Peter Spuhler (66) ist ein Erfolgsmensch. Machtkämpfe entscheidet er meistens für sich. Den Thurgauer Zugbauer Stadler Rail hat der umtriebige Geschäftsmann von einem 18-Mann-Betrieb zu einem global tätigen Unternehmen mit 16'600 Mitarbeitenden aufgebaut.

Und doch musste der Stadler-Patron am Freitag eine herbe Niederlage einstecken. Die SBB vergaben am Freitag den grössten Auftrag in der Geschichte nach Deutschland an Siemens. Der Zugbauer aus Bussnang TG ging leer aus, was Spuhler überhaupt nicht gefällt. Kurz nach der Bekanntgabe durch die SBB spricht das Unternehmen von einer «grossen Enttäuschung für Stadler und unsere rund 6000 Mitarbeitenden in der Schweiz».

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Und zwei Tage später legt Spuhler in einem Interview mit der «SonntagsZeitung» höchstpersönlich nach: «Der Schock sitzt wirklich tief bei allen 6000 Stadler-Mitarbeitern, auch bei unseren über 200 Lieferanten aus der ganzen Schweiz.» Er kündigt an, einen Rekurs prüfen zu wollen. Die SBB wiederum verteidigen ihren Entscheid damit, das vorteilhafteste Angebot gewählt zu haben. «Swissness ist gemäss Beschaffungsgesetz weder vorgesehen noch erlaubt», schreiben die Bähnler in einem Blogpost.

Peter Spuhler

Stadler-Präsident Peter Spuhler überlegt sich, Rekurs gegen den Entscheid einzulegen.

Quelle: Keystone

Das Ganze zeigt: Trotz seiner vielen Erfolge hat Spuhler in seiner langen Stadler-Karriere schon die eine oder andere Niederlagen einstecken müssen. Drei Beispiele:

2010: SBB vergeben Mega-Auftrag nach Übersee

Die Mutter aller Stadler-Niederlagen im eigenen Land musste Spuhlers Zugbauer vor 15 Jahren einstecken. Im Mai 2010 ging die damals teuerste Zugbestellung der SBB an den kanadischen Industriekonzern Bombardier, dessen Zugsparte mittlerweile zum französischen Unternehmen Alstom gehört. 1,9 Milliarden Franken flossen damals nach Kanada – für den Pannen-Doppelstockzug, der im Volksmund bloss «Schüttelzug» heisst. Bombardier bekam den Auftrag, weil der sogenannte FV-Dosto weniger Strom verbrauchen soll und mehr Sitzplätze aufweist. Peter Spuhler vermutete dahinter aber Tricksereien. «Bombardier hat die Energiekosten bewusst zu tief angesetzt und sich so den Auftrag gekauft – das ist ein Buebetrickli», sagte er damals zu Blick.

Zur grossen Schlammschlacht kam es damals aber nicht. Wie der deutsche Mitbewerber Siemens verzichtete Spuhler mit Stadler auf einen Rekurs. In späteren Interviews sprach er oft von «der grössten Niederlage», die «teilweise auch selbstverschuldet» gewesen sei. Peter Spuhlers Lehre daraus: Er passte damals interne Strukturen an. Die Einheit für Produktentwicklung befreite er vom operativen Geschäft und holte sie näher zu sich, indem er das Team direkt sich als CEO unterstellte.

2011: BVB übergehen Stadler – trotz Rahmenvertrag

Stadler kann nicht nur Züge, sondern auch Trams. Aus Bussnanger Produktion ist etwa das bekannte Tina-Tram, auf das der Verkehrsbetreiber Baselland Transport setzt. Genauso wie auf dessen Vorgänger, den Stadler-Tango. Der Tango sollte eigentlich auch in Basel zum Einsatz kommen. Die Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) hatten sich mit Spuhlers Zugbauer sogar auf einen Rahmenvertrag geeinigt. 2011 dann der Schock: Die BVB entschieden sich damals bei der grössten Trambeschaffung ihrer Geschichte trotzdem gegen Stadler – und für Bombardier. Den Ausschlag zugunsten der Kanadier gab der Preis. Bombardier forderte für 60 Flexity-Trams 220 Millionen Franken, Stadler 36 Millionen mehr.

Interessant dabei: In einem Interview eine Woche nach dem Entscheid wollte Spuhler die Swissness-Debatte nicht aufmachen – im Gegensatz zum jetzigen SBB-Auftrag. «Die Schweiz hat wie die meisten entwickelten Länder die WTO-Richtlinien unterschrieben und es ist somit nicht möglich, den lokalen Wertschöpfungsanteil als Kriterium zu bewerten. Es gibt eine Ausnahme: Das sind die USA», sagte er damals zur «Tageswoche». Enttäuscht gab sich der Stadler-Patron trotzdem: «Im eigenen Land zu verlieren, schmerzt sehr.»

2015: Stadler verliert bei «Zürcher Tramstreit»

Vor rund zehn Jahren verlor Stadler einen weiteren Auftrag an Bombardier, was schliesslich im «Zürcher Tramstreit» mündete. Die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich (VBZ) gaben Mitte Mai 2016 bekannt, dass die Kanadier mit dem Flexity die nächste Tramgeneration liefern dürfen. 70 Trams für 350 Millionen Franken. Das Besondere dabei: Ein grosses Geheimnis lüfteten die VBZ damals nicht mehr. Denn bereits gut ein Jahr vorher war durchgesickert, dass Bombardier den Zuschlag erhalten hatte.

SRF zitierte in der «Rundschau» einen Untersuchungsbericht, der die Trambeschaffung als «nicht nachvollziehbar» kritisierte. Im Hintergrund war ein Streit zwischen den VBZ und dem kantonalen Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) entbrannt, der die Gelder für den Auftrag nicht freigeben wollte. In den Sonntagsblättern holte Spuhler damals zum Rundumschlag aus: «Wenn das stimmt, ist das ein Skandal, wie ich ihn in 26 Jahren im Bahngeschäft noch nie erlebt habe», sagte er, angesprochen auf den «Rundschau»-Bericht. Gleichzeitig forderte er, dass eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt werde und dass «bei den Verantwortlichen der VBZ Köpfe rollen», sollte bei der Vergabe tatsächlich geschummelt worden sein. Sowohl Stadler als auch Siemens reichten 2016 Rekurs ein, zogen diesen später aber zurück.

Bei diesen Mega-Aufträgen hat Spuhler gewonnen

Hat Stadler in der Vergangenheit mehrfach gegen Bombardier verloren, ist es nun die erste Niederlage gegen Siemens. 2003 hatten die Thurgauer noch zusammen mit den Deutschen einen gemeinsamen Auftrag für die zweite Generation der S-Bahnen in Zürich gewonnen. Gleichzeit rollt nun weitere Konkurrenz aus dem Ausland an. Die österreichische Westbahn gab kürzlich bekannt, bald vier Züge des chinesischen Zugriesen CRRC in Betrieb zu nehmen. Bislang war Stadler der einzige Lieferant der Westbahn, wie die «NZZ» berichtet.

Gleichzeitig kann sich das Unternehmen von Spuhler immer wieder gegen deutlich grössere Mitbewerber durchsetzen. 2022 bestellten die SBB zusammen mit ihren Töchtern Thurbo und RegionAlps 286 einstöckige S-Bahn-Züge bei Stadler. Das Investitionsvolumen: rund 2 Milliarden Franken. Bereits im nächsten Jahr sollen die ersten Flirt-Züge «Made in Bussnang» im Wallis und in der Ostschweiz unterwegs sein. Vor genau einem Jahr stellte Spuhler den Zug medienwirksam vor.

Ebenfalls 2022 vergab ein deutsch-österreichisches Konsortium einen Auftrag über 4,2 Milliarden Franken an Stadler. Spuhlers Zugbauer liefert bis zu 504 Trams an insgesamt sechs Verkehrsunternehmen aus den zwei Nachbarländern. Und hält die Fahrzeuge bis zu 32 Jahre lang instand. Und Ende 2024 gelang Stadler der Durchbruch in den USA, wo das Unternehmen sein Werk in Salt Lake City derzeit ausbaut. In der US-Stadt Atlanta rüsten die Thurgauer das gesamte Schienennetz mit neuer Signaltechnik aus. Der 500-Millionen-Dollar-Deal ist der grösste Auftrag der Firmengeschichte in dieser Sparte. Die jüngsten Erfolge in Übersee dürften aber nur wenig über die aktuelle Niederlage in der Heimat hinwegtrösten.