Die Geschichte Gandharas, einer sich heute in grosser Not befindenden Region, war einst geprägt von Reichtum, Toleranz und kultureller Vielfalt. Dies macht die Ausstellung «Buddhas Paradies» im Museum Rietberg deutlich, die zunächst in Bonn und Berlin zu sehen war und im Januar 2010 von Zürich nach Paris reisen wird. Sie umfasst 250 Objekte aus zum Teil neuen archäologischen Ausgrabungen. Fast alle stammen aus Museen in Pakistan und wurden nun erstmals in den Westen ausgeliehen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Gandhara ist zunächst einmal der Name einer historischen Region am Fuss des Hindukusch im Grenzgebiet des heutigen Pakistan und Afghanistan. Spricht man jedoch von der Gandhara-Kultur, so bezieht sich der Name auf ein Gebiet, das weit über das Kernland von Peshawar hinaus vom östlichen Afghanistan bis Islamabad reicht. Heute sorgen diese Regionen für Schlagzeilen. Es sind Kriegsgebiete, in denen sich ein grosses Flüchtlingselend abspielt. Gandhara scheint uns heute als eine weitab liegende Gegend und ein undurchdringliches Gebirgsland. Dabei stand Gandhara, als die sogenannten Seidenstrassen noch die wichtigsten Handelsrouten zwischen Asien und Europa darstellten, im «Zentrum» der Welt. Es ist bezeichnend, dass schon Alexander der Grosse im Jahr 327 v. Chr. Gandhara eroberte, um sich diese strategisch wichtige Region zu sichern.

Ausgrabungen von Stadtgebieten belegen die weitreichenden Handelsbeziehungen Gandharas. Die ausgestellten Luxusgüter aus Gold demonstrieren den ökonomischen und kulturellen Austausch. Gandhara war ein Schmelztiegel - was sich vor allem in der Kunst zeigt, die vielfältige religiöse und kulturelle Einflüsse aufweist. Mit Alexanders Asienfeldzug war die Kultur des Mittelmeerraumes nach Gandhara gelangt und hat sich dank eines stetigen Austauschs zwischen Ost und West über Jahrhunderte erhalten. Die Vielfalt der Figuren, die die Götterwelt Gandharas zu bieten hat, ist faszinierend. So erscheint uns die frühe Kunst Gandharas auf den ersten Blick seltsam vertraut, erinnert sie doch oft stark an die griechisch-römische Antike.

Einfluss aus Indien

Der zweite wichtige Impuls kam von Indien, wo im 5./4. Jahrhundert v. Chr. der historische Buddha gelebt hatte. Um das Jahr null entstanden die ersten Darstellungen des Buddha. Erstmals zeigte man den «Erleuchteten» in menschlicher Gestalt und nicht mehr wie zuvor in Form von Symbolen. Die frühen Skulpturen aus Gandhara zählen somit zu den ältesten Buddha-Darstellungen überhaupt.

Die grosse Blütezeit erlebte der Buddhismus in Gandhara im 2. Jh. n. Chr. unter dem Nomadenvolk Kushana, die ihre eigenen Götter mitbrachten. Damals wurden grosse Städte und zahlreiche prächtige Klöster gebaut und reich mit erzählerischen Reliefs geschmückt . Nirgendwo sonst in der buddhistischen Kunst haben die Bildhauer so viele Episoden aus dem Leben Buddhas so anschaulich dargestellt wie in Gandhara: Seine Geburt, sein Auszug von zu Hause, sein Leben als Asket, seine Erleuchtung und sein Eingehen ins Nirvana. Die meist aus gräulich-blauem Schiefer herausgehauenen Skulpturen strahlen Ruhe und Erhabenheit aus. Kraftvoll gestaltete Körper, detailreiche Relief, sowie monumentale Buddha-Figuren sind typisch für Gandhara.

Einst stolze Zeugen

Die grössten Buddha-Figuren überhaupt, die Kolossalstatuen aus Bamiyan in Afghanistan, waren einst stolze Zeugen der späten Gandhara-Kultur. Doch sie wurden vor acht Jahren von Taliban-Milizen in einem barbarischen Akt in die Luft gesprengt. Die künstlerisch herausragenden Reliefs der Region beeindrucken dagegen noch heute durch ihre gekonnten Darstellungen und ihren erzählerischen Reichtum. Eines der Highlights der Ausstellung ist die grosse Paradies-Stele, die der Ausstellung ihren Titel gegeben hat. In dem äusserst fein und detailliert aus Schiefer herausgearbeiteten Relief thront der lehrende Buddha in der Mitte. Er ist von vielen heiligen Wesen umgeben - einer Paradieswelt voller Harmonie, Ordnung und Frieden. Das Relief steht stellvertretend für eine äusserst vielfältige buddhistische Kultur, die einst - vom 1. bis 5. Jahrhundert - ihre Hochblüte erlebte und weit bis nach China und Japan ausstrahlte.