stiftungsrat des WEF und wickelt das Finanz- und Rechnungswesen der Schwab-Gesellschaften ab. Ein Kenner der Verhältnisse nennt ihn «graue Eminenz», Alig selbst spricht in der Manier des diskreten Treuhänders von einer «Verbindung des Vertrauens».

Wo Alig nicht direkt auftritt, sitzt sein Kompagnon René Willi. Er kam Anfang 2001 zum Zug, als Schwab auf öffentlichen Druck in der WCD eine Rochade orchestrierte. Die US-Wirtschaftszeitung «Wall Street Journal» hatte kurz vor dem WEF 2000 den Vorwurf erhoben, Schwab vermenge gemeinnützige Tätigkeit und private Geschäfte. Obschon die eidgenössische Stiftungsaufsicht, die sich auf die Zeitungsberichte hin tiefer über die Bücher beugte, nichts zu beanstanden hatte, wurde Schwab den Ruch des undurchschaubaren Unternehmers nicht mehr los. Flugs begann er umzudisponieren: Er, seine Frau Hilde und Kurt Alig traten aus dem WCD-Verwaltungsrat aus. «Wir wollten eine unabhängige Führung», sagt Alig.

Die neuen starken Männer des Gremiums gehören freilich auch zum engsten Schwab-Zirkel. Präsident wurde ein guter Bekannter von Schwab und Alig: Ulrich Immler, Chef der Bündner Kantonalbank, die zugleich das WCD-Vermögen verwaltet. Delegierter ist Venture-Kapitalist Peter Friedli, der als WCD-Verwaltungsrat Ordnung in die Beteiligungen bringen soll. Und René Willi, Geschäftspartner von Alig, ist ebenfalls Verwaltungsrat. Formaljuristisch gibt es an der Neubesetzung des WCD-Verwaltungsrats nichts zu lästern, doch sie illustriert, mit welcher Konsequenz Klaus Schwab Menschen nach seinem Gusto installiert.

Letztlich hat aber Schwab das Sagen – auch bei der WCD. Die Gesellschaft ist nämlich in vollständigem Besitz der von ihm präsidierten und mit zwölf Millionen Franken flüssigen Mitteln dotierten Schwab Foundation. Im Februar 1998 in Chur als Stiftung für wirtschaftliche und soziale Entwicklung gegründet, nennt sie sich heute Schwab Stiftung für soziales Unternehmertum. Quasi als komplementäres Forum zur WEF-Stiftung gedacht, das sich an Entscheidungsträger richtet, soll die Schwab Foundation Unternehmer fördern, die ihre Mittel zwar effizient einsetzen, dabei aber nicht primär ihren Eigennutzen, sondern sozialen Fortschritt im Sinn haben.

Für diese Idee gewann Schwab namhafte Mitstreiter wie Adolf Ogi, den früheren ABB-Chef Göran Lindahl, den brasilianischen Autor Paulo Coelho, regelmässig Gast in Davos, oder den Musiker Quincy Jones, der in Davos jeweils für das musikalische Rahmenprogramm sorgt. Fast lässt einen die prominente Besetzung übersehen, dass der Start der Foundation nicht wunschgemäss geglückt ist. Die Stiftung leidet unter den schwindenden Erträgen aus den Not leidenden WCD-Beteiligungen, mit denen das Preisgeld von einer Million Dollar finanziert werden soll. Nachdem die erstmalige Preisvergabe ursprünglich schon im November in Genf hätte stattfinden sollen, steht sie nun auf der Agenda des Wirtschaftsgipfels in New York.

An der grössten Kontaktbörse der Welt wird Klaus Schwab wieder intensiv Gelegenheit haben, Stimmungen aufzuspüren und Trends aufzugreifen. «Klaus Schwab ist ein Zeitgeistsurfer», sagt Otto C. Honegger, der den Professor für einen Dokumentarfilm, der am 14. Februar 2002 im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wird, ein Jahr lang begleitet hat. Schwab, Weltmeister im Aufbau und Vermitteln von Kontakten, geht immer nach dem gleichen Muster vor: Mit Smalltalk öffnet er sein Gegenüber, um danach an Informationen heranzukommen, die ihn wirklich interessieren. Er formuliert ein Geheimnis seines Networking so: «Ich musste in meinem Wissen immer ein wenig der Zeit voraus sein.»

So vergrössert der kommunikationsbeseelte Professor unablässig sein Ideenreservoir. Ist er nicht gerade auf einer seiner vielen Geschäftsreisen, entwickelt er am Hauptsitz des WEF in Cologny GE eine Idee nach der anderen. Das «Wall Street Journal» bezeichnete ihn einst als «human tornado of ideas», eine Mensch gewordene Ideenmaschine. Das Klubsekretariat im Genfer Vorort ist das Herzstück des schwabschen Beziehungsnetzes. Nachdem es jahrzehntelang in einer biederen, kleinen Villa untergebracht gewesen ist, residiert es heute in einem repräsentativen Glasbau am Ufer des Genfersees. Schwab liess das Gebäude vor zwei Jahren für 20 Millionen Franken erbauen. Es springt durch seine avantgardistische Architektur ins Auge, hinterlässt aber auch in den Büchern tiefe Spuren.

In Cologny pflegt der Professor für Unternehmensstrategie seinen eigenen Managementstil. Es tummeln sich dort viele junge Hochschulabgänger, die das WEF als Sprungbrett für die Karriere benützen – junge, willige und billige Arbeitskräfte, die bald merken, dass der Job weniger glamourös ist als erwartet. Klaus Schwab erwartet von seinen Mitarbeitern schier grenzenlose Flexibilität. «Die Organisation ist unstrukturiert und ändert ihre Form regelmässig», sagt der ehemalige Mitarbeiter Thomas Scherer, «die Hierarchien sind sehr flach und informell, der Druck und das Tempo konstant hoch.» Obschon die Fluktuation hoch ist, findet Schwab stets neue Arbeitskräfte, die sich für die WEF-Organisation begeistern. In den letzten zwei Jahren ist der Personalbestand von 80 auf 160 gestiegen, die Personalkosten wuchsen jedes Jahr 30 Prozent. Konstanter ist die Zusammensetzung des WEF-Stiftungsrats. Ihm gehören jahrzehntelange Schwab-Vertraute wie Helmut Maucher (ehemals Nestlé), Ferdinand Piëch (Volkswagen), Percy Barnevik (ehemals ABB) und Heinrich von Pierer (Siemens) an. Kürzlich haben die Honoratioren Schwab in corpore gebeten, noch fünf bis sechs Jahre an der WEF-Spitze zu bleiben. Was durchaus im Sinne Schwabs ist: «Solange ich noch jeden Sommer einen Viertausender besteigen und jeden Winter den Engadiner Marathon absolvieren kann», sagt er, «mache ich weiter.»
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