Wer auf dem Old Course in St. Andrews aufteen möchte, braucht vor allem eines: Geduld. Für eine Partie auf dem legendären Platz an Schottlands Ostküste, auch «The Home of Golf» genannt, muss man sich einem Losverfahren mit Warteliste unterziehen; selbst dann ist eine Startzeit nicht gesichert. Der Spass, seinen Ball in einem der zahlreichen Pottbunker zu versenken, kostet umgerechnet rund 230 Fr. Im Vergleich zu den 500 Fr., die man im kalifornischen Eldorado Pebble Beach für die Runde zu berappen hat, geradezu ein «Schnäppchen».

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Weder Geduld noch Geld helfen in Augusta weiter

Im Augusta National Golf Club hingegen helfen weder Geduld noch Geld weiter. Wer hier, im golferischen Garten Eden, spielen darf, hat es entweder zur absoluten Weltspitze gebracht oder kann glänzende Beziehungen zu einem der 300 Mitglieder vorweisen. Aber Vorsicht: Ihr Durchschnittsalter ist so hoch, dass rund die Hälfte nicht mehr Golf spielt! Apropos Mitglieder: Nach wie vor ist der Klub für «Men only». Frauen sind einzig als Gäste geduldet.

Eine weitere Möglichkeit, auf dem als «Freiluft-Kathedrale» umschriebenen Par-72-Heiligtum die Golfschläger schwingen zu dürfen, bietet sich über ein Stipendium an der Augusta State University an. Zu diesen Glücklichen zählt Roger Furrer, der seit dem 11. August 2004 knapp 100 m neben der Anlage in Augusta wohnt und an der dortigen Universität Wirtschaft studiert.

Am vergangenen 24. Februar öffneten sich für die acht besten Spieler des Uni-Golfteams die sonst bestens bewachten Tore bei der Einfahrt von der Washington Road zur Magnolia Lane mit der 61 Bäume umfassenden Allee. Unter ihnen auch Roger Furrer. «Allein der Anblick des Klubhauses, der blühenden Azaleen und der perfekt unterhaltenen Übungsanlage brachte mich zum Frösteln.» Kein anderer Course wird derart gehätschelt und gepflegt, seit er 1932 von der Golflegende Bobby Jones gegründet und zusammen mit dem schottischen Architekten Alister MacKenzie gebaut wurde.

Nach einem Abstecher auf den neun Löcher umfassenden Par-3-Kurs, der den Puls fürs Erste auf ein erträgliches Niveau drückte, und einem Lunch im Klubhaus machten sich die Junggolfer mit der Geschichte des Klubs noch vertrauter. «Wir durften das ganze Klubhaus besichtigen, sahen die Masters Trophy, die Champions Garderobe, wo jeder ehemalige Sieger einen eigenen Schrank besitzt, und die Schläger und Bilder von unzähligen Golfgrössen. Am Schluss konnten wir sogar einen Blick in das Büro des legendären Klub-Präsidenten Hootie Johnson werfen.» Am Nachmittag folgte dann jener Moment, der vielen Golffans ein Vermögen wert wäre: Abschlag auf Tee Nummer 1, «Tea Olive» genannt. Ein Par 4 von rund 390 m Länge. «Zum Glück ist das erste Fairway relativ breit, denn der Adrenalinspiegel spielte schon etwas verrückt.» Trotz des Kribbelns startete Roger Furrer mit einem Par. «Ich kannte dank des Studiums der vergangenen Masters-Turniere jedes Loch in- und auswendig. Trotzdem sah in Realität alles ein bisschen anders aus. Ich war überrascht, auf welch kleinem Raum der ganze Platz eingebettet ist.»

Nach ausgiebigen Niederschlägen in den Tagen zuvor spielte sich der 6600 m messende Platz an jenem 24. Februar extrem lang. «Natürlich kommt hier der Länge vom Tee eine wichtige Rolle zu. Noch entscheidender indes ist das präzise Anspielen der Fahnen, da die Greens extrem onduliert sind, was das Putting und Chipping wiederum sehr schwierig gestaltet.»

Der Hammer kommt erst auf den Back Nine

Mit einem Schlag über Par gings für Roger Furrer auf die zweiten neun Löcher, die dem US Masters schon so manche unglaubliche Geschichte beschert haben. Ganz besonders der Amen Corner mit den Löchern 11 bis 13, die teuflische Ecke des Garten Eden. 1958 ist das Geburtsjahr der Legende vom Amen Corner. Arnold Palmer spielte damals einen Eagle auf der 13 und sicherte sich damit sein erstes Masters-Jacket.

Das bekannteste der drei Löcher ist das zwölfte. Mit 142 m ist die gemäss Statistik viertschwerste Bahn die kürzeste in Augusta. Kaum zu berechnende Winde, drei gut platzierte Bunker und der Fluss Rae's Creek haben schon so manchem gut im Rennen liegenden Spieler auf dem Golden Bell genannten Par 3 den Sieg gekostet. Wer besonders boshaft ist, sollte einmal Dow Finsterwald, Tom Weiskopf und Tommy Nakajima fragen, wie sie über Amen Corner denken. Finsterwald spielte 1952 am elften Loch, einem Par 4, eine Neun. Weiskopf erging es 1980 mit 13 Schlägen an der Zwölf noch schlimmer. Mit dem gleichen Score verabschiedete sich auch Nakajima 1978 an der 13, einem Par 5.

Gedemütigt und der Lächerlichkeit preisgegeben so erging es nicht nur diesen Weltklasse-Profis am Amen Corner. Der Mythos um diese drei Löcher nimmt mit jeder neuen Geschichte zu. Es gilt: Wer Amen Corner nicht umrundet hat, darf sich nicht als US-Masters-Sieger fühlen, selbst wenn der Vorsprung komfortabel erscheint.

Auch Roger Furrer zeigte sich von der nordöstlichsten Ecke des Platzes beeindruckt. «Der Amen Corner ist schon sehr speziell. Ich überstand die 11 und 12 gut mit je einem Par, aber auf der 13 fand ich leider den Rae's Creek und musste ein Doppel- Bogey notieren.»

Gar nicht schlecht: Premiere mit einer 78er-Runde

Auf dem Weg zum letzten Green träumte Roger Furrer, wie es sich wohl anfühlen würde, «hier vielleicht irgendwann einmal das Green Jacket des Siegers entgegennehmen zu dürfen.» Sein letzter Schlag, ein gelochter 1-m-Putt, bedeutete ein Score von 78, «was für die Premiere auf diesem Platz sehr ansprechend ist». Und was hat der Schweizer Nationalspieler von diesem Tag mitgenommen? «Diese Runde hat mich motiviert, noch härter für mein Ziel zu arbeiten, einmal als Spieler das Masters zu bestreiten.»

Ernie Els hat einmal gemeint, er fühle sich näher bei Gott, wenn er auf dem Gelände des Augusta National Golf Club sei. «Ich kann mich ihm nur anschliessen», meint Furrer, «es ist für einen Golfspieler das Paradies auf Erden.»

Roger Furrer

Steile Karriere führte in acht Jahren von Null nach Augusta

Roger Furrer, geboren am 24. Juli 1984, war der Aufsteiger der Saison 2004. Nicht, dass der Bündner zuvor erfolglos gewesen wäre. Immerhin wurde er schon 2001 ins U18-Nationalkader berufen. Und 2003 liess er am Championnat de Suisse Centrale in Blumisberg sämtliche Professionals und Amateure hinter sich. Doch 2004 übertraf alles: Er schaffte das Double an den Schweizer Meisterschaften (Junioren und Amateure), gewann zwei Juniorenturniere sowie ein Uni-Turnier in den USA und holte an der Team-WM 2004 in Puerto Rico mit Martin Rominger und Nicolas Sulzer den hervorragenden 4. Platz.

Bevor Furrer 1997 mit 13 Jahren auf der Driving Range in Domat/Ems seine ersten Bälle in den Himmel schlug, galt seine Leidenschaft dem Tennis, wo er es bis ins Bünder Kantonalkader schaffte. 1998 erspielte er sich im Golf die Platzreife, zwei Jahre später lag sein Handicap schon bei 2,7.

Im Sommer 2000 wechselte er von der Kantonsschule Chur ins Sportgymnasium Davos, um sich neben der Schule noch zielgerichteter dem Golfspiel zu widmen. Ein komplizierter Handbruch bremste allerdings Furrers Vorwärtsdrang 2002 aber nur vorübergehend.

Der vom langjährigen Tourspieler Paolo Quirici golftechnisch betreute Bündner hielt bei seinem ersten Trainingsaufenthalt in den USA mit seinen Gegnern bestens mit. Der Weg war vorgezeichnet: Nach den bestandenen Aufnahmetests offerierte ihm die Augusta State University im Sommer 2004 ein Stipendium.

Furrers Ziele sind klar umrissen: Zuerst auf Amateurebene die Erfolgsleiter nach oben klettern, dann zu den Profis wechseln. «Doch vorerst habe ich noch genug Konkurrenz auf Amateurebene», sagt er bescheiden. Ende Mai kehrt er für die Sommersaison in die Schweiz zurück.