Die junge Frau macht ein Gesicht, als sei auf ihrem Frühstücksteller gerade ein Frosch gelandet. Dann erzählt sie in trockenen Worten, wie ihr Windows-PC den Grossteil ihrer Studienarbeit im Daten-Nirvana verschwinden liess und dass sie deswegen zu Apple konvertiert sei. «Ich heisse Ellen Feiss, und ich bin Studentin», schliesst die junge Frau ihren Werbespot, glotzt wieder mit ihrem Schlafzimmerblick von der Leinwand, und die 1200 Zuschauer im Palais de Congrès johlen. Bei den nächsten Worten johlt die Halle noch lauter. «Ich heisse Steve Jobs, und ich bin CEO.» Der charismatische Gründer und Chef von Apple hat ein Heimspiel, egal wo er auftritt. Auch in Paris an der «Apple Expo», der grössten europäischen Apple-Messe, feiern ihn seine Fans wie einen Popstar. Besonders, wenn er ihnen sagt, was sie hören wollen. «Der Moment ist gekommen, um die PC-User zu evangelisieren», ruft Steve Jobs. «Selbst wenn Sie einen Windows-PC im Büro benutzen, sollten Sie einen Mac daheim haben.» Die Halle tobt.

Sie ist wieder da, die alte Rivalität mit Microsoft. Die letzten fünf Jahre lebte man mehr oder weniger friedlich nebeneinander her, jeder profitierte vom anderen: Die damals hochmarode Apple bekam von Microsoft eine Geldspritze von 150 Millionen Dollar und die Zusicherung, dass die Softwarepakete Office und Internet Explorer auch in Zukunft für den Mac erscheinen würden. Microsoft ihrerseits erhielt auf diese Weise einen Konkurrenten am Leben, um so eines ihrer wichtigsten Argumente gegen die Monopolvorwürfe der Kartellbehörden vorbringen zu können. Besiegelt wurde das Ganze mit einem fünfjährigen Kooperationsvertrag zwischen Steve Jobs und Bill Gates, den nicht wenige eingefleischte Apple-Fans ihrem Chef als Hochverrat auslegten.

Jetzt ist Apple über den Berg, Microsoft hat die neuesten Versionen ihrer Mac-Software abgeliefert, der Kartellprozess ist quasi entschieden, der Kooperationsvertrag im Sommer abgelaufen, Microsoft hat ihren Anteil an Apple zurückverkauft. Kurz, die Computerwelt ist wieder so, wie sie einmal war: fein säuberlich geteilt zwischen Mac-Fans und den anderen.

Viel Geld auf der hohen Kante
Dass man nun wieder aufeinander losgeht, hat nicht nur etwas mit alten Ressentiments zu tun. Dahinter stecken vor allem strategische Überlegungen. Seit der schweren Krise Mitte der Neunzigerjahre, als Apple hart am Bankrott entlangschrammte, konzentrierte sich das Unternehmen auf drei Bereiche: den Bildungsmarkt (Computer für Schulen und Universitäten), den Bereich der Kreativen (Werbeagenturen, Layouter usw.) und im Consumer-Markt auf jene Kunden, denen der Umgang mit einem herkömmlichen PC zu mühsam war.

Being different, anders sein, lautet die Philosophie. Damit ist man bis heute gut gefahren: Der Niedergang wurde gestoppt, Apple verdient tüchtig Geld (heute hat man mehr als 4,3 Milliarden Dollar auf der hohen Kante) und ist neben Dell der einzige PC-Hersteller, der in den letzten Jahren nie Verluste schrieb. Den Marktanteil konnte man zwar nicht signifikant steigern, aber nach dem Taucher Mitte der Neunzigerjahre stabil halten.

Doch jetzt werden die Nischen langsam zu eng für den Computerhersteller aus Cupertino: Der PC-Markt ist generell rückläufig. In der gegenwärtigen Rezession kommt Apple als Hochpreisanbieter besonders stark unter Druck. Im Bildungsmarkt wird der Konkurrent Dell immer stärker, und im Massenmarkt ist Windows XP gut angekommen.

Um nicht Gefahr zu laufen, eines Tages in ihrer Nische zerquetscht zu werden, muss Apple den Ausbruch wagen, solange man stark ist. Also geht man die Windows-User frontal an. «Wenn wir Microsoft ein oder zwei Prozent Marktanteil abnähmen, würden die das gar nicht merken», sagt Jobs, «aber für uns wäre das ein dramatischer Anstieg.» Das Kalkül: «Wer daheim einen Apple benutzt, sieht, um wie viel besser der Mac ist. Und dann erzählt er seinen Freunden und seinem IT-Verantwortlichen im Büro, um wie viel besser der Mac ist», hofft Jobs.

Bereits der grösste Unix-Anbieter
Dazu dienen nicht nur Ellen Feiss und die anderen Darsteller der Werbekampagne, die in Kürze auch in die Schweiz kommen soll. Richten soll es vor allem das neue Betriebssystem OS X Version 10.2, marketingwirksam «Jaguar» genannt. Sein Kern basiert auf Unix, das in der Firmenwelt wegen seiner Robustheit sehr beliebt ist. «Unternehmen, die uns früher nicht mal zurückrufen wollten, melden sich jetzt bei uns und fragen nach Mac OS X. Weil es auf einem Betriebssystem basiert, das sie kennen und mögen», sagt Jobs.

Vor allem aber erleichtert Jaguar den Datenaustausch mit der Windows-Welt erheblich. Auch die Einbindung von fremder Hardware geht problemloser vor sich. Apple öffnet sich also gegenüber dem Microsoft/Intel-Standard – natürlich mit dem Ziel, die User dort abzuwerben. Zum Jahresende dürften 20 Prozent aller installierten Macs das neue, offenere Betriebssystem verwenden. «Das ist eine der schnellsten Übergänge in der Computergeschichte», sagt Jobs – und stichelt Richtung Redmond: «Windows XP wird eine solche Rate nach zwei Jahren nicht auch nur annähernd erreichen.» Damit ist Apple bereits jetzt der grösste Unix-Anbieter, vor Sun und Linux.

Auch hardwareseitig greift Jobs nun das bisher von Microsoft und Intel dominierte Geschäftskundensegment an: Mit dem Xserve hat Apple einen Server vorgestellt, der sich ebenso gut in Macintosh- wie in Windows-Netzwerke einbinden lässt. «Wir haben ein hervorragendes Feedback», wirbt Jobs. Doch auf diesem Markt hat er ein Glaubwürdigkeitsproblem: Mitte der Neunzigerjahre versuchte man sich bereits einmal mit Servern. Nur eineinhalb Jahre später liess der damalige Chef Gil Amelio die Produktlinie wieder einstellen – sehr zum Ärger jener Kunden, die ihr Netzwerk bereits auf Apple umgestellt hatten.

Die Windows-Benutzer im Privatkunden- und im KMU-Bereich sind nicht die einzigen Zielgruppen, mit deren Hilfe Apple den Ausbruch aus der Nische versucht. Zahlreiche andere neue Geschäftsfelder hat Steve Jobs zur Eroberung ausgeschrieben. Die Behörden rund um den Globus sollen ihre Statistiken in Zukunft mit Macintosh-Rechnern verwalten. Filmstudios will man angehen, damit sie ihre Special Effects auf Apple-Computern berechnen lassen. In diesem Bereich hat Steve Jobs, der nebenher ja noch CEO der Pixar-Filmstudios ist, beste Verbindungen. Tonstudios, DJs und Musiker sollen ihre Kreativität in Zukunft ebenfalls vermehrt am Mac ausleben. Ein grosses Marktpotenzial sieht Jobs auch bei Forschern und Entwicklern: Zum einen basieren deren Systeme ebenso wie Jaguar häufig auf Unix-Basis, zum anderen ist Apple im universitären Umfeld traditionell stark.

Gefahr der Verzettelung droht
Eine Vielzahl von strategischen Initiativen also, die da von Cupertino aus vorangetrieben werden. Doch wie die meist sehr schlank organisierten Länderorganisationen (bei Apple Schweiz arbeiten 21 Leute) all diese neuen Kundensegmente gleichzeitig angehen sollen, ist fraglich. «Wir werden die neuen Zielgruppen sehr selektiv ansprechen», sagt daher Schweiz-Chef Roger Brustio. «Im Bereich Filmstudios oder Rendering Farms etwa dürfte das Potenzial in der Schweiz gering sein.» Auch der Bereich öffentliche Verwaltung ist in der Schweiz nicht prioritär. «Da sind die Strukturen sehr festgefahren», sagt Rolf Lehmann, Product Manager bei Apple Schweiz.

Droht sich das Unternehmen zu verzetteln? Die Gefahr besteht. Schliesslich war es die Erfolgsstrategie von Apple, dass man nicht auf allen Hochzeiten mittanzte. Steve Jobs freilich sieht das anders: «Wir sind immer noch sehr fokussiert.» Jobs zählt darauf, dass bei seinem nächsten Auftritt in Europa noch ein paar Tausend Fans mehr johlen.
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