Apples neuer Musik-Streamingdienst Apple Music ist gestern gestartet. Kurz vor der Lancierung ging ein Kampf der Titanen voraus. Auf der einen Seite im Ring stand Taylor Swift: erfolgreichste Sängerin der Welt mit fast 200 Millionen verkauften Alben, siebenfache Grammy-Preisträgerin. In der anderen Ecke Apple selber: iPhone-Hersteller und weltweit wertvollstes Unternehmen.

Was war passiert? Swift hatte öffentlich gegen Apple und das Musik-Angebot gepöbelt. Der Konzern wollte in der dreimonatigen kostenlosen Testphase kein Geld an Künstler zahlen. Swift verstand dies als Schienbeintritt gegen alle Musiker. Schon kurz nach der Schelte gab Apple nach. «Swift zwingt Apple in die Knie» schrieb die globale Presse. Richtig wäre wohl eher gewesen: «Das ist der kluge Schachzug von Swift und Apple.»

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Win-Win-Situation

Denn am Ende der Fede steht für beide Seiten eine klassische Win-Win-Situation. Darum liegt die Vermutung nahe, dass das Ganze gut inszenierte PR war und kein wirklicher Streit. Wir rekapitulieren: Nachdem Swift Apples Vergütungs-Praktiken anprangerte, diese als «schockierend» bezeichnete und mit einem Boykott von Apple Music drohte, kündigte Apple-Manager Eddy Cue nur Stunden später auf Twitter an, man werde Künstler in der dreimonatigen Probezeit doch bezahlen.

Das schnelle Einlenken von Apple überrascht sogar Kenner des Konzerns. Technologie-Experte Tim Bajarin schreibt in der Online-Ausgabe des Magazins «Time», es sei das erste Mal seit Jahrzehnten, dass der Technologieriese so rasch seine Meinung geändert habe.

Scharfe Spotify-Kritikerin

Wiederum nur Tage später nach Apples Friedensbereitschaft teilte Swift mit, dass sie ihr Hit-Album «1989» im neuen Abgebot von Apple streamen lassen will. Auf Twitter schrieb die 25-Jährige: «Es ist einfach das erste Mal, dass ich das Gefühl habe, dass es richtig ist, mein Album streamen zu lassen.»

Swifts wunderbare Wandlung mutet seltsam an. Vor allem, weil sie eine der härtesten und berühmtesten Gegnerinnen des schwedischen Streamingdienstes Spotify ist. Die Macher des Angebots müssen sich seit Jahren den Vorwurf gefallen lassen, sie bezahlten Musikern viel zu wenig. Swift boykotiert Spotify daher. Dass die Sängerin nun aber plötzlich bei Apple so euphorisch ihre Musik streamen lässt, legt eine Vermutung nahe: Swift und Apple gingen ein Deal ein.

Tatsächlich kann Apple von dem Zwist mit Swift nur profitieren. Seit Swifts Kritik ist Apple Music nun in aller Munde. Zuvor wussten vor allem Apple-Fans über das neue Angebot Bescheid. Apple habe demnach im grossen Stil die Werbetrommel rühren müssen, um zum Start soviel Nutzer wie möglich an Bord zubringen, schreibt Bajarin. Dank Swift kennen nun Millionen potenzielle Kunden zusätzlich den Dienst.

Doch das ist noch nicht alles. Dank Swift haben bereits diverse unabhängige Musiklabels ihre Meinung geändert und stellen nun ihren Katalog Apple Music zur Verfügung. Das schlägt sich auf die Nutzerzahlen nieder. Bajarin schätzt, dass Apple Music bis Ende Jahr 60 Millionen zahlende Nutzer hat. Zum Vergleich: Apples-Konkurrent Spotify hat 20 Millionen zahlende Kunden.

Über Nacht zum grössten Streamingdienst

Bajarin kommt zum Schluss: Durch Swifts Klagen werde Apple Music schon zum Start den grössten verfügbaren Song-Katalog bieten können. Wenn man zudem Apples riesige Fan-Gemeinde berücksichtige, sei Apple Music wahrscheinlich quasi über Nacht zum erfolgreichsten Musik-Streamingdienst geworden.

Doch auch Swift profitiert von der Geschichte. Sie steht nun als Gutmensch da, der sich für die Belange der globalen Musik-Gemeinschaft einsetzt und dabei keine Gegner fürchtet – auch Apple nicht. Das dürfte ihr viel Bewunderung und viele neue Fans einbringen.

Millionenschwere Vorauszahlungen

Letzlich dürfte Swift alleine für ihre Musik eine stattliche Summe von Apple erhalten haben. Denn: Eine Geldmaschine wie Swift wird kaum pro gestreamten Song bezahlt, so wie das bei unbekannteren Künstlern geschieht. Stattdessen dürfte Swift schon im Vorfeld Millionen kassiert haben. Das legt der Vertrag zwischen dem Musikriesen Sony und Spotify aus dem Jahr 2011 nahe, der im Mai auf illegalem Weg im Internet auftauchte.

Demnach habe die vereinbarte Vorauszahlung von Spotify an Sony 25 Millionen Dollar betragen: Neun Millionen Dollar im ersten Jahr und 16 Millionen im zweiten. Für ein optionales drittes Jahr legte man sich auf 17,5 Millionen Dollar fest. Im 42-seitigen Dokument stand allerdings nicht drin, wie viel das Label seinen Künstlern auszahlt.

Swift wehrt sich

Von einer grossangelegte PR-Aktion im Fall Apple will Taylor Swift nichts wissen. «Falls ihr euch fragt, ob das einer der exklusiven Deals ist, wie Apple dies schon mit anderen Künstlern gemacht hat – nein, ist es nicht», schrieb Swift auf Twitter.

Tatsache ist: Auch wenn das Theater zwischen Swift und Apple kein abgekartetes Spiel war – viel Geld haben beide Seiten auf jeden Fall verdient.