In besonders brenzligen Situationen sind Superhelden gefragt. Spiderman ist so ein Retter in der Not - und derzeit auch bei Audi im Einsatz. Mit der beliebten Comic- und Filmfigur werben die Ingolstädter - gebeutelt von Dieselskandal, Razzien und der ersten Festnahme eines Ex-Audi-Mitarbeiters deswegen in Deutschland - für ihr neues Flaggschiff: den A8.

Die Luxuslimousine soll vor allem beim autonomen Fahren die Rivalen das Fürchten lehren. Auch dem angeschlagenen Audi-Chef Rupert Stadler, über dessen bevorstehendes Aus seit anderthalb Jahren regelmässig spekuliert wird, käme heldengleiche Hilfe zupass. «Eine schnelle Aufwärtsentwicklung ist nötig, damit Stadler wieder in besserem Licht dasteht», sagt Analyst Jürgen Pieper von der Privatbank Metzler. «Symbolik ist jetzt auch gefragt.»

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Grosses Spektakel in Barcelona

An Spektakel dürfte es nicht mangeln, wenn Audi Anfang nächster Woche in Barcelona den neuen Superstar mit vier Ringen präsentiert.

Auf dem Messegelände am Mittelmeer soll auf 10'000 Quadratmetern Ausstellungsfläche alles aufgefahren werden, was der Oberklasse-Autobauer rund um Marke, Modelle und Mobilität der Zukunft zu bieten hat. Der komplette Vorstand reist an, vom Mutterkonzern Volkswagen wird Chef Matthias Müller erwartet. Den 2000 geladenen Gästen aus aller Welt wollen die Bayern beweisen, dass sie ihr zuletzt nur selten eingelöstes Versprechen nicht vergessen haben: «Vorsprung durch Technik».

A8 fährt automatisiert

Die wichtigste Innovation im A8 können Kunden vor dem Verkaufsstart gegen Jahresende schon im Kino sehen. Spiderman und sein Begleiter werden im neuen Kinofilm «Homecoming» von der Luxuslimousine chauffiert - autonom. Der A8 fährt unter bestimmten Bedingungen automatisiert; der Mensch am Steuer kann sich anderen Dingen zuwenden, bis das Auto ihn zum Übernehmen auffordert. Diese Stufe des autonomen Fahrens wird als Level 3 bezeichnet.

«Audi ist in diesem Punkt vorn», sagt Autoanalyst Pieper, und auch Technikexperten äussern sich lobend. Entsprechend selbstbewusst klingt das bei Audi: «Das pilotierte Fahren auf Level 3 ist technisch eine Revolution», sagt der neue Entwicklungschef Peter Mertens. Und die biete im Moment weltweit nur der A8, der speziell dafür konstruiert sei.

«Das kann jeder Hersteller»

Die Technik fürs automatisierte Fahren auf dieser Stufe beherrschen andere Autobauer ebenso, bieten sie aber noch nicht in Serienmodellen. «Level 2 ist 'state of the art' in der Luxusklasse. Das kann jeder Hersteller», sagt Axel Schmidt von der Beratungsfirma Accenture. «Mit jeder neuen Fahrzeuggeneration werden wir weitere Fortschritte in Richtung Level 3 und darüber hinaus sehen. Das ist eher eine Evolution als eine Revolution.»

Audi, lange Zeit abgeschlagen und durch häufige Chefwechsel im zentralen Entwicklungsressort ausgebremst, erwischt mit dem A8 einen günstigen Zeitpunkt. Den Ingolstädtern kommt jetzt zugute, dass das neue Flaggschiff später an den Start geht als eigentlich erwartet. Die Luxusfahrzeuge der Konkurrenz sind bereits eine Weile auf dem Markt, etwa der BMW 7er, oder überarbeitet wie die S-Klasse von Mercedes. Wichtige Innovationen bringen die Hersteller gern in brandneuen Modellen.

Viele Extras sollen künftig nur wenige Steuergeräte brauchen

Technisch sorgen die vielen Extras wie Spurhalte-, Stau-, Brems- oder Parkhelfer oft für Probleme. «Ein modernes Fahrzeug mit Assistenzfunktionen hat heute 50 bis 100 Steuergeräte, die miteinander verbunden werden und miteinander kommunizieren müssen», erläutert Peter Fintl von der Technologieberatung Altran. «Das ist wie in der Musik: Aus vielen Instrumenten soll eine Symphonie entstehen. Aber wenn das Orchester zu gross ist, wird die Koordination schwierig.»

In künftigen Modellen werde trotz automatisierter Fahrfunktionen die Anzahl der Steuergeräte «deutlich reduziert», sagt Fintl. «Ein sogenannter Domain Controller übernimmt die Steuerung, eine zweite zentrale Einheit sorgt für die nötige Redundanz.»

Zahlungskräftige Käufer

Die sündteure Entwicklung dieser Technologie können sich die Autobauer im Luxussegment von den Kunden bezahlen lassen. Die Einstiegspreise für S-Klasse, 7er oder A8 liegen knapp unter 100'000 Euro, für Sonderausstattung legen zahlungskräftige Käufer oft noch 30'000 bis 50'000 Euro drauf.

Die Hersteller freuen sich über Deckungsbeiträge, die Fachleuten zufolge 40 bis 50 Prozent vom Preis betragen. Da ist es eher zu verschmerzen, wenn von den Luxuslimousinen vergleichsweise wenig Fahrzeuge verkauft werden. Autoexperte Arndt Ellinghorst vom Analysehaus Evercore ISI schätzt, «dass Audi mit dem A8 im besten Jahr etwa 300 Millionen Euro verdient», weniger als zehn Prozent des gesamten Ergebnisbeitrags aus dem Fahrzeugverkauf.

Image- und Innovationsträger

Solche Flaggschiffe spielen trotzdem eine besondere Rolle als Image- und Innovationsträger. Bei Audi lechzen Manager wie Mitarbeiter zudem nach Erfolg - anderthalb Jahre mit Abgasaffäre, Ermittlungen, Razzia, Festnahmen, Gewinneinbruch, Problemen in China oder Dauerbeschuss des Vorstandschefs zehren. «Positive Zeichen sind auch für Stadler wichtig», sagt Pieper. Mercedes habe vor Jahren seine Erholungsphase ebenfalls mit dem Flaggschiff, der S-Klasse, gestartet. Heute führen die Stuttgarter das Premiumsegment an. Audi ist auf Platz 3 zurückgefallen.

Um den einst erfolgsverwöhnten Aufsteiger rasch aus dem verhedderten Netz früherer Fehler zu befreien und wieder auf die Überholspur zu bringen, könnte ein Superheld mit magischen Kräften nicht schaden.

(reuters/ccr)