Am Ende des 50 Meter langen Tunnels leuchtet eine Zielscheibe. Am Anfang ist ein rotes Kleinkalibergewehr für einen Test eingespannt. Die Waffe gehört der Schützenkönigin Bettina Bucher, der Tunnel der Herstellerfirma Grünig + Elmiger AG im luzernischen Malters.

Bucher holte sich mit dem Gerät im letzten August den Titel der 300-Meter-Weltmeisterin im Liegendschiessen. Doch weil der viertletzte ihrer sechzig Schüsse statt einer Zehn eine Neun war, schaffte sie nur 599 der 600 möglichen Punkte - womit sie zwar den Weltrekord egalisierte, aber nicht brach. Nun grübeln die Techniker, ob das Präzisionsgewehr für den Punktverlust verantwortlich war - oder die Spitzenschützin.

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Grossist, Händler und Hersteller

Die Experten wollen die Frage im Einschiesskanal klären, einem der modernsten in ganz Europa. Der Testtunnel befindet sich auf dem Betriebsgelände von Grünig + Elmiger. Der Kleinbetrieb mit 15 Beschäftigten gehört in der Schweiz zu den grössten Waffenhändlern. Er importiert Gewehre, Pistolen und Revolver von Herstellern wie Smith & Wesson, Anschütz oder Remington und beliefert damit den Fachhandel.

Auf der Kundenliste der Luzerner stehen neben Jägern und Sportschützen fast sämtliche Schweizer Polizeikorps. Sie decken sich mit aus den USA eingeführten kugelsicheren Helmen, Schutzhauben und Westen ein.

Die exklusivsten Präzisionsgewehre importiert Grünig + Elmiger freilich nicht, sondern stellt sie gleich selbst her. Sechs Modelle produziert die Firma. Sie gelten unter Kennern als die präzisesten 300-Meter-Sportwaffen, die es auf dem Markt zu kaufen gibt. Fast alle der aktuellen 300-Meter-Weltrekorde wurden mit Gewehren aus Malters geschossen. Im Firmenbüro hängen Urkunden von Schiesssportlegenden wie Harald Steenvag an der Wand. Der Norweger holte mehrere Weltmeister- und Olympiasiege.

Die beiden Brüder Rolf und Daniel Grünig leiten das Unternehmen, wobei Daniel für den Konstruktionsbereich verantwortlich ist. Hinter Glas glänzen die Medaillen eines weiteren Grünig - von Emil Grünig, dem Grossvater der heutigen Firmenbesitzer. Emil Grünig wurde als Neunzehnjähriger Schützenkönig, war zehnmal Weltmeister und 1948 in London Olympiasieger. Beruflich hatte er mit Gewehren nichts am Hut: Er war Beamter der Kirchenverwaltung. Aus Emils Schiessvirus machte erst sein Sohn Kurt ein Geschäft. Zusammen mit dem Kollegen Heinz Elmiger startete er vor knapp 50 Jahren die Produktion von Sportwaffen.

Heute fabriziert die Firma jährlich rund 300 High-End-Gewehre - 5000 bis 10 000 Franken kostet ein Exemplar. Die Gewehre gehen fast in die ganze Welt, ausgenommen sind Länder, die auf der schwarzen Liste des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) stehen. «Unsere Gewehre sind nicht für den Gefechtseinsatz im Gelände konzipiert», sagt Daniel Grünig.

Mit der Ausfuhrbewilligung, wie sie auch Sportgewehre brauchen, soll ein Missbrauch zu militärischen Zwecken ausgeschlossen werden. «Wir sind in einem heiklen Gewerbe tätig», räumt Daniel Grünig ein. «Wir unterstützen alles, was gesetzlich klare Regeln schafft.»

Allerdings ist er der Meinung, mit dem geltenden Waffengesetz und der entsprechenden Verordnung sei bereits genügend reguliert. Waffenerwerbsschein, Meldepflicht mit Eintrag ins kantonale Polizeiregister und Waffenhandelsbewilligung: Das sind laut Daniel Grünig wirksame Bestimmungen, um einem Missbrauch vorzubeugen.

Wie alle Waffenhändler hat Grünig für die Waffeninitiative wenig übrig. Die Argumente der Befürworter, die unter anderem auf weniger Suizide hoffen, ziehen bei ihm nicht. «Die Initiative schiesst mit ihren Forderungen nach einem Bedürfnisausweis und einem zentralen Waffenregister weit übers Ziel hinaus», argumentiert er. Bei einer Annahme würden sich viele Sportschützen von ihrem bisherigen Hobby abwenden. Das hätte fatale Folgen für die Branche. «Rund die Hälfte der in der Schweiz tätigen Waffenfachhändler würden in wenigen Jahren verschwinden», schätzt er.

Die Angst vor der Abrüstung teilt Hubert Bonderer, Präsident des Schweizerischen Büchsenmacher- und Waffenfachhändlerverbandes (SBV). «Eine Annahme der Waffeninitiative wäre für den Fachhandel verheerend», sagt er. Leiden würden auch die Grossisten, von denen es noch rund ein Dutzend gibt, sowie die Hersteller von Gewehren. Grösster Produzent in der Schweiz ist die SAN in Neuhausen. Sie fertigt die Sturmgewehre für die Armee. Daneben behaupten sich auch einige Kleinere: Die Sphinx Systems in Interlaken produziert Pistolen, Brugger & Thomet in Thun Zubehörteile für Gewehre, Tanner in Fulenbach und Bleiker in Bütschwil stellen Sportgewehre her. Keine dieser Firmen will sich zur Waffeninitiative äussern.

Keine sympathische Branche

Insgesamt beschäftigt die Branche noch 700 bis 800 Personen, genaue Marktdaten gibt es nicht. SBV-Präsident Bonderer spricht von einer verschwiegenen Zunft, die in gewissen Kreisen der Öffentlichkeit nicht den besten Ruf geniesse. «Völlig zu Unrecht», sagt Bonderer, «ein Waffenfachhändler kann sich nicht das Geringste erlauben, sonst verliert er auf der Stelle sein Patent.»

Grünig kann das nur bestätigen. «Gerade weil die Polizeikorps zu unseren Kunden gehören, werden wir besonders streng kontrolliert.» Die Existenz seiner Firma sieht er zwar nicht gefährdet, falls die Waffeninitiative angenommen wird. Er ist aber über die öffentliche Diskussion enttäuscht: Die Tätigkeiten seiner Firma, so musste er merken, werden längst nicht von allen Kreisen geschätzt.

Zumindest aufgrund ihrer technologischen und unternehmerischen Leistung verdiene das Unternehmen doch eine gewisse Anerkennung, meint Grünig. Denn mit einem Team aus erfahrenen Spezialisten - Ingenieure, Techniker, Programmierer - haben die beiden Brüder das Handwerk des Büchsenmachers ins Hightech-Zeitalter geführt: Die Hauptarbeit leisten heute Hochleistungsroboter, die nach 3D-Programmierung die für die Gewehre benötigten Komponenten aus Metall- und Aluminiumteilen herausfräsen. Wenn nicht gerade eine Umrüstung ansteht, laufen sie rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche: Eine kleine, aber höchsteffiziente Geisterfabrik.

Medizinaltechnische Geheimwaffe

In diesen Tagen ist auch eine erste Serie von Kleinkalibergewehren in Produktion gegangen - Ergebnis einer mehr als zweijährigen Entwicklung. Grünig möchte in diesem Segment eine ähnliche Führungsrolle spielen wie bei den 300-Meter-Sportwaffen. Die ersten Bestellungen deuten an, dass sich die mit diesem Ausbauschritt verbundenen Investitionen bald auszahlen könnten. Die Aussichten wären rosig, denn der Markt für Kleinkaliberwaffen ist viel grösser ist als derjenige der 300-Meter-Schützen.

Zumindest Grünig + Elmiger würde ein Ja zur Waffeninitiative wohl überleben. Denn die Firma hat noch eine weitere Waffe im Arsenal, die einen schönen Teil zum Umsatz beisteuert: Der «Woodpecker» oder Specht, der in der Medizinaltechnik eingesetzt wird. Die Maschine erlaubt es Chirurgen, die Schäfte bei Hüftprothese-Operationen präzis und stabil in den Knochenhals einzubringen. Entwickelt wurde die Maschine vor rund 20 Jahren, zusammen mit einem Dozenten der Hochschule Luzern. Heute werden jährlich rund 400 Stück in Malters produziert und in alle Welt vertrieben.

Noch hofft Grünig, dass er in Zukunft nicht nur von der Medizinaltechnik leben muss. «Es wäre zu schade, wenn all unser über Jahrzehnte beim Bau der besten Sportgewehre entwickeltes Know-how plötzlich nicht mehr gefragt wäre.»