Seit Jahren schon wird bei der Ascom hektisch saniert, restrukturiert und deinvestiert. Der Verkauf der Ascom Manufacturing an eine Berner Investorengruppe vor ein paar Tagen erregte deshalb kaum mehr grosses Aufsehen, zu sehr hat man sich an solche Nachrichten gewöhnt. Bemerkenswert aber: Der einstige Grosskonzern hat damit seine letzte industrielle Produktion in der Schweiz abgestossen, sieht man von einer kleinen Fertigungsstätte in Hombrechtikon einmal ab. Ascom ist hier zu Lande zum reinen Dienstleister geschrumpft, der Software und IT-Lösungen anbietet und die benötigte Hardware einkauft. Im Ausland verfügt der Konzern zwar noch über zwei Fabriken. Weil für die defizitäre Tochter Ascodi im französischen Valence ein Käufer gesucht wird, ist aber absehbar, dass man bald nur noch in Schweden produzieren wird. Dort werden in der Nähe von Göteborg Komponenten für drahtlose Funksysteme hergestellt, wie sie Spitäler, Heime und Grossbetriebe benötigen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Zur Frage, ob die Trennung von der industriellen Fertigung auch das ersehnte Ende des langen Schrumpfungsprozesses bedeuten könnte, will Ascom-Generalsekretär Daniel Lack keine Stellung nehmen. Die Konzernspitze in Bern rechnet per Ende 2004 noch mit insgesamt 4000 Beschäftigten in knapp zwei Dutzend Ländern, wovon 1500 in der Schweiz. Vor zehn Jahren waren bei der Ascom 18000 Personen beschäftigt gewesen, überwiegend in der Schweiz.

Der 1987 aus der Fusion von Autophon, Hasler und Zellweger entstandene Konzern ist seit seinem missglückten USA-Abenteuer in den 90er Jahren immer mehr in die Defensive geraten. Die letzten Fabriken, die heute verkauft werden, sind die Restposten eines langen Rückzugs aus der Industrie. Faktisch ist der Schlussstrich bereits vor vier Jahren gezogen worden. Damals trennte sich die Ascom von ihrem einstigen Kerngeschäft, der Telefonproduktion. Seither ist der Umsatz von über 3 auf 1,5 Mrd Fr. geschrumpft, was einer dramatischen Magersucht ähnlich sieht. An der nach dem Riesenverlust von 400 Mio Fr. 2001 vorgenommenen Neupositionierung wird bis heute festgehalten. Aber das Rezept zur Gesundung ist damit noch nicht gefunden.

«Wir sind ein Dienstleister in verschiedenen Nischenmärkten der Kommunikation», betont Lack. Alles, was nicht in die vier fokussierten Sparten Sicherheitslösungen, Gebühreneinzugsysteme, Netzwerkintegration sowie drahtlose Sprach- und Alarmierungssysteme hineinpasst, wird seit 2002 sukzessive abgestossen. Inzwischen machen die Aktivitäten auf diesen Feldern zwar 85% des Umsatzes aus. Die Neupositionierung ist aber nur halbwegs erfolgreich. Der Verlust von 281 Mio Fr. 2002 konnte 2003 zwar auf 68 Mio Fr. reduziert werden, aber die Ascom kämpfte mit Liquiditätsproblemen. Die Pleitegeier konnten gerade noch verscheucht werden, dank der Versilberung des Tafelgeschirrs (Verkauf von Immobilien) und der Ausgabe neuer Aktien. Damit wurden im letzten Herbst rund 100 Mio Fr. in die Kassen gespült.

Zukunft mit Funksystemen

Rudolf Hadorn, seit Anfang Juni neuer CEO, meinte vor kurzem in einem Interview mit dem «Bund»: «Die lebensbedrohenden Umstände sind weg, aber die nachhaltige Ertragskraft ist noch nicht erreicht.» Im Klartext: Von den vier Kernbereichen ist einzig Wireless Solutions wirklich erfolgreich. Da ist 2003 mehr Geld verdient worden als in den drei anderen Sparten zusammen; und nur da ist der Umsatz gestiegen. Die Divisionen Netzwerkintegration und Gebührensysteme belasten hingegen die Margen. VR-Präsident Juhani Anttila hat schon mehrmals durchblicken lassen, dass bald eine weitere Remedur anstehen könnte. Lack will dazu noch keine Details verraten. «Die Strategie wird neu überprüft, der Prozess läuft», sagt er.

Zumindest die Anleger und Analysten haben den Glauben an die Überlebenskraft der Ascom nicht verloren. Zwar rechnen die Experten etwa von Lombard Odier Darier Hentsch, dass der Umsatz 2004 nochmals um 17% auf 1,254 Mrd Fr. schrumpfen wird. Sie erwarten aber nach vielen tiefroten erstmals wieder schwarze Zahlen. Richtig gepokert hat Tito Tettamanti, der Anfang 2004 mit seiner Sterling Investment 10% der Aktien erworben hat. Seither ist der Ascom-Titel um mehr als 50% gestiegen. Das freut auch VR-Präsident Anttila, der sich bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren ein grosszügiges Optionsprogramm gewährt hat. Dieses ist jetzt bereits Millionen wert. Zumindest nach seiner Einschätzung und derjenigen der Financiers gibt es bei der Ascom Silberstreifen am Horizont.

Fragt sich nur, als was der einstige Telefonproduzent überlebt. Wenn das letzte Gramm Fett abgespeckt werden soll, ist nicht auszuschliessen, dass nur die Division Wireless Solutions mit den profitablen Funksystemen übrig bleibt.